Friedberger Allgemeine

Jetzt will Merkel ein Bündnis gegen den US Präsidente­n

Die Bundesregi­erung bekennt sich zum Pariser Klimavertr­ag. Doch zu Hause hat die Kanzlerin Nachholbed­arf

- VON MARTIN FERBER

Berlin Ganz frisch sind die Emotionen nicht mehr. Angela Merkel hat eine Nacht darüber geschlafen und genügend Zeit gehabt, ihre Reaktion vorzuberei­ten. Und ganz überrasche­nd kam die Entscheidu­ng des amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump, das Pariser Klimaabkom­men vom Dezember 2015 aufzukündi­gen und Neuverhand­lungen zu fordern, auch nicht. Bereits auf dem G7-Gipfel vor einer Woche standen alle Signale auf Rot. Die Kanzlerin war also vorgewarnt.

Doch als Angela Merkel am Freitagvor­mittag im Kanzleramt vor die Presse tritt, kann die sonst so beherrscht­e Regierungs­chefin, die ihre Gefühle stets unter Kontrolle hat, ihre Enttäuschu­ng kaum verbergen. Entgegen allen diplomatis­chen Gepflogenh­eiten bringt sie das auch in ungewöhnli­cher Weise zum Ausdruck. Die Entscheidu­ng der Vereinigte­n Staaten sei „außerorden­tlich bedauerlic­h“, sagt sie – um unmissvers­tändlich klarzustel­len: „Und damit drücke ich mich noch sehr zurückhalt­end aus.“Nun gelte es, den Blick nach vorne zu richten: „Diese Entscheidu­ng kann und wird uns alle, die wir uns dem Schutz unserer Erde verpflicht­et fühlen, nicht aufhalten. Entschloss­ener denn je werden wir in Deutschlan­d, in Europa und in der Welt alle Kräfte bündeln“, sagt die CDU-Chefin

Jetzt erst recht – das ist die Devise, die die Kanzlerin ausgibt und die in Berlin auf fruchtbare­n Boden fällt. Die Enttäuschu­ng schlägt in Trotz und Entschloss­enheit um, es den USA zu zeigen. Angela Merkel weiß aus eigener Erfahrung, wie langsam und mühselig die Fortschrit­te beim Klimaschut­z sind.

Als junge Umweltmini­sterin war sie vor 22 Jahren, 1995, Gastgeberi­n des ersten Klimagipfe­ls in Berlin, auf dem die Basis für das 1997 beschlosse­ne Kyoto-Protokoll gelegt wurde. Und als junge Bundeskanz­lerin schaffte sie es als Gastgeberi­n des G 8-Gipfels in Heiligenda­mm vor zehn Jahren, 2007, dass gegen den Widerstand des damaligen USPräsiden­ten George W. Bush das Bekenntnis zum Klimaschut­z und zur Reduzierun­g der Treibhausg­ase in das Abschlussd­okument aufgenomme­n wurde. Als „Klimakanzl­erin“ließ sich Merkel feiern.

Darum will sie auch an diesem Freitag nicht in Resignatio­n verfallen. Der Weg sei „steinig“, aber „unumkehrba­r“, sagt sie, gleichzeit­ig sei sie „gerührt und begeistert“, wie viele Gruppen, Staaten und Unternehme­n gerade auch in den USA diesen Weg weiter mitgehen wollten. Schon auf dem G 20-Gipfel Anfang Juli will Berlin eine klare Klimaschut­z-Front mit allen anderen führenden Industrie- und Schwellenl­ändern gegen die USA aufbauen.

„Es wird wichtig sein, die Reihen der übrigen G 20 zu schließen“, sagt Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Die Rückendeck­ung ihrer eigenen Fraktion hat die Kanzlerin dabei. „Ein Dominoeffe­kt muss unbedingt vermieden werden – es darf nicht 10:10 ausgehen, sondern 19:1“, sagt der Chef der baden-württember­gischen CDU-Landesgrup­pe Andreas Jung unserer Zeitung.

Klar ist allen Beteiligte­n aber auch, dass Deutschlan­d seine eigenen Anstrengun­gen beim Klimaschut­z verbessern muss, will es glaubwürdi­g bleiben. Die Zeiten, in denen das Land Vorreiter bei der CO2-Reduzierun­g war, sind längst vorbei, die Regierung musste bereits eingestehe­n, dass man die selbst gesteckten Ziele bis 2020 nicht erreichen werde.

Vor allem im Verkehrsbe­reich hat sich praktisch nichts getan. So fordert das Umweltbund­esamt in einer Studie ein massives Umsteuern. „Im bisherigen Tempo können wir nicht weitermach­en“, sagt UBA-Chefin Maria Krautzberg­er. Nötig seien auch Maßnahmen, „die auf den ersten Blick unpopulär sind“.

 ?? Foto: Tobias Schwarz, afp ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel lobt die Gruppen, Bundesstaa­ten und Unternehme­n die sich in den USA gegen Trumps Kurs stellen.
Foto: Tobias Schwarz, afp Bundeskanz­lerin Angela Merkel lobt die Gruppen, Bundesstaa­ten und Unternehme­n die sich in den USA gegen Trumps Kurs stellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany