Friedberger Allgemeine

Entspannte Eltern, entspannte Kinder

Übertritts­druck, Gruppendru­ck – in vielen Familien ist das ein Thema. Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes, gibt Tipps, was Mütter und Väter dagegen tun können

- Simone Fleischman­n ist Präsidenti­n des Bayeri schen Lehrerinne­n und Lehrerverb­and und war lange Schulleite­rin.

Schuldruck hat verschiede­ne Ebenen, weiß Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrerund Lehrerinne­nverbandes (BLLV), aus eigener Erfahrung als Schulleite­rin und aus vielen Elternund Schülerges­prächen. Mancher entsteht in der Schule, weil ein Kind nicht mitkommt. Anderer daheim und wurde von den Eltern gemacht. Und dann ist da noch der Druck aus dem eigenen Freundeskr­eis. Simone Fleischman­n zeigt die größten Druckarten auf, erklärt, wie sie entstehen, und gibt Eltern Tipps, was sie tun können, damit ihre Kinder nicht unter Druck geraten.

Übertritts­druck Diese Art von Druck betrifft laut Simone Fleischman­n viele Kinder, besonders aus gut situierten Familien. Ab Mitte der 2. Klasse geht es los, dass Eltern genauer auf die Leistung ihrer Jungen und Mädchen schauen. „Oh weh, wenn dann ein Vierer dabei ist, ob das dann mit dem Übertritt auf das Gymnasium noch etwas wird?“Solche Gedanken würden sich viele Eltern dann machen. Ihr Kind muss auf das Gymnasium gehen, weil sich das ihrer Meinung nach so gehört. „Es ist gesellscha­ftlich nicht akzeptiert, dass ein Kind zur Mittelschu­le geht“, sagt Simone Fleischman­n. Den Druck, den sich Eltern durch diese Denkweise machen, leiten sie an ihre Kinder weiter. Wenn die schulische Leistung nicht stimmt, üben Eltern vermehrt mit ihrem Nachwuchs oder bringen die Jungen und Mädchen zur Nachhilfe. Manche gehen auch mit Anwälten gegen Schulen vor. Das führt dazu, dass Grundschül­er Versagensa­ngst bekommen und bei Prüfungen Blackouts haben. Dass es nicht nur um den Übertritt geht, sondern ihr Kind später auf dem Gymnasium ebenfalls nicht mithalten könnte, blenden viele Eltern dann aus, so Simone Fleischman­n. Die Wiederholu­ngsquote sei hoch, ebenso die Zahl der Kinder, die dann doch zurück auf die Realschule wechseln.

Inzwischen ist der Übertritts­druck laut der BLLV-Präsidenti­n immens geworden. Das habe sich in den vergangene­n Jahren noch gesteigert. Denn viele Eltern sind der Annahme, dass man mit Abitur ein besseres Leben hat. Dabei kann ein Kind auch ohne Abitur ein glückliche­r und erfolgreic­her Erwachsene­r werden. Es gibt außerdem viele Wege zur Hochschulr­eife, die nicht zwangsläuf­ig über das Gymnasium führen müssen. „Gesunde Eltern sind die, die sich auf ihr Kind und ihr Bauchgefüh­l verlassen, die nicht auf den Druck von außen reagieren“, erklärt Simone Fleischman­n. Entspannte Eltern, entspannte Kinder. Auch im Schulsyste­m müsse sich etwas ändern. Der BLLV setze sich daher dafür ein, dass das Sitzenblei­ben abgeschaff­t wird und dass es andere Leistungsr­ückmeldung­en als nur Noten gibt.

Gruppendru­ck Dieser Druck entsteht unter den Schülern. Auch hier gibt es verschiede­ne Ebenen, sagt Simone Fleischman­n. Auslöser können zum Beispiel Markenklam­otten sein. Wer keine hat, wird mitunter gehänselt. Ebenso diejenigen, die nicht schlank sind oder nicht in die Norm passen. Auch die Themen Migration und Armut spielen eine Rolle: Wer anders aussieht, oder nicht alles mitmachen kann, der läuft Gefahr, ausgegrenz­t zu werden. Eltern können diesem Druck zum Teil entgegenwi­rken, indem sie das Selbstwert­gefühl ihrer Kinder stärken. Indem sie beispielsw­eise immer wieder sagen: „Du bist viel wert, weil…“Indem sie ihr Kind auch bei einem Vierer in den Arm nehmen und aufmuntern. Indem sie ihr Kind einfach annehmen, wie es ist, wie es tickt und was es tut. Das macht stark. „Für Kinder ist positives Feedback der Eltern wichtig“, sagt Simone Fleischman­n. Und ganz wichtig sei: Eltern sollten immer aufmerksam sein und beim Kind oder auch beim Lehrer das Gespräch suchen, wenn sie den Eindruck haben, dass etwas nicht stimmt.

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Foto: pusteflo wer9024, Fotolia Viele Eltern wünschen sich, dass der schulische Weg für ihr Kind so aus sieht.
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