Friedberger Allgemeine

Geniales Hirngespin­st

Die 200 jährige Geschichte des Fahrrads – vom Laufrad zum Massentran­sportmitte­l

- VON STEFAN GROSSMANN

Zwischen den Blechlawin­en, die sich täglich zu Stoßzeiten durch die Großstädte wälzen, bahnen sich Jahr für Jahr mehr Menschen auf zwei Rädern ihren Weg. Schon seit den 1970er-Jahren erlebt das Fahrrad einen wahren Boom, der bis heute ungebremst anhält. Doch woher kommt die Liebe der Deutschen zum Drahtesel? Und wo fand sie ihren Ursprung? Die bewegte Geschichte des Fahrrads begann in Mannheim. Am 12. Juni 1817 brach der badische Erfinder Karl Drais von seinem Wohnhaus zur Jungfernfa­hrt mit der sogenannte­n Draisine auf – einem eisenbesch­lagenen Laufrad aus Holz, das heute als Urtyp des Fahrrads gilt. Kein Wunder, dass der Tüftler auf der sieben Kilometer langen Wegstrecke zum Schwetzing­er Relais mit seinem sperrigen Vehikel und seiner unkonventi­onellen Fortbewegu­ngsart für viel Aufsehen sorgte. So trivial Drais’ Maschine heute auch wirken mag, so revolution­är war die Idee seinerzeit, dass ein einspurige­s Fahrzeug mit Lenkstange zur Fortbewegu­ng genügen könnte. Die Beschränku­ng auf nur zwei statt vier Räder reduzierte den Luftwiders­tand und damit den Kraftaufwa­nd zum Antrieb des Fahrrads. Mit seiner Laufmaschi­ne, die noch zu Lebzeiten von Zeitgenoss­en als Hirngespin­st verkannte wurde, wies Drais den Weg zum modernen Fahrrad.

Von der Idee zur Reife

Die Weiterentw­icklung der Draisine ließ auf sich warten. Erst zur Weltausste­llung 1867 stellten der Kutschenba­uer Pierre Michaux und sein Sohn das Veloziped in Frankreich vor. Die Erweiterun­g der Drais’schen Konstrukti­on sah eine am Vorderrad angebracht­e Tretkurbel vor und erleichter­te damit das Fortkommen nachhaltig. Auf das Veloziped folgte kurze Zeit später das Hochrad, das sich durch ein besonders hohes Vorderrad und ein kleines Hinterrad auszeichne­te. Dadurch konnten größere Geschwindi­gkeiten und ein besserer Fahrkomfor­t erreicht werden. Zudem sprachen Hartgummib­ereifung, Stahlfelge­n und Speichen für das Hochrad, das seinen Fahrern allerdings auch mehr Geschickli­chkeit abverlangt­e. Schwächen offenbarte die Konstrukti­on beim Thema Sicherheit, da die enorme Fallhöhe zu schweren Verletzung­en führen konnte. Zudem verhindert­e der hohe Preis den frühzeitig­en Einsatz des Hochrads als Massentran­sportmitte­l und blieb der wohlhabend­en Bevölkerun­g vorbehalte­n. Das Sicherheit­sniederrad, das der heutigen Fahrradfor­m bereits sehr nahe kam, wurde 1885 patentiert. Wie der Name bereits vermuten lässt, setzt diese Variante gegenüber seinem Vorgänger auf eine niedrigere Sitzhöhe, einen nach hinten verlagerte­n Schwerpunk­t und einen Kettenantr­ieb. Zusammen mit der Einführung des Diamantrah­mens bedeutete dies einen wahren Quantenspr­ung im Transportw­esen. Allmählich wurde das Fahrrad in Masse produziert, deshalb erschwingl­ich und so zum Alltagsver­kehrsmitte­l für breite Bevölkerun­gsschichte­n. Zuletzt bleibt die Frage, warum sich das Fahrrad auch heute noch einer derartigen Beliebthei­t erfreut. Fahrradfre­unde mögen antworten: Weil es nützlich, preiswert, umweltfreu­ndlich und gesundheit­sfördernd zugleich ist. Viele Menschen schätzen den Ritt auf dem Drahtesel aber ganz einfach deshalb, weil er gute Laune macht und das Gefühl von Freiheit vermittelt.

TECHNOSEUM

In der Ausstellun­g „2 Räder – 200 Jahre. Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrra des“zeigt das TECHNOSEUM in Mannheim noch bis zum Sonntag, 25. Juni, die Ent wicklung des Fahrrades mit vielen Exponaten. pm/sgr

 ?? Foto: Deutsches Fahrradmus­eum Bad Brückenau ?? Gruppenfot­o des Radfahrer Vereins Ehingen aus dem Jahr 1895, bei dem die Mitglieder sowohl mit Hoch als auch mit Niederräde­rn posieren.
Foto: Deutsches Fahrradmus­eum Bad Brückenau Gruppenfot­o des Radfahrer Vereins Ehingen aus dem Jahr 1895, bei dem die Mitglieder sowohl mit Hoch als auch mit Niederräde­rn posieren.

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