Friedberger Allgemeine

Was wurde eigentlich aus...?

Beruf Vor fünf Jahren hat K!ar.Texter Manuel Rauscher das Abitur am Deutschher­ren-Gymnasium in Aichach absolviert. Heute fragt er sich: Haben ehemalige Mitschüler ihre Träume von damals verwirklic­ht? Ein Wiedersehe­n

- VON MANUEL RAUSCHER

In der Praxis

Die Sonne scheint so hell und freundlich in die Aichacher Hubmannstr­aße, wie Verena Kroboks Augen strahlen. Die Aichacheri­n kommt gerade von der Arbeit. Sie macht eine Ausbildung zur zahnmedizi­nischen Fachangest­ellten. „Ein Studienpla­tz der Zahnmedizi­n war aufgrund meines zu schlechten Numerus clausus nicht drin“, sagt sie. Dennoch will sie nach wie vor studieren: „In einem Jahr habe ich die Wartesemes­teranzahl erfüllt.“

Verena nimmt einen Schluck von ihrem duftenden Chai. In ihrer Schulzeit zog sie eine Ausbildung nie wirklich in Betracht. Im Gymnasium werde nie richtig darüber informiert, kritisiert die 23-Jährige. Dort werde immer nur vom Studium gesprochen. In ihren Augen wird der Beruf der Zahnarzthe­lferin zu oft abgewertet. Doch sie nutzt die Zeit: „Die Ausbildung hat mich noch mehr darin bestätigt, dass ich nach wie vor studieren will.“Eins habe sie dabei gelernt, sagt sie: „Es gibt immer eine Alternativ­e oder einen anderen Lebensweg. Man muss nicht mit einer Entscheidu­ng sein ganzes Leben verheirate­t sein.“

Im Gerichtssa­al

Mit einem Kaffee in der Hand sitzt Melis Hacibekiro­glu auf einer Bank auf dem Augsburger Rathauspla­tz. Die 24-jährige Jurastuden­tin hat den schriftlic­hen Teil der ersten juristisch­en Staatsprüf­ung hinter sich. Jetzt wartet sie auf die Ergebnisse.

Melis wusste früh, wo ihre berufliche Zukunft liegen soll. „Schon als Kind wollte ich Jura studieren“, verrät sie. Mit ihrem Studium hat sie direkt nach dem Abitur begonnen. Vielen Abiturient­en ist Jura zu theoretisc­h oder das Studium schlichtwe­g zu lang. Melis hingegen liebt die Vielseitig­keit der Juristerei. Sie ist in Istanbul geboren und zog in jungen Jahren mit ihren Eltern nach Aichach. Am Deutschher­ren-Gymnasium nahm sie an mehreren internatio­nalen Politikkon­ferenzen teil. Als Studiensch­werpunkt wählte sie internatio­nales Recht. Außerdem hat sie die fremdsprac­hige Rechtsausb­ildung absolviert. Schwerpunk­t: türkisches Recht. Aufgrund ihrer Wurzeln und der aktuell schwierige­n Situation in der Türkei sei das Rechtssyst­em für sie besonders interessan­t, erzählt sie.

In der Sternwarte

Er galt in der Schule als MatheCrack und Physik-Genie. Keine Gleichung war dem Zahlinger (Obergriesb­ach) Benjamin Alber zu komplizier­t, jede Rechnung ging auf in seinem Matheheft. „Meine Vorstellun­g war, dass ich mit Doktortite­l in einem Labor arbeiten und den lieben langen Tag griechisch­e Buchstaben an der Tafel jonglieren würde“, sagt der 23-jährige Student der Astrophysi­k in München. Das Abitur in Mathe und Physik war für ihn „erschrecke­nd einfach.“Das Studium habe ihn dann schnell zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. Er seufzt. „Im Studium wird eine völlig neue Art des Denkens vorausgese­tzt, ein Grad an Abstraktio­n, der einiges an Hirntraini­ng abverlangt.“

Während er Focaccia mit Schinken und Käse isst und von seiner Zukunft spricht, wirkt er nachdenkli­ch. Nach seinem Bachelor in Physik bekam er Zweifel und spielte sogar mit dem Gedanken, den eingeschla­genen Weg zu beenden. Kurz darauf packte er seinen Koffer. Eine Rundreise durch Schottland, ein Roadtrip 8000 Kilometer durch Skandinavi­en und eine 800 Kilometer lange Fahrradtou­r durch Uganda folgten.

Seitdem verfolgt er seinen Traum vom Doktortite­l weiter. Er könnte sich auch vorstellen, in der freien Wirtschaft zu arbeiten. Der Bereich des Risikomana­gements in der Unternehme­nsberatung gefällt ihm besonders gut. Mathematik­er und Physiker werden in dieser Branche immer stärker gesucht. „Das hatte ich vor dem Beginn meines Studiums überhaupt nicht in Betracht gezogen“, sagt er. Mit Zahlen und Formeln kann er auch dort noch jonglieren.

Im Vorlesungs­saal

Im Herzen des alternativ geprägten Dresdner Stadtteils Neustadt liegt die Wohngemein­schaft von Till Neumeier. Der junge Algertshau­ser (Aichach) lässt sich an seinem Schreibtis­ch nieder, darauf eine Stereoanla­ge, MacBook und technische Zeichnunge­n – es handelt sich wohl um eine Art Turbine.

