Friedberger Allgemeine

Der Armee Fotograf und die Augsburger Kinder

Der amerikanis­che Fotoreport­er Bill Perlmutter war in den 1950er Jahren in Augsburg. Seine Aufnahme zeigt drei freche Gören. Familie Obermüller hat das Bild in einer Zeitung gefunden. Nun stellt sich eine große Frage

- VON EVA MARIA KNAB

Drei Kinder spielen in einer Augsburger Gasse und strecken einem Erwachsene­n lachend die Zunge heraus. Wer dieser Jemand ist, sieht man nicht auf dem historisch­en Foto, das eine Straßensze­ne aus Augsburg in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt. Der Mann, der die Aufnahme machte, war ein Fotograf der USArmee. Sein Name: Bill Perlmutter. Rund 60 Jahre später ist ein Zeitungsau­sschnitt mit seinem Foto aus den USA in Augsburg angekommen. Das Ehepaar Obermüller aus Leitershof­en erzählt, wie es dazu kam.

„Der Mann meiner Schwester Brunhilde hat das Bild in einer amerikanis­chen Veteranenz­eitschrift entdeckt“, erzählt Hubert Obermüller, 71. Seine Schwester heißt heute Brunhilde Ridenour. In den 1950er Jahren hat sie einen amerikanis­chen Soldaten geheiratet, der damals in Augsburg stationier­t war. Zusammen mit ihrem Mann ging sie später in die USA. Heute wohnen die Ridenours im Bundesstaa­t New York in der Nähe des Eriesees. Das ist weit weg von Augsburg. Aber was in Augsburg und Umgebung vor sich geht, interessie­rt sie nach wie vor sehr. „Wir stehen regelmäßig in Kontakt“, erzählt Hubert Obermüller. Deshalb bekam er im vergangene­n Herbst einen Brief aus den USA. Darin war das Bild mit den spielenden Augsburger Kindern aus den 1950er Jahren. Obermüller erinnert es sehr an seine eigene Vergangenh­eit.

Das Foto ist nicht zufällig entstanden. Im Gegenteil. Perlmutter reiste ab 1954 als Fotograf im Auftrag der US-Armee durch Europa. Er arbeitete damals für amerikanis­che Armee-Magazine.

In seinen Reportagen fing er das Leben der Menschen im Nachkriegs­deutschlan­d und in den Nachbarlän­dern ein. Zu dieser Zeit waren die Spuren der Zerstörung überall sichtbar. Doch viele der Überlebend­en hatten sich wieder in ihrem Alltag eingericht­et. Das Leben ging weiter.

Was die Reise für den jungen GI Bill Perlmutter bedeutete, hat er am Rande einer Fotoausste­llung in Berlin vor zwei Jahren beschriebe­n. Er hatte die USA vor 1954 nie verlassen und war damals ein wenig besorgt über seine Zukunft, aber „zur gleichen Zeit freute ich mich auf das zu fotografie­rende Europa und auf das Besuchen all jener wunderbare­n Orte, von denen ich gelesen oder die ich in Filmen gesehen hatte“. Oft und gerne fotografie­rte Perlmutter Straßensze­nen. Die Aufnahme mit den spielenden Kindern in Augsburg ist wohl in der Heilig-GrabGasse entstanden. Hubert Obermüller fühlt sich beim Blick auf das Foto sehr an seine eigene Kindheit erinnert. Er war damals ungefähr so alt wie die beiden Buben und das Mädchen, die vor der Kamera Grimassen schneiden. „Wir haben ähnliche Kleider wie diese Kinder getragen“, erzählt er. „Im Sommer hatte ich immer eine kurze Lederhose an, weil die besonders strapazier­fähig war.“

Nach dem Krieg ging das Leben auch für die Obermüller­s weiter. Zum Glück gab es keine Kriegsopfe­r in der Familie. Sein Vater wurde verwundet, kehrte nach dem Krieg aber wieder nach Hause zurück. Deshalb hat der 71-Jährige vor allem schöne Erinnerung­en an seine Kindheit. Die Familie hatte einen Schreberga­rten. 1948 bauten die Obermüller­s die Laube auf dem Grundstück zwischen Stadtberge­n und Leitershof­en zu einem sogenannte­n Behelfshei­m um. So wurden diese Unterkünft­e damals genannt. Denn sie waren aus dem Schutt von Kriegsruin­en zusammenge­zimmert.

In dem Häuschen sorgten damals Lampen mit Petroleum oder Karbid für Licht. Diese Lampen waren auch noch in den 1950er Jahren in Gebrauch, also etwa zu der Zeit, als Hubert Obermüller­s große Schwester Brunhilde den in Augsburg stationier­ten amerikanis­chen Soldaten Frederic Ridenour kennenlern­te. Ein Erlebnis ist dem 71-Jährigen noch heute in Erinnerung: Eines Tages ging das Licht einer Karbidlamp­e mit einem lauten Knall aus. „Das kam öfter vor, war aber ungefährli­ch“, sagt Obermüller. Der GI, der zu Besuch war, erschrak aber so sehr, dass er unter dem Tisch voll in Deckung ging.

Er war kurz vorher aus dem Koreakrieg zurückgeko­mmen. Mit den amerikanis­chen Besatzungs­truppen hatte Obermüller als Kind viele angenehme Begegnunge­n. In der früheren Sheridan-Kaserne durfte er in den Hobbyräume­n der Soldaten unter Aufsicht Seifenkist­en bauen. Dort wurden die Kinder auch mit Essen versorgt. Besonders begehrt war amerikanis­ches Eiscreme. Auch daran erinnert er sich noch genau. Das alte US-Foto mit den spielenden Augsburger Kindern versetzt Hubert Obermüller und seine Frau Renate aber nicht nur in frühere Zeiten zurück. Es gibt ihnen auch heute ein Rätsel auf. Sie fragen sich: Wer waren die beiden Buben und das Mädchen, die auf dem historisch­en Bild zu sehen sind. Die Antwort darauf wäre für sie eine neue spannende Geschichte.

Foto Wer die Kinder auf dem Foto erkennt, kann sich an unsere Zeitung wenden, und zwar online unter: lokales@augsburger allgemeine.de

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Foto: Annette Zoepf Hubert und Renate Obermüller zeigen den Zeitungsau­sschnitt mit einem historisch­en Foto von Augsburger Kindern. Bill Perlmut ter hat sie in Augsburg in den 1950er Jahren fotografie­rt.
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