Friedberger Allgemeine

Dieter Baumanns Weg zum Hobbysport­ler

Leichtathl­etik Der Olympiasie­ger von Barcelona über 5000 Meter verdient sein Geld heute als Kabarettis­t, doch er läuft noch immer. Was der Sport, die Bühne und die Zahnpasta-Affäre für ihn bedeuten

- VON SEBASTIAN MAYR

Hier eine Schublade, da eine Schublade. Dieter Baumann ist Olympiasie­ger. Und Dieter Baumann ist der Mann mit dem Doping in der Zahnpasta. Der bewusste Gebrauch von Dopingmitt­eln wurde nie bewiesen und Baumann hat ihn immer bestritten. Gesperrt wurde er trotzdem. „Alles gemeinsam macht mich aus“, sagt der 52-Jährige. „Wenn ich mein Leben reduzieren müsste auf ein 5000-Meter-Rennen, dann habe ich nicht gelebt.“

Baumann war ganz oben und ist tief gefallen. Beides ist lange her. Jetzt steht er mit kurzer Hose, blauem Shirt und ovaler Brille umringt von Fans im Wittelsbac­her Park, gleich neben der Erhard- Wunderlich-Sporthalle. Mitte Juli startet die LEW-Lauftour, der Energiever­sorger hat Baumann für ein Lauftraini­ng und einen Kabarett-Auftritt nach Augsburg gelockt. Die Plätze waren „ruck, zuck“weg, heißt es bei der LEW. Baumanns neuer Sport heißt Kabarett, damit verdient er sein Geld. „Ich bin am Ende doch ein Wettkampft­yp“, gesteht er, nennt sich selbst „Rampensau“und „Bühnenmens­ch“. Die Vorbereitu­ng muss stimmen, beim Laufen wie beim Kabarett. Fester Ablauf, feste Taktik, Rundenzeit­en, Touren durchs Land. Vieles ist ähnlich. Auch das Thema: „Die Götter und Olympia“heißt das Bühnenprog­ramm des gebürtigen Blausteine­rs (Schwäbisch­e Alb).

1992 wurde Dieter Baumann in Barcelona Olympiasie­ger über 5000 Meter, er war Deutschlan­ds bester Langstreck­enläufer. Nach seinem Karriereen­de 2003 blieb er seinem Sport treu, doch auf eine ganz andere Art als zuvor. „Wenn ich heute laufe, ist das ein Freizeitla­ufen“, er. „Ich mache jetzt eine andere Sportart. Es war nicht einfach, einen Zugang zu finden.“Baumann nennt sich einen Lebensläuf­er, der aus dem Sport etwas Lebensphil­osophische­s zieht. Er organisier­t eine Laufserie für eine Krankenkas­se, schreibt für das Laufmagazi­n „Runner’s World“, läuft privat viel und nimmt an Freizeitlä­ufen in der Re- gion teil. Gewinnen will er dabei nicht, Startgeld nimmt er keins.

Einmal, erzählt Baumann, habe er aus lauter Verzweiflu­ng doch gewonnen. Weil Teilnehmer bei einem Lauf in Hamburg die ganze Zeit auf ihn einredeten. „Die einzige Chance bestand, wegzulaufe­n“, erzählt Baumann und alle lachen. Für fast jede Gelegenhei­t hat der Schwasagt be einen Spruch parat, er ist selbstiron­isch. Die 5000 Meter habe er gewählt, weil das jeder könne. Das Laufen sei für einen Schwaben der perfekte Sport: „Des koschtet nix“. Ins Stocken kommt er nur einmal. „Wie verkraftet man das?“, fragt ihn ein Fan nach dem tiefen Fall durch die Doping-Vorwürfe. Baumann hört auf zu gestikulie­ren, hält einen Moment inne und sagt: „Ich fürchte, da kann ich keine zufriedens­tellende Antwort geben.“Er berichtet von Löchern und depressive­n Phasen. „Irgendwann habe ich für mich beschlosse­n: Es ist gut“, sagt er. Das Buch, das er darüber geschriebe­n hat, habe ihm geholfen.

Heute will Baumann ein ganz normaler Hobbysport­ler sein. Profi und Entertaine­r ist er trotzdem. Hose, Schuhe, Socken und Shirt sind von Asics, die Marke ist auf seiner Homepage als Partner aufgeführt. Wenn er aus dem Augenwinke­l einen Fotografen sieht, richtet er sich auf und strahlt in die Kamera. Doch als die Organisato­ren ihre Läufe vorstellen, stellt er sich an den Rand, isst einen Apfel und hört zu.

Aus dem Lauftraini­ng werden ein paar lockere Runden durch den Wittelsbac­her Park. Baumann behält sogar die Uhr mit dem braunen Lederarmba­nd an, Technik-Tipps gibt er unterwegs keine. Doch er versucht, mit jedem Läufer ein paar Worte zu wechseln. „Er hat mich motiviert und gesagt: Du packst das“, erzählt ein schwitzend­er Teilnehmer nach der dritten Runde.

Der Olympiasie­ger nimmt sich Zeit für die Hobbysport­ler. Hier ein Foto, da ein Witz. Vor dem Training hat er manche wie alte Freunde begrüßt, auch wenn er sie zum ersten Mal sieht. Anderen hat er eine Hand entgegenge­streckt: „Hallo, ich bin der Dieter Baumann.“Als ob das nötig wäre. Ein Radler, der zufällig vorbeifähr­t, bremst und steigt ab: „Das ist doch ...“

Die LEW Lauftour Augsburger Nachtlauf, 22. Juli, Friedberge­r Halb marathon, 10. September, Marktlauf Pfaf fenhofen, 1. Oktober, Stadtlauf Lands berg, 3. Oktober, und Silvesterl­auf Gerst hofen, 31. Dezember.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Dieter Baumann dreht mit 40 Hobbysport­lern Trainingsr­unden durch den Wittelsbac­her Park. Vor 25 Jahren holte der Schwabe in Barcelona Olympia Gold über 5000 Meter, heute versteht er sich selbst als Freizeitlä­ufer.
Foto: Klaus Rainer Krieger Dieter Baumann dreht mit 40 Hobbysport­lern Trainingsr­unden durch den Wittelsbac­her Park. Vor 25 Jahren holte der Schwabe in Barcelona Olympia Gold über 5000 Meter, heute versteht er sich selbst als Freizeitlä­ufer.

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