Friedberger Allgemeine

Die Eisdiele gegenüber

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Neulich draußen zwischen Häusern beim Feierabend­bier gesessen und auf eine Eisdiele gegenüber geblickt. Großes Theater, mächtig viel Auftrieb bis in die erste Abenddämme­rung weit nach neun Uhr. Schlangen vorm Ausgabefen­ster. Keine Kinder unter den Kunden, nur Erwachsene, die aber, mit der Eiswaffel in der Hand, einen Ausdruck von Kindlichke­it annahmen, auch die Grauhaarig­en, wie sie da selig und ganz im Moment waren mit Schokolade, Pistazie, Melone und tausend Sorten mehr. Möglicherw­eise trug auch die sommerlich­e Kleidung, die ja immer etwas Infantiles hat – kurze Hosen, T-Shirts, Sandalen – zur Verkindlic­hung und Versanftmü­tigung all dieser Erwachsene­n und der Szenerie bei.

Die Paare, die sich gegenseiti­g probieren lassen. Die Clique junger Leute, die sich Eis kostend in einen Hausschatt­en zurückzieh­t, die Hände voller Waffeln, mit verschmier­ten Mündern genießend und redend zugleich. Bis der geschenkte Augenblick abgeschmol­zen ist und sie weitergehe­n. Als Beobachter mit Hang zur Misanthrop­ie jedenfalls erwischt man sich dabei, wie einen der Anblick von immer noch mehr Eiskäufern und Stehenblei­bern und Kugelküsse­rn und Waffelschl­eckern weichspült und einnimmt für den Abend und diese selbstverg­essene Versammlun­g der Fremden. Eine Stunde im Tutti-FruttiStra­ßentheater genügt, um alle Typen von Eisessern auftreten zu sehen. Sich selbst Belohnende allesamt. Da gibt es die Zielkäufer, die mit dem Vorsatz gekommen sind, sich ein Feierabend­eis zu holen wie eine Pizza im Karton. Vor allem aber gibt es die vom Augenblick und vom Eisdielena­nblick zufällig Berührten, die sich spontan verleiten lassen zu einem „Och ja, ein Eis“. Und wie die ihr Tempo ändern und sich, erlöst von was auch immer, in diesen kleinen Eismoment fallen lassen, das kann einen nicht kalt lassen.

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