Leserbriefe
Chapeau, Thomas Tuchel
Zu „Echte Liebe, die keine war“(Sport) vom 31. Mai: Die Negativbesetzung des Wortes bzw. der Eigenschaft „Eigensinn“hat einst schon Hermann Hesse leidenschaftlich angeprangert. Erfolgreiche und leidenschaftliche Trainer haben oft einen „eigenen Sinn“im Sinne von Flexibilität, Kreativität, Risikobereitschaft und Führungsstärke. Dass dies nicht immer konfliktfrei mit den „Mächtigen“endet, liegt auf der Hand. Thomas Tuchel hat zudem menschliche Größe bewiesen, als er nach dem Anschlag auf den BVBMannschaftsbus die Uefa mit ihrer extrem schnellen „the Show must go on“-Haltung infrage stellte. Er sah im Zentrum seine Mannschaft und ihre Gefühlslage, auf die keine Rücksicht genommen wurde. Es sollte mehr Menschen mit eigener Meinung und eigenem Sinn geben, auch wenn dies im Zeitalter des „postfaktischen“Populismus nicht immer gut ankommt. Chapeau, Thomas Tuchel. Otto Dwaliawili, Augsburg
Selbstverteidigung möglich
Zu „US Militär verteidigt auch Europa“(Politik) vom 30. Mai: Europa könnte sich auch selbst verteidigen, wenn man das militärische Potenzial der EU-Mitgliedstaaten zusammenzählt. Alleine Deutschland und Frankreich haben fast so viele Einwohner wie Russland, von den technisch-industriellen Möglichkeiten der beiden Staaten mal ganz abgesehen. Ich finde: Wir können Gott danken, dass uns die USA im Kalten Krieg nie verteidigt haben, denn dann wäre ganz Mitteleuropa eine atomar verseuchte Wüste geworden. Für mich ist es lächerlich, wie wir ständig eine russische Bedrohung einsuggeriert bekommen. Es war ja immerhin Russland, welches ganz Osteuropa geräumt hat – zum Dank dafür machen sich jetzt die USA in diesen Gebieten mit ihrem Militär breit. Ich möchte nicht wissen, was geschehen würde, wenn die Russen dasselbe in Mittelamerika machen würden. Ernst Merkle, Mindelheim
Zeit für Auflehnung
Zu „Tumulte wegen Abschiebung“(Bay ern) vom 1. Juni: Erst einmal ganz herzlichen Dank an die jungen Leute in Nürnberg für ihren Mut. Es ist Zeit für eine breitere Auflehnung gegen Politik und Verwaltungspraxis auf dem Gebiet des „Flüchtlingswesens“.
Gäbe es ein Gesetz zur geregelten Zuwanderung, dann gäbe es zuverlässig keine Abschiebung motivierter junger Menschen, die bereits zu Kameraden und Kollegen geworden sind und eine gute Prognose für ein hiesiges Leben haben. An ihrem Verbleib in Deutschland haben nicht zuletzt die Gleichaltrigen in der angestammten Bevölkerung ein berechtigtes Eigeninteresse. Solche Zuwanderer sind es, die ihnen dabei helfen würden, die Rente für ihre Eltern, ihre Großeltern und immer häufiger auch noch für die Urgroßeltern zu verdienen. Das Fehlen eines Gesetzes zur geregelten Zuwanderung ist einer der größten gesetzgeberischen Missstände. Doch welche regierungsfähige Partei hat ein solches Gesetzgebungswerk im Programm? Und ist eine Partei, die sich diesem Projekt verschließt, überhaupt noch wählbar? Junge Wähler verstehen sehr wohl, dass eine Politik mit einem Zeithorizont über mehrere Generationen vonnöten ist, auch und gerade auf diesem Feld. Und wofür sie zu Recht kein Verständnis haben: dass der gesellschaftlichen Relevanz „des Verbleibs der Richtigen“nicht bereits heute Vorrang eingeräumt wird bei den Einzelfallentscheidungen über die Abschiebung. Benno Freiherr von Rechenberg, Langerringen
Eindeutig Stellung beziehen
Ebenfalls dazu: Als Berufsschullehrer unterrichte ich auch von Abschiebung bedrohte Migranten aus Afghanistan. Noch vor wenigen Monaten wurden wir aufgefordert, uns um die Integration der unbegleiteten Flüchtlinge zu kümmern, heute werden gut integrierte und motivierte junge Erwachsene in ein Land abgeschoben, in dem Krieg und Terror herrschen. Die Berufsschüler aus Nürnberg haben versucht, sich dem entgegenzustellen. An der Zuspitzung ist eine Politik schuld, die rigoros auf Abschiebung setzt, um Wählerstimmen zu gewinnen.
