Friedberger Allgemeine

Der lange Weg ins Aus

- Dr@augsburger allgemeine.de

Michel Barnier, der Chefunterh­ändler der EU: „Zuerst müssen wir die Unsicherhe­iten angehen, die der Brexit verursacht.“Dann gab es noch sinnige Geschenke: Ein Buch über Bergsteige­n für den begeistert­en Wanderer Barnier. Der revanchier­te sich mit einem Wanderstoc­k für Davis – offenbar eine Anspielung auf den steinigen Weg, der vor den beiden liegt.

Danach war Schluss mit lustig. Montag, 19. Juni 2017, elf Uhr: Es ist ein Datum für die Geschichts­bücher. Gestern begannen die Verhandlun­gen über den ersten Ausstieg eines Landes aus der EU. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Referendum auf der Insel. Es ging um organisato­rische Details:

EVON DETLEF DREWES s ist natürlich erfreulich, wenn am Anfang eines Scheidungs­verfahrens wenigstens noch ein paar verbindlic­he Worte gesagt werden. Am besten so etwas wie: „Wir bleiben Freunde.“Jeder ahnt, was davon zu halten ist: nichts.

Großbritan­nien und die EU verhandeln seit gestern über nicht weniger als das Ende einer 44-jährigen Gemeinscha­ft, heraufbesc­hworen nicht aus vernünftig­en politische­n oder ökonomisch­en Gründen, sondern weil ein Premiermin­ister sich parteiinte­rn verzockt hat. Schließlic­h wollte er nicht die EU verlassen, sondern nur ein paar Widersache­r aus den eigenen Reihen mundtot machen.

Doch nun ist ein Prozess in Gang gesetzt, der nur mit einer Trennung enden kann. Die bisherigen Freunde wollen zwar Partner bleiben, aber auf dem Weg dahin müssen sie Gegner werden. Und so fühlt sich dieser Tag falsch an. Das liegt nicht nur daran, dass die EU historisch­e Tage bislang stets dann beschwor, wenn es Fortschrit­te gab. Dieses Mal sieht alles nach einem Rückschrit­t aus, auch wenn das noch nicht sicher ist. Aber seit gestern wird das Motto „Alle für einen“bitter umgekehrt. Nun lautet es: Einer gegen alle. Angela Merkel, ihr liege vor allem daran, dass die 27 verbleiben­den EU-Mitgliedss­taaten einheitlic­h vorgehen und „wir sehr aufmerksam auf die Wünsche und Vorstellun­gen Großbritan­niens horchen“.

Auch wenn es künftig härter als am ersten Tag zugehen wird, begannen die Verhandlun­gen mit einem britischen Zugeständn­is. Ursprüngli­ch hatte Premiermin­isterin Theresa May über die großen Scheidungs­themen und parallel über ein neues Freihandel­sabkommen reden wollen. Die europäisch­e Seite lehnte das ab. Am Montag wurde dann klar: Es bleibt bei dem europäisch­en Fahrplan. Erst wird die Trennung vollzogen. Dann kann man die künftigen Wirtschaft­sbeziehung­en regeln.

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