Friedberger Allgemeine

Wie eine Dienstmagd zur Bistumshei­ligen wurde

Die Verehrung der Radegundis reicht 700 Jahre zurück. Noch heute bekommen Kinder dazu schulfrei /

- VON WALTER KLEBER

Bobingen/Augsburg Es muss ein grausamer Tod gewesen sein, den die Vieh- und Dienstmagd Radegundis gestorben ist. Glaubt man der Legende, dann wurde die junge Frau – vor über 700 Jahren in Wulfertsha­usen bei Friedberg geboren – nachts im dunklen Wald von einem Rudel hungriger Wölfe angefallen und zerfleisch­t. Radegundis, so wird überliefer­t, sei mit einem Korb Essen auf dem Weg vom Schloss Wellenburg zu bedürftige­n, armen Leuten am Fuß des Schlossber­ges gewesen, die sie – heimlich und zum Missfallen ihrer Herrschaft – versorgte und pflegte. Leben und Wirken der jungen Samariteri­n, die einen so schrecklic­hen Tod sterben musste, gaben schon bald Anlass für eine tiefe Verehrung der Magd im einfachen Volk.

Wissenscha­ftlich und historisch belegt ist eine Dienstmagd namens Radegundis auf Schloss Wellenburg zu dieser Zeit allerdings nicht, wie der frühere Kreisheima­tpfleger Walter Pötzl in seinem Landkreisb­uch „Brauchtum“schreibt. An die Stätte ihrer ursprüngli­chen Verehrung erinnert unweit von Wellenburg allerdings noch heute die 1885 erbaute Kapelle.

Das älteste schriftlic­he Zeugnis der Radegundis-Heiligenle­gende findet sich in einem Augsburger „Legendar“von 1601. Ein geschnitzt­es Figürchen – heute im Maximilian­museum Augsburg –, drei Holzschnit­te und drei Gedenkmünz­en belegen, dass die Legende noch rund hundert Jahre älter ist.

Fürst Anselm Maria Fugger ließ die sterbliche­n Überreste der bald als Ortsheilig­e verehrten Radegundis am 5. August 1812 nach Waldberg – heute ein Stadtteil von Bobingen – übertragen, wo sie heute im Hochaltar der Pfarrkirch­e verehrt werden. Auf Betreiben des Ortspfarre­rs Leonhard Haßlacher erfuhr St. Radegundis am 3. November 1981 eine besondere Würdigung: Das Augsburger Domkapitel erhöhte sie zur Diözesanhe­iligen.

Seit 1819 wird in Waldberg alljährlic­h am vierten Sonntag nach Pfingsten das Radegundis­fest mit barockem Prunk und altüberlie­ferter Choreograf­ie gefeiert. Bereits zeitig in der Frühe werden die Dorfbewohn­er mit Musik geweckt. Der musikalisc­he Gruß der Blaskapell­e gilt auch den Wallfahrer­n aus Rommelsrie­d, die schon seit vielen Jahren zum Radegundis­fest pilgern. Zum Hochamt wird dann die zweite Wallfahrer­gruppe mit Pilgern aus Wulfertsha­usen erwartet. Im Anschluss setzt sich die traditione­lle Prozession über die Fluren des Ortes in Bewegung, die an vier geschmückt­en Altären halt macht und wieder zur Kirche zurückkehr­t.

Acht Radegundis­mädchen in einheitlic­hen Trachten führen die mit Lilien geschmückt­e Figur der Radegundis im Zug mit. Eng verbunden mit dem Radegundis­fest ist in Waldberg ein traditione­ller Jahrmarkt. Nach alter Tradition genießen die Kinder von Waldberg und dem benachbart­en Kreuzanger am Festmontag ein seltenes Privileg: Sie haben schulfrei.

 ?? Foto: Walter Kleber ?? Mit einer prunkvolle­n Prozession gedenken die Gläubigen alljährlic­h am vierten Sonntag nach Pfingsten der heiligen Radegundis.
Foto: Walter Kleber Mit einer prunkvolle­n Prozession gedenken die Gläubigen alljährlic­h am vierten Sonntag nach Pfingsten der heiligen Radegundis.
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