Pyjama Party statt Spurensuche
Wald, Zelt und Lagerfeuer: Den Pfadfindern hängt oft ein verstaubtes Klischee an. Jasmin, Julia und Theresa sind Gruppenleiter in Friedberg – und räumen mit diesem Vorurteil auf
Friedberg Ein knappes Dutzend Wichtel tummelt sich um den Wasserturm in Friedberg. Wichtel – das sind keine grünen Heinzelmännchen, sondern sechs- bis achtjährige Mädchen, die unter den Fittichen von Jasmin, Julia und Theresa stehen. Alle gehören der Pfadfinderinnenschaft St. Georg an. Und alle sind ganz hibbelig. Denn gleich geht es in die Stadt Eis essen.
Die Pfadfinder sind die größte Jugendbewegung der Welt. Sie zählen über 38 Millionen Kinder und Jugendliche, die aus mehr als 200 Ländern stammen. Gabriele Großmann vom bayerischen Landesverband des Bunds für Pfadfinderinnen und Pfadfinder erklärt: „Ganz wichtig ist uns die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu Demokratie und Verantwortung.“So seien die Gruppenleiter von allen frei gewählt. „Und schon die Jüngsten dürfen mitentscheiden“, bemerkt Großmann. Die Rücksicht auf Mitmenschen sei dabei genauso wichtig wie eine Gleichwürdigkeit zwischen Alt und Jung: „Alle sollen etwas zusammen unternehmen können“, so die Pressesprecherin des Verbands. Ein weiterer Aspekt: Pfadfinden muss für jeden erschwinglich sein. „Wir wollen den Kindern mit einfachen Mitteln tolle Erlebnisse bieten.“
Dasselbe Ziel verfolgen Jasmin, Julia und Theresa aus Friedberg. Die drei sind seit vielen Jahren Stammesmitglieder St. Georgs. Erst im April haben sie ihre WichtelGruppe eröffnet. Jeden Donnerstag treffen sich die Mädchen mit ihren Schützlingen im Wasserturm. Was sie dort tun? „Wir basteln, kochen, spielen und essen zusammen“, sagt Jasmin Rieblinger. Und ab und an gehe man auch ein Eis essen. Dazu würden Gruppenregeln aufgestellt. „Sonst geht es drunter und drüber“, sagt die 17-Jährige. Zudem möchten die Leiterinnen ihren Kindern Werte vermitteln: „Zusammenhalt, Freundschaft und Solidarität unter Frauen gehören zum Beispiel dazu“, erzählt Jasmin.
Friedberger Pfadfinderinnenschaft St. Georg blickt auf eine lange Tradition zurück. Gegründet wurde sie bereits 1948. Heute besteht der Stamm aus etwa hundert Mitgliedern, darunter 70 Aktive. Wie Jasmin ist auch Theresa seit mehr als zehn Jahren dabei und sieht ihre Zukunft im Grundschullehramt. Die inzwischen 16-jährige Schülerin meint: „Das Wichtigste ist, dass wir zusammen Spaß haben und dass jedes Kind gerne zur Gruppenstunde kommt.“
Obwohl ihm etwas Altmodisches anhaftet, scheint das Pfadfinden nicht vom Aussterben bedroht. Gabriele Großmann vom Landesverband des Bunds für Pfadfinderinnen und Pfadfinder sieht sogar ein wachsendes Interesse der Jugend: „Die Zahlen steigen. Zwar langsam, aber stetig und dauerhaft“, freut sie sich. Dahinter vermutet Großmann unter anderem die Auswirkungen der schulischen Ganztagskonzepte. „Einige Eltern möchten ihren Kindern einen Ausgleich zur Schule und dem permanenten Sitzen bieten.“Einen Anstieg beobachte sie besonders in den Ballungsgebieten Bayerns: „In München boomt es“, so Großmann. Dagegen schrumpften die Zahlen in Randbezirken wie Oberfranken. „Hier muss der Verband mehr Aufwand und Zeit investieren, um die Mitglieder zu erhalten.“
Von Freunden und Fremden werden Jasmin, Julia und Theresa mit Skepsis beäugt. „Viele denken, Pfadfinder laufen von Tür zu Tür und verkaufen Kekse.“Ein Klischee, das ihnen oft zu Ohren kommt, mit der Realität aber wenig zu tun hat: „Wir sind nicht immer im Wald und zelten“, sagt Jasmin und muss lachen. „Mit unserer Leiterin haben wir abends Filme geguckt und uns die Nägel lackiert“, erinnert sie sich. Die klassische Pyjama-Party eben. Die wöchentlichen Gruppenstunden seien daher mehr mit einem Jugendtreff zu vergleichen: zum Freundschaften schließen außerhalb der Schule.
Julia Schlögl ist die Dritte im Bunde der Leiterinnen. Die 17-Jährige durchläuft gerade eine AusbilDie dung zur Erzieherin. Für sie sei das Pfadfinden ein Ausgleich zum Alltag. Für die Kinder, die sie zusammen mit Theresa und Jasmin betreut, hoffe sie dasselbe. „Es wäre schön, wenn alle dabei bleiben“, sagt sie. Währenddessen sitzen elf Wichtel vor dem Marienbrunnen und schlecken an ihrem Eis. „Ich komme gerne zu den Pfadfindern, um zu spielen“, sagt Annika, die heute ihren siebten Geburtstag feiert. Viele Freunde gefunden hat auch die siebenjährige Emma. „Auf nächstes Mal freue sich mich“, betont sie. Und bis dahin: Gut Pfad.
Übrigens: Eine Kluft tragen die Pfadfinderinnen nicht. Das sei nur bei Zeltlagern üblich, ebenso wie das Lagerfeuer, die Spurensuche und lange Schnitzeljagden. In den Gruppenstunden lege man dagegen Wert auf Individualität – da sind sich alle einig. »Lies mich
Mitmachen Die Wichtelgruppe trifft sich immer donnerstags. Wer mitmachen will, kann sich unter schloegl.julia@gmx.de anmelden.