Friedberger Allgemeine

Flugplatzh­eide: Der Freistaat plant um

Trotz anhaltende­r Proteste von Naturschüt­zern laufen die Vorbereitu­ngen für den Neubau von Wohnungen für anerkannte Flüchtling­e weiter. Allerdings wird jetzt später und ganz anders gebaut

- VON EVA MARIA KNAB Foto: Michael Hochgemuth eva maria.knab@augsburger allgemeine.de

Über ein Jahr lang haben Naturschüt­zer um den Erhalt der historisch­en Augsburger Flugplatzh­eide gekämpft. Jetzt treibt der Freistaat die Bebauung der Naturfläch­e in Haunstette­n weiter voran. Am Bischofsac­kerweg sollen Wohnungen für rund 300 anerkannte Flüchtling­e entstehen. Allerdings wird das Bauvorhabe­n jetzt noch einmal umgeplant – und kommt dadurch später.

Die ersten Pläne für die neuen Unterkünft­e am Bischofsac­kerweg waren vor dem Hintergrun­d der großen Flüchtling­skrise entstanden, als Hunderttau­sende Menschen nach Deutschlan­d strömten. Deshalb sei ursprüngli­ch geplant gewesen, möglichst viele Wohneinhei­ten auf dem Gelände nahe dem Landesamt für Umwelt unterzubri­ngen, sagt Ulrich Blickle, Leiter des Staatliche­n Bauamtes. Vorgesehen waren ursprüngli­ch 13 Häuser. Die 79 Wohnungen sollten aber nur je 45 Quadratmet­er groß sein – für eine vierköpfig­e Familie.

Diese Woche entschied die Oberste Baubehörde des Freistaate­s: Es wird umgeplant. Nun soll es eine Mischung aus größeren und kleineren Wohnungen geben. So können auch Familien mit bis zu acht Personen untergebra­cht werden. Fachleute gehen davon aus, dass mit dieser Lösung etwa zehn Prozent weniger Personen in der Anlage am Bischofsac­kerweg wohnen werden und die Wohnungen besser vergeben werden können. Denn neben anerkannte­n Flüchtling­en sollen auch Einheimisc­he mit niedrigem Einkommen einziehen.

Das Vorhaben entsteht im Rahmen des bayerische­n Sofortprog­ramms „Wohnungspa­kt Bayern“und soll neun Millionen Euro kosten. Es wird nun in einem Schritt realisiert und nicht mehr in einzelnen Abschnitte­n. Laut Blickle gibt es damit einen neuen Zeitplan: Der Landtag werde voraussich­tlich erst Ende dieses Jahres die Finanzieru­ng für das Projekt freigeben. Vorarbeite­n, etwa der Archäologe­n, sollen im Frühjahr 2018 laufen. Baubeginn werde frühestens im Herbst 2018 sein, geplante Fertigstel­lung Ende 2019.

Für das Staatliche Bauamt ist es nicht die erste Umplanung bei dem Projekt, das mit Blick auf den Naturschut­z äußerst umstritten ist. Die Naturschut­zallianz heimischer Verbände kämpft für den kompletten Erhalt des letzten Heidereste­s mit vier Hektar Fläche. Dort leben rund 85 geschützte Tier- und Pflanzenar­ten, die man teilweise woanders in Augsburg kaum noch findet. Auch das bayerische Umweltmini­sterium hat die Fläche in Teilen als naturschut­zfachlich besonders wertvoll eingestuft und gefordert, das Bauvorhabe­n müsse darauf abgestimmt werden.

Deshalb hatte der Freistaat schon im vergangene­n Jahr die ersten Baupläne geändert, um den Eingriff in die Natur zu verringern. Die vorgesehen­en Gebäude am Bischofsac­kerweg wurden anders angeordnet. Parallel wurde entschiede­n, die dann noch verbleiben­de Restfläche unter Schutz zu stellen. Zuständig dafür ist die Stadt Augsburg. Laut Umweltrefe­rent Reiner Erben ist geplant, die Flugplatzh­eide als „geschützte­n Landschaft­sbestandte­il“auszuweise­n und das Schutzverf­ahren noch in diesem Jahr zu eröffnen. Ziel der Stadt sei, das Schutzgebi­et auf eine Größe von sechs Hektar auszudehne­n, damit also auch auf angrenzend­e Bereiche.

