Nackte Tatsachen beim Turnier
In Kissing messen sich 124 Naturisten zwei Tage lang in Pétanque. Sieger qualifizieren sich für internationale Meisterschaft
Kissing Im Schatten der Kissinger Heide geben sich 124 Sportler die Kugel: Der Verein Helios trägt die Boule-Meisterschaft des Deutschen Verbands für Freikörperkultur (DFK) aus. Bereits zum zweiten Mal darf der Sportbund das Turnier auf seinem Gelände veranstalten.
Die Beine fest auf dem Boden, der Rücken gebückt. Ein prüfender Blick. Er wirft, die Kugel rollt. Arnold Hofmann aus Schwäbisch Hall hat gerade sein letztes Spiel im Boule bei den diesjährigen Meisterschaftsspielen des DFK. Er tritt mit seiner Frau Ingeborg an. Zusammen sind sie eines von insgesamt 62 Teams – zwei fielen wegen Krankheit aus – die an diesem Wochenende paarweise gegeneinander antreten. Entgegen den Gepflogenheiten trägt das Ehepaar Kleidung. Andere bevorzugen an diesem warmen Frühsommertag das Adams- und Evakostüm, sie sind nackt.
Boule stammt ursprünglich aus Frankreich. Das Ziel der Sportart besteht darin, möglichst viele der eigenen 650 bis 800 Gramm schweren Eisenkugeln nahe am „Schweinchen“– einer kleinen, farbigen Zielkugel – zu platzieren. Dafür haben die Mannschaften insgesamt sechs Kugeln. Gewonnen hat, wer 13 Punkte erreicht. Für Ingeborg und Arnold sieht es indes gut aus. Nach dem vierten Satz steht es elf zu Null für Team Hofmann. Zuvor hatte der Gegner die Kugel schlecht platziert. Ein gekonnter Wurf Arnold vernichtet noch die kleinste Chance der Rivalen auf einen Punkt. Das Ehepaar Hofmann zeigt sich bescheiden: „Heute läuft es besser als gestern“, sagt Ingeborg über den ersten Spieltag. „Wir hatten gut gespielt, aber nicht gewonnen“, bekräftigt Arnold. Woran das lag? „Boule ist 90 Prozent Können und zehn Prozent Glück. Bei uns ist es andersherum“, scherzen die beiden. Was das Besondere an diesem Freizeitsport ist? „Jeder kann mitmachen“, betont Ingeborg. Alt, jung, groß, klein, gesund, krank: „Wir haben schon Menschen in Rollstühlen spielen gesehen.“Dasselbe Prinzip stehe für den gesamten Dachverband im Vordergrund, berichtet Vizepräsidentin des DFK Sport, Erika Eickhoff. „Der Sport kann von verschiedenen Generationen parallel betrieben werden.“Neben der körperlichen Betätigung stünden auch Aspekte wie Freundschaft und Ge- sellschaft im Fokus des DFK. „Wir sind eine große Pétanque-Familie“, erklärt Helios-Vorsitzender Peter Widmann. „Es gibt kein böses Wort zwischen uns.“Ingeborg und Arnold reüssieren unterdessen in ihrem letzten Match. 13 zu Null – das Ergebnis kann sich sehen lassen. „Der Boden liegt uns gut“, sagt Ingeborg und lacht. Chancen auf den Gesamtsieg hat das Ehepaar allerdings nicht. „Das Niveau ist bei diesem Turnier extrem hoch“, so Peter Widmann. Und so reicht es dem Team aus Schwäbisch Hall am Ende nicht, um unter die besten zehn zu kommen.
Für die Sieger winken die Qualifikation zur internationalen Meisterschaft und ein stattlicher Pokal – belohnt aber wurden alle. Denn bereits am ersten Spieltag warteten einige Überraschungen auf die Gäste, die aus allen Ecken Deutschlands nach Kissing gereist waren. Neben Musik und Theatereinlagen organisierte der Sportbund Helios eine Travestie-Künstlerin aus Augsburg. Die Müdigkeit, die Anstrengung, die Hitze des Tages waren angesichts der kecken Sprüche und frivolen Witze von Madame Divot verflogen. Das Zelt bebte vor Begeisterung und so mach einem trieb das Lachen Tränen in die Augen. Helios-Vorsitzender Peter Widmann ist mit dem Wochenende, dem Programm und dem Turnier mehr als zufrieden. „Der Wettergott war uns gnädig, die Menschen sind sehr freundlich, wir hatten sehr viel Spaß.“
Boule ist 90 Prozent Können und zehn Prozent Glück
Veranstaltung Am 12. und 13. August feiert der Sportbund Helios im Rahmen des Schwaben Turniers in Pétanque sein 95 jähriges Bestehen.