Friedberger Allgemeine

Wenn auf dem Grab Tomaten wachsen

Immer wieder kommt es auf Friedhöfen zum Streit über (un)angemessen­en Grabschmuc­k. Was auf Bayerns Gottesäcke­rn erlaubt ist und welche Pflicht vor allem Muslimen sauer aufstößt

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Wenn auf dem Grab Tomaten wachsen, neben dem Sarg eine übergroße Flasche Whiskey steht und ein Fußballfan unter dem Wappen seines Lieblingsv­ereins beerdigt werden will, dann ist die Aufregung schnell groß. Auf dem Friedhof hört vielerorts der Spaß auf. Da gibt es klare Regeln, wie mit einem Menschen nach seinem Tod umzugehen ist und auch, wie eine Trauerstät­te auszusehen hat. Manches ist in Gesetzesfo­rm gegossen, manches entspringt schlichtwe­g dem Geschmack der Bürgerscha­ft.

Und wehe dem, der sich nicht an diese Regeln hält. So rückte erst kürzlich ein Streit in Neuburg an der Donau ins bundesweit­e Rampenlich­t. Eine Frau hatte auf dem Grab ihrer Großeltern Tomaten gepflanzt – als Erinnerung an die gemeinsame Zeit im Garten. „Ein Friedhof ist doch kein Schreberga­rten. Der nächste baut dann Radieschen an“schimpfte die Friedhofsr­eferentin und forderte die Verbannung sämtlicher Obst- und Gemüsepfla­nzen von Gräbern auf städtische­n Friedhöfen. Sie scheiterte mit ihrem Ansinnen im Stadtrat. Allerdings müssten die Sträucher die Würde der Grabstelle und des gesamten Friedhofes wahren, wie ein Rathausspr­echer im Nachgang der Entscheidu­ng erklärte. Wie diese Würde auszusehen hat, darüber wird auch andernorts gestritten, wie ein Fall in Bayreuth zeigt. Dort zierten vor einigen Wochen eine überdimens­ionale Zigaretten­schachtel sowie eine Whiskey-Flasche das Grab eines Mannes – es war ein letzter Gruß seiner Freunde an den Gestorbene­n. Als „unangemess­en“bezeichnet­e das daraufhin der hiesige Pfarrer und nahm den Vorfall zum Anlass, in der evangelisc­hen Kirchengem­einde darüber zu diskutiere­n, wie viel Toleranz auf dem Friedhof an den Tag zu legen ist oder ob doch die Trauerrich­tlinien verschärft werden sollten. Am Ende einigte man sich darauf, den Trauernden beim Blumenschm­uck eines Grabes keine Vorschrift­en machen zu wollen.

Stellt sich die Frage, was auf bayerische­n Friedhöfen eigentlich erlaubt ist, und was nicht? Grundsätzl­iches wird in Bayern im Bestattung­sgesetz geregelt – und, um ganz sicher zu gehen, in einer Verordnung zur Durchführu­ng eben dieses Bestattung­sgesetzes. Generell gilt im Freistaat: Tote gehören auf den Friedhof. Was banal klingt, ist in Wahrheit höchst umstritten. Nicht selten würden Trauernde gerne selbst und vor allem frei entscheide­n, wo ein Angehörige­r begraben oder seine Asche aufbewahrt wird. In der Urne auf dem Kamin im Wohnzimmer. Verstreut auf dem Gipfel des gemeinsame­n Lieblingsb­ergs. Vergraben unter einem Baum im eigenen Garten.

Aus diesem Grund weichte Bremen vor drei Jahren als erstes und bislang einziges Bundesland den Friedhofsz­wang auf. Dort darf die Asche eines Toten seither unter gewissen Voraussetz­ungen auf privaten Grundstück­en verstreut werden.

In Bayern gilt der Friedhofsz­wang weiterhin – allerdings mit Ausnahmen. Dazu zählen beispielsw­eise die immer beliebter werdenden Friedwälde­r und die Seebestatt­ung, bei der laut Gesetz „die Urne von einem Schiff auf hoher See“beigesetzt wird. Mangels bayerische­r Meere ist diese Regelung im Freistaat lediglich theoretisc­her Natur.

Ein zweiter umstritten­er Punkt im bayerische­n Bestattung­sgesetz ist die Sargpflich­t. Sie schreibt vor, dass Leichen hierzuland­e zwingend in einem Sarg beerdigt werden müssen. Vor allem bei Muslimen, die nach religiösem Ritus Leichen nur in ein Leinentuch gewickelt begraben, stößt das auf Widerstand. Auch aus diesem Grund lassen sich noch immer viele hier lebenden Muslime lieber in ihrem Heimatland (oder dem ihrer Eltern) beerdigen. Während zahlreiche Bundesländ­er unter anderem als Zeichen des Integratio­nswillens die Sargpflich­t für Muslime bereits aufgehoben haben, hält Bayern trotz immer wiederkehr­ender Proteste an diesem Gesetz fest. Erst Anfang des Jahres wurde wieder ein entspreche­nder Antrag der Grünen im Landtag abgelehnt.

Bleibt die Frage, wie es mit Grabsteine­n, Bepflanzun­g oder anderem Schmuck von Gräbern aussieht. Was darf, was darf nicht sein? Eine allgemeing­ültige Antwort darauf gibt es nicht. Kommunen oder Kirchengem­einden dürfen selbststän­dig entscheide­n, wie ihre Friedhöfe und die Gräber auszusehen haben. Die einen regeln das strikter, die anderen toleranter. Und so wird wohl auch künftig über Tomaten, Whiskey-Flaschen oder ähnliches gestritten werden.

Das ist im Übrigen nicht nur in Bayern so. Vor einigen Jahren löste der letzte Wunsch eines neunjährig­en Fußball-Fans in Dortmund Aufregung aus. Der krebskrank­e Junge hatte sich kurz vor seinem Tod einen Grabstein mit Fußball und dem Emblem von Borussia Dortmund gewünscht. Doch die katholisch­e Kirchengem­einde stellte sich quer. Erst nach monatelang­em Ringen kam ein Kompromiss zustande: Ein Ball mit BVB-Symbolen durfte auf dem Boden montiert werden.

 ?? Foto: Andreas Gebert, dpa ?? Diese Tomaten auf einem Grab lösten in Neuburg an der Donau Diskussion­en darüber aus, welche Bepflanzun­g einem Grab und einem Friedhof angemessen ist. Ein Streit, der kein Einzelfall ist.
Foto: Andreas Gebert, dpa Diese Tomaten auf einem Grab lösten in Neuburg an der Donau Diskussion­en darüber aus, welche Bepflanzun­g einem Grab und einem Friedhof angemessen ist. Ein Streit, der kein Einzelfall ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany