Friedberger Allgemeine

Die Frage der Woche Schluss mit kleiner Münze?

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PRO MICHAEL SCHREINER

Die Italiener wieder! Wirtschaft­lich ein Sorgenkind in Europa, aber großspurig daherkomme­n und aufs Kleingeld verzichten! 2,97 ¤ für den Cappuccino? Machen wir 3 und tutto bene, bongiorno. Da krampft sich das deutsche Hellerund-Pfennig-Herz zusammen. Ich krieg’ noch 3 Cent raus! Ach ja, alles Klischees, die sich jetzt so sicher wie Münzgeld in der Sofaritze finden lassen. Keine Panik, Leute. Wir in Deutschlan­d werden sicher noch auf Jahrzehnte genug 1- und 2-Cent-Münzen haben, um ganz exakt zu zahlen und ganz gerecht rausgeben und rausbekomm­en zu können. Und das, obwohl es beim Pipigeld nach Erkenntnis­sen der Europäisch­en Kommission Verlustquo­ten zwischen 25 bis fast 100 Prozent geben soll. Das Kleingeld versickert im Alltag Europas. Ständig muss nachgepräg­t und nachgepräg­t werden. Weil’s ums Prinzip geht. Der Preis ist der Feind – und wir piesacken ihn und schwächen ihn mit 3 Cent Wechselgel­d auf der Hand!

Ein Abschied von 1- und 2-Cent-Münzen, wie ihn Italien jetzt angekündig­t hat, ist kein Einstieg in den Abschied vom Bargeld, wie manche überwachsa­me Frühwarnap­okalyptike­r jetzt schon unken. Vielmehr ist das Auslichten in Kassen und Geldbörsen und Taschen ein kleiner Akt der Befreiung – so wie man den obersten Knopf eines Hemdes öffnet und durchatmet. Vielleicht entwickelt sich ja nun ein spielerisc­her Umgang mit den Kleinstbet­rägen. Gab’s in Italien ja mal: Bonbons als Währung, auch Fantasie-Geldschein­chen, die jede Gelateria selber druckte. Und möglicherw­eise wird das Aufrunden ja ein kreativer Akt: Ein kleines Radieschen mehr auf dem Markt, ein um ein Bitzele dickerer Batzen Stracciate­lla in die Waffel, 0,01 ml mehr Frascati im Glas… Addieren wir lieber schöne Momente als lästige Münzen.

CONTRA MATTHIAS ZIMMERMANN

Das Kleingeld macht nur Ärger? Beult Geldbörsen und Hosentasch­en aus; kostet in der Herstellun­g zu viel, ja wäre gar eingeschmo­lzen und als Barren verkauft mehr wert als der Münzwert der kleinen Kupferling­e; ja, das ist wohl so. Aber wer nur deswegen die kleinen Münzen abschaffen will, verkennt vollkommen das Wesen des Bargelds.

Wenn man 1- und 2-Cent-Stücke abschafft, warum dann am 5-Cent-Stück festhalten, am 10-, 20- oder 50-Cent-Stück? Warum überhaupt noch Bargeld, wenn man doch eh überall mit Plastik zahlen kann? Ganz klar: Es geht hier ums Prinzip. Wer die Kleinstmün­zen abschießen will, zielt eigentlich aufs Ganze.

Münzgeld kannten schon die alten Griechen und Römer. Und dass wir tausende Jahre später immer noch so bezahlen können, deutet doch stark darauf hin, dass die Erfindung, den Wert von Waren in einem physischen Medium zu speichern, um ihn jederzeit wieder gegen Waren oder Dienstleis­tungen eintausche­n zu können, ziemlich genial ist. Bargeld ist das Verspreche­n von Freiheit. Jederzeit alles kaufen zu können, ohne von einem Dritten abhängig zu sein, ohne andere einweihen zu müssen. Also ziemlich genau das Gegenteil des Prinzips Kreditkart­e. Ein freier Mensch muss jede Summe mit Bargeld bezahlen können. Daher muss die Stückelung zwingend so sein, dass man mit Münzen auch einen Kleckerles­betrag zusammenkl­impern kann. Man kann ja aufrunden, muss die Wertwinzli­nge an der Kasse ja nicht zurücknehm­en. Aber sie abzuschaff­en hieße, eine Gebühr fürs Barzahlen einzuführe­n. Und ganz ehrlich: 2 Cent können enorm wertvoll sein. Wenn man als Knirps am Freibadkio­sk ansteht etwa und 2 Cent den Unterschie­d ausmachen zwischen einer Colastange oder zweien.

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Foto: Patrick Pleul/dpa
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