Wer einmal junge Migranten persönlich kennengelernt hat und um ihre Angst vor einer ungewissen und bedrohten Zukunft in Afghanistan weiß, muss eindeutig für diese Menschen Stellung beziehen. Christoph Rösch, Neusäß
Betrifft: Ude und Wildmoser
Zu „In der Hölle des Löwen“(Die Dritte Seite) vom 1. Juni: Debattiert wird jetzt über die Ursachen des Absturzes eines deutschen Traditionsvereins. Zutreffenderweise ist Ihr Artikel mit einem Bild des langjährigen Präsidenten Karlheinz Wildmoser illustriert. Als sich „hinter dem Rücken des Vaters“(Der Spiegel) der Sohn Wildmoser als Chef der Stadiongesellschaft in krumme Geschäfte verstrickte, hat Oberbürgermeister Christian Ude populistisch den Rücktritt des Seniors (!) gefordert. Welche Folgen hatte dieser öffentlich erzwungene Schritt Wildmosers, der mit seiner Person sinnvollerweise auch seine finanzielle Unterstützung abzog, für den Verein? Weiß jemand, ob sich Herr Ude irgendwann bei dem inzwischen Verstorbenen entschuldigt hat? Dr. Daniel Langhans, Pfaffenhofen
Veraltetes System
Zu „Inklusion überfordert die Lehrer“(Bayern) vom 31. Mai: Nicht die Inklusion überfordert die Lehrer, sondern das veraltete System, in dem sie sich bewegen müssen. Es gibt keine Klasse, in der die Kinder sitzen wie die Hühnereier in der Schachtel! Jedes Kind ist anders, ob behindert oder nicht, und hat ein Recht auf eine kompetente Beschulung. Warum fließen die pädagogischen Erkenntnisse von Maria Montessori, Peter Petersen (Jenaplan-Schule), Rudolf Steiner (Waldorf-Schule) und anderen Reformpädagogen immer noch nicht in den Schulalltag der staatlichen Schule ein? Warum tritt das tätige Forschen der Kinder immer noch zurück zugunsten einer Arbeitsblatt-Pädagogik, die zum bulimischen Lernen führt (eintrichtern, ausspucken, vergessen), statt zu ganzheitlichen geistigen und emotionalen Entwicklungen? Ohne differenzierende Unterrichtsmethoden geht Lernen nicht! Also sind nicht die behinderten Kameraden in der Klasse das Problem, sondern die Gleichmacherei mit ihrer oberflächlichen Prüfungsstruktur! Monika Kohler, Markt Rettenbach
De Maizières Äußerungen, Ka bul sei weitgehend sicher und die Botschaftsmitarbeiter hät ten derzeit Wichtigeres zu tun, als sich mit Abschiebun gen zu beschäftigen, finde ich menschenverachtend und zy nisch. Die Abschiebungen nach Afghanistan müssen so fort gestoppt werden. Petra Bleß, Marktoberdorf zu „Gewaltige Bombe erschüttert Kabul“(Seite 1) vom 1. Juni