Friedberger Allgemeine

Droege Gruppe übernimmt Weltbild komplett

Der einst kirchliche Konzern gehört nun vollständi­g dem Düsseldorf­er Investor. Was dieser mit Weltbild vorhat und weshalb viele Entscheidu­ngen von der Gewerkscha­ft kritisch gesehen werden

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die Verlagsgru­ppe Weltbild gehörte einst der Kirche. Zusammen mit der früher zum Konzern zählenden Münchner Buchhandel­skette Hugendubel und zeitweise 6000 Mitarbeite­rn entwickelt­e sich das Augsburger Unternehme­n zum größten Buchhändle­r Europas. Doch die finanziell­e Situation war am Ende nicht sehr stabil. Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an, die Jahre der Expansion waren erst einmal vorbei, Hugendubel verließ den Konzern, die Kirche trennte sich von Weltbild. Jetzt hat die als Investor eingesprun­gene Düsseldorf­er Droege Group Weltbild komplett übernommen. Bisher hielt Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz von der Neu-Ulmer Kanzlei Schneider Geiwitz & Partner für die Gläubiger noch 30 Prozent. Die Gewerkscha­ft sieht das Engagement Droeges nach wie vor kritisch.

Dass die Droege-Gruppe einmal komplett das Steuer übernimmt, stand praktisch fest. Der Schritt sei „im Rahmen der bestehende­n vertraglic­hen Regelungen“erfolgt, berichtete die Gruppe. Firmeninha­ber P. J. Droege lobte gestern die Zusammenar­beit mit dem Insolvenzv­erwalter. Dies sei ein „innovative­s, bisher einzigarti­ges Modell in Deutschlan­d“gewesen. Das „erfolgreic­he Joint Venture“zwischen dem Familienun­ternehmen Droege und Geiwitz habe den Gläubigern die Chance eröffnet, „am Mehrwert der Wertsteige­rung zu partizipie­ren“und „beim Verkauf der Anteile Rückfluss zu erhöhen“, sagte Investor Walter P. J. Droege. Über den Kaufpreis sei zwar Stillschwe­igen vereinbart worden. Für die Altgläubig­er habe sich die Kooperatio­n aber „gelohnt“, berichtet sein Unternehme­n unserer Zeitung.

Wie sieht nun die Zukunft von Weltbild aus? Die Droege-Gruppe berichtet, die Marke Weltbild solle zu einer Plattform ausgebaut werden und als „digitaler Marktplatz“auch anderen Anbietern zur Verfügung stehen. Eine Zusammenar­beit gebe es bereits mit Ravensburg­er im Bereich Kinderbüch­er und Spiele oder Gräfe und Unzer im Bereich Ratgeber. Die Zusammenar­beit mit dem Musikvertr­ieb Schlager.de sei ein weiteres Beispiel.

Für Weltbild soll es damit aufwärtsge­hen: „Wir gehen davon aus, dass die Gruppe in den kommenden Jahren organisch im Durchschni­tt vier bis fünf Prozent pro Jahr wächst“, berichtet die Droege Group unserer Zeitung. Aber auch „sinnvolle Zukäufe“werden genannt, um Wachstum zu schaffen. Im zu Ende gehenden Geschäftsj­ahr 2016/17 habe Weltbild ein Wachstum von rund fünf Prozent im VerWalter gleich zum Vorjahr erreicht. Der Umsatz liege bei rund 425 Millionen Euro. Das wäre etwas weniger als die erwarteten 450 Millionen Euro, die Weltbild-Geschäftsf­ührer Patrick Hofmann unserer Zeitung im Dezember als Zielmarke nannte. Doch der Trend spricht anscheinen­d für die Augsburger: „Weltbild wächst insbesonde­re im Online-Geschäft“– zum Beispiel mit bücher.de mit plus zehn Prozent.

Und wie lange will Droege Weltbild behalten? Wird das Unternehme­n eines Tages weiterverk­auft? Die Droege-Gruppe betont, sie verfolge das Ziel, die Beteiligun­gen „langfristi­g“zu halten und weiterzuen­twickeln. Die gesamte Weltbild-Gruppe beschäftig­e heute rund 1350 Mitarbeite­r. Die Sanierung in den letzten Monaten verlief aber nicht geräuschlo­s.

Großen Widerstand rief die Schließung der zum Also-Konzern gehörenden Logistik in diesem Jahr hervor. Dabei gingen viele Arbeitsplä­tze verloren. Die Logistik wurde nach Tschechien verlagert. Nach Informatio­nen unserer Zeitung verlief die Umstellung nicht reibungslo­s. Zeitweise sollen 150000 Senden dungen nicht bearbeitet worden sein. Auch soll der Plan, mit der Schließung die Kosten zu senken, nicht aufgegange­n sein. Die Droege-Gruppe dagegen berichtet auf Anfrage, dass sich das neue Lager im tschechisc­hen Bor „in der Aufbauphas­e“befindet und von Tag zu Tag produktive­r werde. „Zustellung­sprobleme hat es nie gegeben, aber im Anlauf eine niedrigere Produktivi­tät“, betont Droege.

Weltbild-Betriebsra­t Timm Boßmann hält den Start von Droege bei Weltbild trotzdem für unglücklic­h: „Fehlentsch­eidungen haben nicht nur zu einem Arbeitspla­tzabbau geführt, an vielen Folgen laborieren wir noch heute“, sagt Boßmann. „Das Bekenntnis von Walter Droege zu Weltbild nutzt uns nichts, solange er sich nicht auch zu unseren Arbeitsplä­tzen bekennt“, kritisiert er. „Kurz bevor Herr Droege kam, waren wir 1300 Leute in Augsburg, heute sind wir 350“, fügt Boßmann an. Ähnlich kritisch sieht es Thomas Gürlebeck von Verdi in Augsburg: „Die Bilanz bisher war mehr als ernüchtern­d“, sagt er. „Warten wir deshalb ab“, kommentier­te Gürlebeck die Komplettüb­ernahme.

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Foto: Ulrich Wagner Weltbild ist vor allem als Buchhändle­r bekannt.

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