Der Weg zur Frau Pfarrerin
Vikarin Michelle Schönwald wird in Kissing auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet. Zuvor ist sie in Deutschland schon viel herumgekommen. Warum sie sich zu diesem Schritt entschlossen hat
Kissing Ihren Mentor Pfarrer Steffen Schubert begleitet sie oft in der Gemeinde und schaut ihm dabei über die Schulter. Deswegen ist die 27-jährige Studentin der Theologie inzwischen auch nach Kissing gezogen. Zweieinhalb Jahre wird Michelle Schönwald aus Miltenberg in der evangelischen Emmauskirche ihr Vikariat – die praktische Ausbildung vor dem selbstständigen Einsatz als Pfarrerin – absolvieren.
Neben Regensburg und Würzburg gehörte Augsburg zu ihren drei bevorzugten Städten. In ihrer neuen Heimatgemeinde Kissing fühlte sie sich von Anfang an herzlich aufgenommen, wie sie sagt. Von ihrer ruhig gelegenen Wohnung in Kissing genießt sie einen herrlichen Blick auf die Burgstallkapelle und bei schönem Wetter sogar bis zu den Alpen. Mit dem Fahrrad erledigt sie ihre Einkäufe und erkundet in der Freizeit die Gegend.
Schon im Jahr 2013 war Schönwald für ein vierwöchiges Pflichtpraktikum in der evangelischen Gemeinde von Haunstetten. „Es gefiel mir dort sehr gut. Nicht nur die Landschaft, auch die netten Menschen, deren Mentalität und das große Engagement der evangelischen Kirche im katholisch geprägten Bayern“, erzählt sie. Sie schätze es sehr, dass die Ökumene im Raum Augsburg einen so hohen Stellenwert einnimmt.
In Deutschland ist sie bereits weit rumgekommen. Im Jahr 2009 begann sie in Tübingen mit dem Grundstudium der evangelischen Theologie, in dem sie die Sprachen Griechisch, Hebräisch und Latein lernen musste. Drei Jahre später wechselte sie für ihr Hauptstudium nach Leipzig. In diesen vier Jahren hatte sie mehr Freiheiten in der Fächerwahl. Sie befasste sich mit Kirchengeschichte, Predigtlehre, dem Alten und Neuen Testament, dem Aufbau der Gemeinde und Dogma- tik. „Als Schülerin hatte ich immer viel Spaß am Religionsunterricht. Nach meiner Konfirmation arbeitete ich ehrenamtlich in der Kinderkirche und bei der Vorbereitung der Konfirmanden mit und leitete eine Jugendgruppe. Dabei entdeckte ich meine sozialen Kompetenzen und mein Interesse an Menschen“, erinnert sie sich. Da sie auf jeden Fall studieren wollte, ihr Interesse am Glauben sehr groß war und Theologie ihr viele berufliche Möglichkeiten bieten würde, fasste sie kurz vor dem Abitur ihre Entscheidung. „Glaube ist für mich eine Kraftquelle. Das Vertrauen auf Gott gibt mir Halt, Schutz, ein Gefühl von Geborgenheit und die Gewissheit, dass ich nichts alleine schaffen muss“, sagt sie.
Die 27-Jährige lernt am Beginn ihres Vikariats das Gemeindeleben kennen. Ihren ersten eigenen Gottesdienst zum Thema „Wo wohnt Gott?“hielt sie auch schon. Im August wird sie gemeinsam mit Diakon David Mühlendyck eine Gruppe Jugendlicher für zwei Wochen nach Schweden begleiten. Auch beim großen Sommerfest der Emmausgemeinde am 22. und 23. Juli wird sie sich engagieren und freut sich bereits auf die Ankunft von dreißig amerikanischen Gästen aus der Partnerstadt Nashville. „Ab September unterrichte ich in der Grund- und Mittelschule und werde bei der Konfirmandenarbeit mitwirken“, berichtet sie weiter. Für Hobbys bleibt da wenig Zeit. Gelegentlich liest sie einen Roman oder Krimi, genießt ein Hörbuch bei der Hausarbeit, aber vor allem liebt sie Fernsehserien und fährt gerne Fahrrad. Ein Auto habe und brauche sie momentan nicht, verrät sie. Alle sechs Wochen besucht sie ein zweiwöchiges Predigerseminar in Nürnberg, um sich intensiv auf ihre Tätigkeit als Pfarrerin vorzubereiten. Die Themen Predigt, Seelsorge, Kirchenrecht, aber auch Religionsunterricht nehmen die jungen Vikare dort genauer unter die Lupe. Michelle Schönwald weiß seit ihrem Einführungsgottesdienst, dass die Menschen in der Emmausgemeinde hinter ihr stehen. Deswegen freut sie sich auf ihre zweieinhalb Jahre, in denen sie ihr Vikariat in Kissing ablegen darf.