Flugplatzheide: Der Freistaat plant um
Trotz anhaltender Proteste von Naturschützern laufen die Vorbereitungen für den Neubau von Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge weiter. Allerdings wird jetzt später und ganz anders gebaut
Über ein Jahr lang haben Naturschützer um den Erhalt der historischen Augsburger Flugplatzheide gekämpft. Jetzt treibt der Freistaat die Bebauung der Naturfläche in Haunstetten weiter voran. Am Bischofsackerweg sollen Wohnungen für rund 300 anerkannte Flüchtlinge entstehen. Allerdings wird das Bauvorhaben jetzt noch einmal umgeplant – und kommt dadurch später.
Die ersten Pläne für die neuen Unterkünfte am Bischofsackerweg waren vor dem Hintergrund der großen Flüchtlingskrise entstanden, als Hunderttausende Menschen nach Deutschland strömten. Deshalb sei ursprünglich geplant gewesen, möglichst viele Wohneinheiten auf dem Gelände nahe dem Landesamt für Umwelt unterzubringen, sagt Ulrich Blickle, Leiter des Staatlichen Bauamtes. Vorgesehen waren ursprünglich 13 Häuser. Die 79 Wohnungen sollten aber nur je 45 Quadratmeter groß sein – für eine vierköpfige Familie.
Diese Woche entschied die Oberste Baubehörde des Freistaates: Es wird umgeplant. Nun soll es eine Mischung aus größeren und kleineren Wohnungen geben. So können auch Familien mit bis zu acht Personen untergebracht werden. Fachleute gehen davon aus, dass mit dieser Lösung etwa zehn Prozent weniger Personen in der Anlage am Bischofsackerweg wohnen werden und die Wohnungen besser vergeben werden können. Denn neben anerkannten Flüchtlingen sollen auch Einheimische mit niedrigem Einkommen einziehen.
Das Vorhaben entsteht im Rahmen des bayerischen Sofortprogramms „Wohnungspakt Bayern“und soll neun Millionen Euro kosten. Es wird nun in einem Schritt realisiert und nicht mehr in einzelnen Abschnitten. Laut Blickle gibt es damit einen neuen Zeitplan: Der Landtag werde voraussichtlich erst Ende dieses Jahres die Finanzierung für das Projekt freigeben. Vorarbeiten, etwa der Archäologen, sollen im Frühjahr 2018 laufen. Baubeginn werde frühestens im Herbst 2018 sein, geplante Fertigstellung Ende 2019.
Für das Staatliche Bauamt ist es nicht die erste Umplanung bei dem Projekt, das mit Blick auf den Naturschutz äußerst umstritten ist. Die Naturschutzallianz heimischer Verbände kämpft für den kompletten Erhalt des letzten Heiderestes mit vier Hektar Fläche. Dort leben rund 85 geschützte Tier- und Pflanzenarten, die man teilweise woanders in Augsburg kaum noch findet. Auch das bayerische Umweltministerium hat die Fläche in Teilen als naturschutzfachlich besonders wertvoll eingestuft und gefordert, das Bauvorhaben müsse darauf abgestimmt werden.
Deshalb hatte der Freistaat schon im vergangenen Jahr die ersten Baupläne geändert, um den Eingriff in die Natur zu verringern. Die vorgesehenen Gebäude am Bischofsackerweg wurden anders angeordnet. Parallel wurde entschieden, die dann noch verbleibende Restfläche unter Schutz zu stellen. Zuständig dafür ist die Stadt Augsburg. Laut Umweltreferent Reiner Erben ist geplant, die Flugplatzheide als „geschützten Landschaftsbestandteil“auszuweisen und das Schutzverfahren noch in diesem Jahr zu eröffnen. Ziel der Stadt sei, das Schutzgebiet auf eine Größe von sechs Hektar auszudehnen, damit also auch auf angrenzende Bereiche.
Ein Problem dabei: Einige der geschützten Tierarten werden nach Einschätzung des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben in enger Nachbarschaft zu Menschen kaum überleben, weil sie empfindlich gegen Störungen sind. Derzeit werde noch nach Lösungen gesucht, sagt Erben. Eine Möglichkeit sei, einen Wall mit Gehölzen als Abgrenzung zu bepflanzen. Doch der Umweltreferent sagt auch: „Dies kann nur funktionieren, wenn die Anwohner über die Schutzwürdigkeit und Einzigartigkeit des Biotopes vor ihrer Haustür informiert werden.“Denkbar sei weiter, Anwohner über ein Umweltbildungsprojekt dazu zu bringen, Rücksicht auf die Natur zu nehmen. Es müsse aber auch eine ausreichend große Grünanlage um die Bebauung angelegt werden, die Bewohner nützen können.
Auf der Heide besteht bereits Baurecht. Der Landtag hat kürzlich eine Petition der Naturschutzallianz abgelehnt, die Alte Flugplatzheide doch noch komplett unter Schutz zu stellen. Sprecher Günther Groß kündigte gestern an, die Allianz werde weiter kämpfen. In den vergangenen Wochen wurden rund 1500 Unterschriften von Bürgern gesammelt. Sie sollen der Regierung von Schwaben übergeben werden. Die Naturschützer argumentieren, die Heide sei durch fortschreitende Bebauung auf eine Mindestgröße zusammengeschrumpft. Jede weitere Verkleinerung berge das Risiko, gefährdete Arten zu vernichten. Groß verweist auch darauf, dass Flüchtlinge, die inmitten von Gewerbe und Industrie wohnen, wenig Chancen auf eine gute Integration in die Gesellschaft haben. Am Standort auf der Flugplatzheide sei ein sozialer Brennpunkt zu befürchten. Groß: „Solange die Bagger nicht auffahren, geben wir unseren Kampf nicht auf.“»Kommentar
Als Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland strömten, wollten der Freistaat und die Stadt Augsburg rasch handeln. In einem Sonderprogramm sollte schnellstmöglich günstiger Wohnraum geschaffen werden, vor allem auch für anerkannte Flüchtlinge, die es auf dem Wohnungsmarkt mit am schwersten haben. Fatal ist, dass diese Wohnungen ausgerechnet auf der Alten Flugplatzheide entstehen sollen. Sie ist mit ihrem Reichtum an seltenen Arten einzigartig in Augsburg.
Das Projekt war gut gemeint, aber es ist schlecht gemacht. Nicht nur Naturschützern, auch vielen Augsburger Bürgern liegt die Rettung der Heide am Herzen. Etliche Stadträte sind heute nicht mehr glücklich mit der Bebauung an dieser Stelle, ebenso ein Teil der Stadtregierung. Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) hatte dem Freistaat noch eine Grundstücksalternative angeboten. Vergeblich.
Wenn man etwas aus diesem Streitfall lernen kann, dann eines: Auch in Krisen sollten Politiker Schnellschüsse vermeiden und mit kühlem Kopf nach besseren Alternativen suchen. Bei der Flugplatzheide sind nun aber alle Weichen vom Freistaat gestellt. An der Teilbebauung ist nicht mehr zu rütteln. Alle Kräfte sollten sich jetzt darauf richten, im Umfeld der Wohnbebauung möglichst große Naturflächen unter Schutz zu stellen. Ob seltene Wildtiere und Pflanzen in enger Nachbarschaft zu Anwohnern überleben werden, ist ungewiss. Einen Versuch ist es wert. Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) muss jetzt Lösungen aufzeigen, um zu retten, was noch zu retten ist.