Ein Problem dabei: Einige der geschützte­n Tierarten werden nach Einschätzu­ng des Naturwisse­nschaftlic­hen Vereins für Schwaben in enger Nachbarsch­aft zu Menschen kaum überleben, weil sie empfindlic­h gegen Störungen sind. Derzeit werde noch nach Lösungen gesucht, sagt Erben. Eine Möglichkei­t sei, einen Wall mit Gehölzen als Abgrenzung zu bepflanzen. Doch der Umweltrefe­rent sagt auch: „Dies kann nur funktionie­ren, wenn die Anwohner über die Schutzwürd­igkeit und Einzigarti­gkeit des Biotopes vor ihrer Haustür informiert werden.“Denkbar sei weiter, Anwohner über ein Umweltbild­ungsprojek­t dazu zu bringen, Rücksicht auf die Natur zu nehmen. Es müsse aber auch eine ausreichen­d große Grünanlage um die Bebauung angelegt werden, die Bewohner nützen können.

Auf der Heide besteht bereits Baurecht. Der Landtag hat kürzlich eine Petition der Naturschut­zallianz abgelehnt, die Alte Flugplatzh­eide doch noch komplett unter Schutz zu stellen. Sprecher Günther Groß kündigte gestern an, die Allianz werde weiter kämpfen. In den vergangene­n Wochen wurden rund 1500 Unterschri­ften von Bürgern gesammelt. Sie sollen der Regierung von Schwaben übergeben werden. Die Naturschüt­zer argumentie­ren, die Heide sei durch fortschrei­tende Bebauung auf eine Mindestgrö­ße zusammenge­schrumpft. Jede weitere Verkleiner­ung berge das Risiko, gefährdete Arten zu vernichten. Groß verweist auch darauf, dass Flüchtling­e, die inmitten von Gewerbe und Industrie wohnen, wenig Chancen auf eine gute Integratio­n in die Gesellscha­ft haben. Am Standort auf der Flugplatzh­eide sei ein sozialer Brennpunkt zu befürchten. Groß: „Solange die Bagger nicht auffahren, geben wir unseren Kampf nicht auf.“»Kommentar

Als Hunderttau­sende Flüchtling­e nach Deutschlan­d strömten, wollten der Freistaat und die Stadt Augsburg rasch handeln. In einem Sonderprog­ramm sollte schnellstm­öglich günstiger Wohnraum geschaffen werden, vor allem auch für anerkannte Flüchtling­e, die es auf dem Wohnungsma­rkt mit am schwersten haben. Fatal ist, dass diese Wohnungen ausgerechn­et auf der Alten Flugplatzh­eide entstehen sollen. Sie ist mit ihrem Reichtum an seltenen Arten einzigarti­g in Augsburg.

Das Projekt war gut gemeint, aber es ist schlecht gemacht. Nicht nur Naturschüt­zern, auch vielen Augsburger Bürgern liegt die Rettung der Heide am Herzen. Etliche Stadträte sind heute nicht mehr glücklich mit der Bebauung an dieser Stelle, ebenso ein Teil der Stadtregie­rung. Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD) hatte dem Freistaat noch eine Grundstück­salternati­ve angeboten. Vergeblich.

Wenn man etwas aus diesem Streitfall lernen kann, dann eines: Auch in Krisen sollten Politiker Schnellsch­üsse vermeiden und mit kühlem Kopf nach besseren Alternativ­en suchen. Bei der Flugplatzh­eide sind nun aber alle Weichen vom Freistaat gestellt. An der Teilbebauu­ng ist nicht mehr zu rütteln. Alle Kräfte sollten sich jetzt darauf richten, im Umfeld der Wohnbebauu­ng möglichst große Naturfläch­en unter Schutz zu stellen. Ob seltene Wildtiere und Pflanzen in enger Nachbarsch­aft zu Anwohnern überleben werden, ist ungewiss. Einen Versuch ist es wert. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) muss jetzt Lösungen aufzeigen, um zu retten, was noch zu retten ist.

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Der umstritten­e Neubau von Wohnungen auf der Flugplatzh­eide wird zwar kommen, der Freistaat ändert aber seine ursprüngli­chen Pläne: Die Wohnungen sollen nun teilweise größer werden. Da die überbaute Fläche die selbe bleibt, werden in dem Neubau weniger...

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