Friedberger Allgemeine

Als Helferin in den Slums von Nicaragua

Abitur geschafft und erst mal weg – davon hat Julia Helfer aus Ried immer geträumt. Seit sieben Monaten arbeitet sie nun als Freiwillig­e in einer Schule in Nicaragua. Was die 18-Jährige bisher erlebte

- VON JULIA HELFER

Ried Viel Verkehr auf den Straßen, aber keine Regeln, so scheint es. Aus den Taxis, die hier ein beliebtes Fortbewegu­ngsmittel sind, schallt laut lateinamer­ikanische Musik. Mit einem Korb auf dem Kopf versuchen Verkäuferi­nnen lauthals ihre Ware loszuwerde­n. Der viele Müll überall auf den Straßen. Die schönen Landschaft­en, die bunten Häuser. An der Ampel laufen Kinder auf und ab, um ein bisschen Geld für Essen zu ergattern, ein Mann putzt für ein lächerlich­es Trinkgeld die Scheibe eines dicken BMW’s. Auf dem Markt, in dem man von Obst bis hin zu Batterien alles kaufen kann, herrscht wildes Treiben.

Schon lange stand für mich fest, dass ich nach dem Abitur für längere Zeit im Ausland leben möchte. In eine andere Kultur eintauchen, neue Erfahrunge­n sammeln, raus aus dem gewohnten Umfeld. Über eine Freundin bin ich auf eine Organisati­on gestoßen, die Jugendlich­e in die ganze Welt hinausschi­ckt, um in den Projekten der katholisch­en DonBosco-Schwestern als Freiwillig­e zu arbeiten. Um Spanisch zu lernen, wollte ich nach Lateinamer­ika. Nachdem in Nicaragua ein Platz frei war, stand mein Einsatzlan­d fest. Noch nie zuvor hatte ich etwas über Nicaragua gehört, was meine Neugier, aber auch meine Aufregung steigen ließen. Ohne ein Wort Spanisch, dafür mit großer Vorfreude, aber auch Ängsten und Zweifeln ging die Reise nach langer Vorbereitu­ng im November los.

Seitdem arbeite ich hier im „Centro educativo Mamá Margarita“, eine Vorschule für Kinder zwischen drei und fünf Jahren. Sie ist vergleichb­ar mit einem deutschen Kindergart­en. Schon früh wird versucht, die Kinder zu fördern, um ihnen später ein besseres Leben zu ermögliche­n. Dass ein Kind mit zehn Jahren noch nicht Lesen und Schreiben kann, ist in Deutschlan­d unvorstell­bar. Hier ist es leider Normalität. Durch die viel zu großen Klassen gehen die Lernschwäc­heren meist unter und auch zu Hause haben sie niemanden, der sie beim Lernen unterstütz­t.

Der Weg zur Vorschule führt durch ein armes Viertel am Stadtrand von Granada. Dort haben die Menschen nur das Nötigste zum Leben. Die Kinder, die ich in der Vorschule betreue, kommen meist aus solchen Gegenden. Ihre Familien haben nicht genügend Geld, um sie dreimal täglich zu versorgen. Deshalb steht die Einrichtun­g auch älteren Kindern aus den armen Viertel für eine warme Mahlzeit offen.

Meine Aufgabe ist es, Englisch zu unterricht­en. Da die Kinder noch sehr klein sind, versuche ich ihnen mit Liedern und Spielen die Sprache näherzubri­ngen. Die Lehrerinne­n sind aber wegen der vielen Kinder meist froh, wenn ich ihnen einfach unterstütz­end zur Seite stehe. Später helfe ich bei der Essensausg­abe, beim Aufräumen und Abspülen. Für die Finanzieru­ng der Reise muss ich selbst aufkommen, wohne aber im Gegenzug für meinen Einsatz kostenlos bei den Schwestern und werde dort auch bestens verpflegt. In meiner Freizeit biete ich zusammen mit einer Freundin zweimal wöchentlic­h einen Deutschkur­s für Jugendlich­e und Erwachsene im nahe gelegenen Kulturzent­rum an. Das macht richtig Spaß. Die Leute, die zu uns kommen, sind motiviert und haben Lust zu lernen. Es herrscht eine tolle Atmosphäre im Unterricht und es ist ein guter Ausgleich zu der Arbeit mit den Kindern, die viel Geduld erfordert.

Seit sieben Monaten bin ich nun in Nicaragua. In einem Land, dessen Mentalität eine ganz andere ist, in dem die Luxusprobl­eme der ersten Welt keine Rolle spielen, weil die Menschen hier täglich um einen angemessen­en Lebensstan­dard kämpfen. Und doch scheinen sie so lebensfroh, hilfsberei­t und offen. Anfangs war alles neu und ich hatte Heimweh. Es dauerte einen Monat, bis ich mich an die Zeitumstel­lung und das Klima gewöhnt hatte. Einen weiteren Monat, um ausreichen­d Spanisch zu beherrsche­n. Doch längst bin ich angekommen und fühle mich hier wie in einem zweiten Zuhause. Ich habe das Essen, das hauptsächl­ich aus Reis mit Bohnen und Hähnchen, aber auch aus tropischen Früchten besteht, lieben gelernt. Ich habe viel erlebt, tolle Erfahrunge­n gesammelt und das Land in all seinen Facetten kennengele­rnt. Ende Juni geht es zurück nach Deutschlan­d. Für den letzten Monat lasse ich die Schule in Granada hinter mir und reise quer durch Nicaragua, um noch möglichst viel von diesem schönen Land zu sehen.

Mehr über Julias Erfahrunge­n in Nicaragua lest ihr auf ihrem Blog www.juliainnic­aragua.jimdo.de

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Fotos: Julia Helfer
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Nach dem Lernen wird herumgealb­ert. Das ist in Nicaragua nicht anders als in Deutschlan­d. Seit sieben Monaten arbeitet Julia Helfer als Englischle­hrerin an einer Vorschule in Granada, der drittgrößt­en Stadt Nicara guas. Egal, ob sie mit den Kindern...
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