Ein Einsatz, der an die Grenzen führt
Medizin Der Friedberger Arzt Jonas König war neun Monate in einem Krankenhaus im Kongo tätig. Wie sich dadurch seine Sichtweise auf die Welt verändert hat
Friedberg Es war eine enorme Belastung, aber Jonas König möchte die Erfahrung nicht missen: Neun Monate lang hat er für Ärzte ohne Grenzen in einem Krankenhaus im Osten der Demokratischen Republik Kongo gearbeitet. „Ich habe da medizinisch und menschlich sehr viel gelernt“, sagt König, der als Assistenzarzt in der Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädie am Friedberger Krankenhaus arbeitet.
Das Krankenhaus, in dem König 2015 tätig war, wurde vor acht Jahren von Ärzte ohne Grenzen übernommen. Es bietet für 500000 Menschen in der Region, darunter mehr als 100000 Bürgerkriegsflüchtlinge, als einzige Einrichtung kostenlose Gesundheitsvorsorge. König fuhr, wie er berichtete, sechs Stunden lang im Geländewagen über Schlammpisten die 130 Kilometer von der Bezirkshauptstadt Goma zu seinem Einsatzort Mweso. Immer wieder blieben die Fahrzeuge stecken. Das Krankenhaus ist ein einfacher Hallenbau – Elektrizität wird mit Dieselgeneratoren er- Zu ihm gehören kleine Gesundheitsstationen in der Umgebung. Wie vielerorts in Afrika ist es dort üblich, dass Verwandte Pflegeaufgaben im Krankenhaus übernehmen und auch für die Patienten kochen.
Die Lage in Ost-Kongo war auch zurzeit des Aufenthalts von König unsicher. Das Krankenhaus wird aber als neutraler Ort respektiert, an dem Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und ihrer religiösen oder politischen Überzeugung medizinische Hilfe erhalten. Das internationale Ärzte- und Logistikerteam lebte in einem abgezäunten und bewachten Bereich. Bei Dunkelheit durfte niemand nach draußen gehen. Die Teammitglieder standen in ständigem Funkkontakt. „Trotzdem war es für uns einigermaßen sicher“, sagte König. Ärzte ohne Grenzen steht in dem Land bei allen Kriegsparteien und ethnischen Gruppen in hohem Ansehen.
Extremer fand er die Situation im Krankenhaus selbst. Er war dort unter anderem für eine Kinderstation mit 40 Betten zuständig. Diese Station war laut König die meiste Zeit nach westlichen Maßstäben hoffnungslos überfüllt. Pro Monat wurden 200 bis 300 Kinder stationär aufgenommen. Nicht selten mussten sich drei Kinder ein Bett teilen. Sie litten an Masern, Malaria, Durchfall- und Atemwegserkrankungen, Tuberkulose oder Cholera. Da sie oft mangelernährt waren, hatten sie auch keine Abwehrkräfte und wären ohne medizinische Hilfe meist rasch gestorben. Auf diagnostische und therapeutische Mittel, wie sie in Deutschland selbstverständlich sind, konnte König nicht zurückgreifen, aber es gab gute Medikamente und Impfsera sowie einen Operationssaal mit Basisausstattung.
Viele Kinder seien dennoch im Krankenhaus gestorben, so König. Ärzte ohne Grenzen strebe eine Mortalitätsrate unter sechs Prozent an, und tatsächlich seien „unglaublich viele Kinder gerettet worden“. Nachdem sie die richtigen Medikamente und vielleicht eine Bluttransfusion erhalten hätten, hätten die meisten sich innerhalb von drei oder vier Tagen erholt, seien wieder lachend im Bett gesessen und bald dazeugt. rauf mit ihrer Mutter aus dem Krankenhaus hinaus marschiert. Der Blick auf die Erfolge erleichterte es König, seinen Dienst durchzuhalten.
„Man kommt da an seine Grenzen“, gestand er. Es habe Momente gegeben, in denen er gedacht habe: Ich würde das alles jetzt gern hinter mir lassen. Rückhalt fand er in seinem internationalen Team und bei seinen kongolesischen Kollegen und Mitarbeitern.
Das Krankenhaus, resümierte der Arzt, helfe, die ganze Region im Kongo zu stabilisieren. Es biete der einheimischen Bevölkerung Arbeitsplätze (dort sind auch einheimische Ärzte tätig, und es gibt um das Krankenhaus herum zahlreiche Verkaufsstände). Außerdem habe Ärzte ohne Grenzen das Ziel, dass das kongolesische Gesundheitswesen irgendwann ohne ausländische Hilfe auskommt: „Es gibt eine ExitStrategie; die einheimischen Ärzte werden geschult, ihnen wird zunehmend Verantwortung übertragen. Außerdem mussten wir darauf gefasst sein, uns aufgrund der Konfliktlage zurückziehen zu müssen.“
Ursprünglich, so König, sei er nach seinem Zivildienst als Sanitäter drei Monate lang als Pflegepraktikant in einem Krankenhaus in Botswana gewesen. Da sei bei ihm der Wunsch entstanden, Medizin zu studieren und Arzt zu werden. Als er sich für den Kongo meldete, sei auch Abenteuerlust dabei gewesen. Profitiert habe er aber vor allem davon, als Arzt unter extremen Bedingungen zu arbeiten und Menschen mit nur geringer Medizinausrüstung helfen zu können.
„Ich habe unglaublich tolle Menschen im Team und in der lokalen Bevölkerung kennengelernt, eine Lebensfreude der Einheimischen trotz der widrigen Lebensumstände, eine tolle Natur und Landschaft im Kongo gesehen, Kongolesen, die mich als Fremden willkommen hießen und mich bei der Abreise Freund nannten. Ich fand es spannend und bereichernd, mit wenig Mitteln so viel helfen und bewirken zu können, meine Sichtweise auf die Welt hat sich geändert. In Deutschland geht es uns sehr gut, wir sind privilegiert, und ich bin dankbar für Frieden, Freiheit und ein funktionierendes, gutes Gesundheitswesen“, sagt er rückblickend.
Ausstellung Wer noch mehr über die ses Thema erfahren will, kann bis 7. Juni die Freilichtausstellung „Im Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen“auf dem Augsburger Königsplatz besuchen.