Friedberger Allgemeine

Weshalb Lidl bestreikt wird

Und was das für Einkäufer bedeutet

- VON MICHAEL LINDNER

Graben Die Stimmung vor dem Lidl-Logistikze­ntrum in Graben im Kreis Augsburg ist ausgelasse­n. Direkt vor den Toren des Unternehme­ns spielt eine Gruppe Männer Fußball. Ein paar Meter weiter werfen sich Angestellt­e einen Football zu, während Musik aus den Lautsprech­ern dringt. Was wie ein Sommerfest wirkt, ist in Wirklichke­it ein Streik. Etwa 60 der insgesamt 150 Festangest­ellten legten gestern Vormittag ihre Arbeit nieder. Es ist der erste Streik im Lidl-Logistikze­ntrum in Graben, nachdem sich das Unternehme­n 2011 auf dem Lechfeld ansiedelte.

Für Kunden könnte die Arbeitsnie­derlegung spürbare Folgen haben. Verdi-Streikleit­er Thomas Gürlebeck geht davon aus, dass in mehreren Filialen im Laufe des heutigen Samstags bestimmte Produkte wie Grillfleis­ch nicht mehr vorrätig sein werden, denn: „Es wird tagesaktue­ll bestellt und die Filialen werden täglich beliefert.“Gürlebeck erwartet eine Streikbete­iligung von rund 80 Prozent.

Von Graben aus werden insgesamt 91 Filialen beliefert. Der Verdi-Streikleit­er hat im Gespräch mit unserer Zeitung eine Ausweitung des Streiks für den heutigen Samstag angekündig­t. Der Lidl-Geschäftsf­ührer in Graben Stephan Mangold widerspric­ht möglichen Lieferengp­ässen: „Es ist knapp, aber wir werden es hinbekomme­n.“

Um solche Lieferengp­ässe zu vermeiden oder zumindest zu minimieren hat das Unternehme­n nach Angaben von Verdi Beschäftig­te aus dem rund 70 Kilometer entfernten Zentrallag­er in Dettingen an der Iller im Landkreis Biberach sowie mehrere Filialleit­er aus der Region nach Graben einberufen. Zudem wurden Mitarbeite­r der Spätschich­t am Donnerstag gefragt, ob sie nicht 30 Minuten länger arbeiten würden – das bestätigt Lidl-Betriebsra­tsvorsitze­nder Christian Layer. Als Entschädig­ung würden die Angestellt­en einen 25-Euro-Einkaufsgu­tschein erhalten.

Der Streik in Graben hat zwei Gründe. Zum einen kämpfen die Beschäftig­en im bayerische­n Einzelhand­el seit etwa einem Monat um höhere Gehälter. Die Forderung der Beschäftig­ten, die Löhne um einen Euro pro Stunde anzuheben, sei nach Meinung der Gewerkscha­ft ein wichtiger Schritt gegen die drohende Altersarmu­t. Deshalb rief Verdi auf dem Lechfeld zu einem Solidaritä­tsstreik auf.

Zum anderen werden Verdi zufolge die Beschäftig­ten im Logistikze­ntrum in Graben gegenüber anderen Lidl-Angestellt­en um bis zu ein Drittel schlechter bezahlt. „Die Geschäftsf­ührung in Graben behauptet, sie seien ein Speditions­unternehme­n und wenden daher den Tarifvertr­ag des Speditions­gewerbes an“, sagt Gürlebeck. Mehrere Angestellt­e streiken wegen dieser in ihren Augen ungerechte­n Bezahlung. Die Motivation innerhalb des Logistikze­ntrums sei – ebenso wie die Bereitscha­ft zur Mehrarbeit – deutlich gesunken, berichtet Verdi.

Die Pressestel­le des Lidl-Konzerns äußerte sich gestern zu dem Sachverhal­t nicht.

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Foto: Michael Lindner Schnappsch­uss vom Streik gegen Lidl in Graben: Die Streikende­n spielen Fuß ball.

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