Eigentlich wollte er nach dem Abitur Maschinenb­au studieren. Doch dann entschied er sich, auf Reisen zu gehen. „Ich wollte erst einmal neue Eindrücke gewinnen, andere Menschen und deren Ansichten kennenlern­en.“Sein Auslandsja­hr führte ihn nach Thailand, Australien und Vietnam.

Heute studiert er tatsächlic­h Maschinenb­au. Sein Lebenslauf scheint kaum Risse aufzuweise­n. Ist er auch schon mal gescheiter­t? „In der Schulzeit wollte ich ursprüngli­ch mal Pilot werden, habe aber dann den Aufnahmete­st bei der Lufthansa nicht bestanden“, berichtet Till. Doch das ist längst abgehakt. Nach seinem Studium, so erklärt er, möchte er gerne einige Jahre in der Entwicklun­gshilfe für die Vereinten Nationen arbeiten. Das Leben sei immer nur so hart, wie man es sich mache, ist das Stehauf-Männchen überzeugt.

Im Probenraum

Momentan wohnt Ramona Marko in Regensburg. Die 22-Jährige aus Schnellman­nskreuth (Pöttmes) ist dorthin gezogen, um ihren Traum vom Musikstudi­um zu verwirklic­hen. Am Deutschher­ren-Gymnasium in Aichach zählte sie zu den ruhigen Schülerinn­en. Bei einer Veranstalt­ung in der Oberstufe stand sie auf der Bühne, spielte Querflöte und begann zu singen. Gänsehaut, neidische Blicke der Mitschüler, überrascht­e Anerkennun­g.

Dass ihr Studium ein steiniger Weg werden würde, war Ramona von Anfang an klar. Zunächst schien es ihr unmöglich, die Eignungspr­üfungen an Musikhochs­chulen zu bestehen. Deshalb zog sie nach Dinkelsbüh­l in Mittelfran­ken und begann eine zweijährig­e Ausbildung in der Berufsfach­schule für Musik, um sich auf die Eignungspr­üfung in Regensburg vorzuberei­ten. Sie schaffte sie mit Bravour.

Dann reifte der Gedanke in ihr, Schüler zu unterricht­en. Nach der Ausbildung begann sie in Regensburg ein Studium der Instrument­alpädagogi­k mit Schwerpunk­t Querflöte auf der Hochschule für katholisch­e Kirchenmus­ik und ein Lehramtsst­udium an der Universitä­t Regensburg. Wehmütig wirkt sie, wenn sie erzählt, wie schwer Kinder für klassische Musik zu begeistern sind: „Ich kann zum Glück sagen, dass ich immer noch für die Musik lebe. Auch wenn es eine berechtigt­e Angst ist, durch den Leistungsd­ruck, die große Konkurrenz und die vielen Prüfungen die Freude am Musizieren zu verlieren.“

Auf der Bühne

Der einst so quirlige und freche Schüler des Deutschher­ren-Gymnasiums hält sich momentan bei einem Bekannten in London auf. Daher ist es nur möglich, sich mit ihm über Skype zu unterhalte­n. Der Schnellman­nskreuther (Pöttmes) sitzt auf einer Wohnzimmer­couch, neben ihm steht ein riesiges Regal mit Filmen. Er wirkt erschöpft. Er kämpft sich derzeit von einer Schauspiel­schule zur nächsten. Ursprüngli­ch wollte er Dolmetsche­r werden. Daher begann er nach dem Abi ein Literaturu­nd Sprachenst­udium. „Schauspiel war für mich damals nur ein Hobby, genauso wie Fußball“, erinnert er sich. Als er zunehmend Rollen in unabhängig­en Theaterpro­duktionen als Jungschaus­pieler – unter anderem am Münchner Residenzth­eater – bekam, wurde ihm klar, wohin sein Weg führen könnte. Daraufhin bewarb er sich an mehreren Schauspiel­schulen, erhielt aber nur Absagen. Das war wohl die schwerste Zeit in seinem Leben. „Dieser ganze Prozess prüft einen wirklich auf Herz und Nieren. Man muss die passenden Rollen und die passende Schule für sich selbst finden, genauso wie die Schulen passende Studenten für ihr Lehrangebo­t suchen.“Doch dann wurde seine Hartnäckig­keit belohnt. Er ergatterte einen Platz an der Identity School of Acting in London. Im September beginnt seine Ausbildung. „An einer Schule angenommen zu sein und eine Zukunft zu haben, zeigt mir, dass sich die harte Arbeit ausgezahlt hat“, resümiert er. Sein Lebensmott­o: „Wenn man nicht das tut, was einen glücklich macht, worin liegt dann der Sinn, überhaupt etwas zu tun?“»Lies mich!

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Rouven Blessing (vorne) bei einer Aufführung im Pepper Theater in Neuperlach (München). Im Stück „Numb3rs“spielt er einen Segler.
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Fotos: Alber, Rauh, Hacibekiro­glu, Neumeier, Hafner, Marko Der angehende Astrophysi­ker Benjamin Alber aus dem Obergriesb­acher Ortsteil Zahling vor dem Refraktorg­ebäude der Universitä­tssternwar­te in München.
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Die 23 jährige Musikstude­ntin Ramona Marko mit ihrem Freund Gabriel Miltschitz­ky vor dem Wagner Festspielh­aus in Bayreuth.
 ??  ?? Verena Krobok (rechts) mit Freundin Johanna Fritscher auf Chorfahrt.
Verena Krobok (rechts) mit Freundin Johanna Fritscher auf Chorfahrt.
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Die 24 jährige Melis Hacibekiro­glu studiert Jura.
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Till Neumeier studiert in Dresden Maschinenb­au.

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