Geniales Hirngespinst
Die 200 jährige Geschichte des Fahrrads – vom Laufrad zum Massentransportmittel
Zwischen den Blechlawinen, die sich täglich zu Stoßzeiten durch die Großstädte wälzen, bahnen sich Jahr für Jahr mehr Menschen auf zwei Rädern ihren Weg. Schon seit den 1970er-Jahren erlebt das Fahrrad einen wahren Boom, der bis heute ungebremst anhält. Doch woher kommt die Liebe der Deutschen zum Drahtesel? Und wo fand sie ihren Ursprung? Die bewegte Geschichte des Fahrrads begann in Mannheim. Am 12. Juni 1817 brach der badische Erfinder Karl Drais von seinem Wohnhaus zur Jungfernfahrt mit der sogenannten Draisine auf – einem eisenbeschlagenen Laufrad aus Holz, das heute als Urtyp des Fahrrads gilt. Kein Wunder, dass der Tüftler auf der sieben Kilometer langen Wegstrecke zum Schwetzinger Relais mit seinem sperrigen Vehikel und seiner unkonventionellen Fortbewegungsart für viel Aufsehen sorgte. So trivial Drais’ Maschine heute auch wirken mag, so revolutionär war die Idee seinerzeit, dass ein einspuriges Fahrzeug mit Lenkstange zur Fortbewegung genügen könnte. Die Beschränkung auf nur zwei statt vier Räder reduzierte den Luftwiderstand und damit den Kraftaufwand zum Antrieb des Fahrrads. Mit seiner Laufmaschine, die noch zu Lebzeiten von Zeitgenossen als Hirngespinst verkannte wurde, wies Drais den Weg zum modernen Fahrrad.
Von der Idee zur Reife
Die Weiterentwicklung der Draisine ließ auf sich warten. Erst zur Weltausstellung 1867 stellten der Kutschenbauer Pierre Michaux und sein Sohn das Veloziped in Frankreich vor. Die Erweiterung der Drais’schen Konstruktion sah eine am Vorderrad angebrachte Tretkurbel vor und erleichterte damit das Fortkommen nachhaltig. Auf das Veloziped folgte kurze Zeit später das Hochrad, das sich durch ein besonders hohes Vorderrad und ein kleines Hinterrad auszeichnete. Dadurch konnten größere Geschwindigkeiten und ein besserer Fahrkomfort erreicht werden. Zudem sprachen Hartgummibereifung, Stahlfelgen und Speichen für das Hochrad, das seinen Fahrern allerdings auch mehr Geschicklichkeit abverlangte. Schwächen offenbarte die Konstruktion beim Thema Sicherheit, da die enorme Fallhöhe zu schweren Verletzungen führen konnte. Zudem verhinderte der hohe Preis den frühzeitigen Einsatz des Hochrads als Massentransportmittel und blieb der wohlhabenden Bevölkerung vorbehalten. Das Sicherheitsniederrad, das der heutigen Fahrradform bereits sehr nahe kam, wurde 1885 patentiert. Wie der Name bereits vermuten lässt, setzt diese Variante gegenüber seinem Vorgänger auf eine niedrigere Sitzhöhe, einen nach hinten verlagerten Schwerpunkt und einen Kettenantrieb. Zusammen mit der Einführung des Diamantrahmens bedeutete dies einen wahren Quantensprung im Transportwesen. Allmählich wurde das Fahrrad in Masse produziert, deshalb erschwinglich und so zum Alltagsverkehrsmittel für breite Bevölkerungsschichten. Zuletzt bleibt die Frage, warum sich das Fahrrad auch heute noch einer derartigen Beliebtheit erfreut. Fahrradfreunde mögen antworten: Weil es nützlich, preiswert, umweltfreundlich und gesundheitsfördernd zugleich ist. Viele Menschen schätzen den Ritt auf dem Drahtesel aber ganz einfach deshalb, weil er gute Laune macht und das Gefühl von Freiheit vermittelt.
TECHNOSEUM
In der Ausstellung „2 Räder – 200 Jahre. Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrra des“zeigt das TECHNOSEUM in Mannheim noch bis zum Sonntag, 25. Juni, die Ent wicklung des Fahrrades mit vielen Exponaten. pm/sgr