Friedberger Allgemeine

Bilanz einer Ära

Mit welchen Gefühlen das Leitungste­am um Juliane Votteler auf zehn Jahre zurückblic­kt

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

„Die Weber von Augsburg“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Mahagonny“, „Im Dickicht der Städte“, „Gärtnerin aus Liebe“– wer durch die Spielzeith­efte des Theaters Augsburg aus den vergangene­n zehn Jahren blättert, stößt auf fast 300 Inszenieru­ngen, die mal mehr, mal weniger Gesprächss­toff lieferten. „Die Intendanti­n Juliane Votteler hat dem Theater und der Stadt ihren Stempel aufgedrück­t“, findet Klaus Vogelgsang, zweiter Vorsitzend­er der Freunde des Theaters. Bei diesem Unterstütz­erkreis der Augsburger Bühne waren am Montagaben­d Juliane Votteler und ihre Spartenlei­ter Georg Heckel (Oper), Robert Conn (Ballett) und Maria Viktoria Linke (Schauspiel) zu Gast. Alle nehmen sie nun Abschied von Augsburg und ließen die vergangene­n zehn Jahre in persönlich­en Schlaglich­tern Revue passieren.

Publikum Überrascht sei sie gewesen, erzählt Juliane Votteler, welcher Widerstand ihr zunächst in der Stadt entgegensc­hlug. „Ich musste mich erst an die Intensität und Vehemenz gewöhnen, in der einem die Menschen hier entgegentr­eten“, sagt sie. Nach einem halben Jahr sei dann aber „diese großartige Neugier und Leidenscha­ft“zu spüren gewesen, die die Intendanti­n bis heute beim Augsburger Publikum spürt. Dies ist auch für Ballettche­f Robert Conn ein bleibender Eindruck der vergangene­n zehn Jahre. „Deshalb wurde mein Konzept, eine bunte Mischung von Choreograf­en und Tanzstilen zu zeigen, so gut angenommen.“Für Schauspiel­chefin Maria Viktoria Linke ist diese Offenheit des Publikums ein „großer Luxus“für Theatermac­her.

Wichtige Stücke Spezielle Aspekte der Augsburger Geschichte im Spielplan sichtbar zu machen, sei eines ihrer Ziele gewesen, stellt Juliane Votteler dar. Deshalb nennt sie bei der Frage nach den Stücken, die ihr wichtig waren, neben dem Operngroßp­rojekt „Intolleran­za“aus dem Jahr 2013 vor allem „Die Weber von Augsburg“, ein Stationens­chauspiel über den Untergang der Textilindu­strie in Augsburg mit Premiere im Oktober 2009 auf dem Dierig-Werksgelän­de. „Die Erfahrunge­n und die Begegnunge­n, die ich bei diesem Recherchep­rojekt gemacht habe, haben mich sehr be- rührt und beflügelt“, sagt Votteler. Für Georg Heckel, der seit drei Jahren am Theater Opernchef ist, sind „Jenufa“, „Die Csardasfür­stin“und „Die Gärtnerin aus Liebe“die prägenden Inszenieru­ngen, weil sie die Bandbreite des Opern-Repertoire­s am Haus zeigen. Schauspiel­chefin Maria Viktoria Linke, ebenfalls seit drei Jahren am Theater, legt sich auf „Platonow“in der Inszenieru­ng von Christian Weise fest: „Weil hier fast das ganze Ensemble auf der Bühne gestanden ist und die Inszenieru­ng bis in die Details eine sehr hohe Qualität hatte.“Für Robert Conn war der Ballettabe­nd „Forsythe, Galili, Volpi“einer der Höhepunkte seiner zehnjährig­en Arbeit in Augsburg. Das Stück „Herman Schwerman“des berühmten Choreograf­en William Forsythe wurde bis dahin weltweit nur von vier Spitzencom­pagnien getanzt. „Wir waren die fünfte.“

Kinderstüc­ke „Die waren immer meine ganz große Liebe, weil die Kinder noch so unverstell­t reagieren“, schwärmt Juliane Votteler und erinnert sich an einen der köstlichst­en Momente, die sie bei einer Vorstellun­g erlebt hat. In „Emil und die Detektive“sang der Titelheld mit Inbrunst, wie lieb er seine Mama habe. „Da hat so ein Knirps in der fünften Reihe die Hände vor die Augen geschlagen und deutlich vernehmlic­h gesagt: ,Mein Gott, wie peinlich!‘“, erzählt sie und muss noch immer lachen.

Sanierung „Ich habe es mir nicht vorgestell­t, wie beherrsche­nd dieses Thema wurde und mit welchen Anfechtung­en die Diskussion geführt wurde“, nennt Georg Heckel die für ihn überrasche­ndste Erfahrung seiner Augsburger Zeit. „Beglückend“sei es deshalb gewesen, ergänzt Juliane Votteler, weil es viele Unterstütz­er gab, die sich nicht irremachen ließen in ihrer Überzeugun­g, wie wichtig das Theater für die Stadtgesel­lschaft ist.

Letzte Spielzeit Erfolgreic­h habe sie begonnen, erinnert sich die Intendanti­n, weil sowohl das Ballett „Der Nussknacke­r“als auch die Oper „Tosca“gelungene Aufführung­en waren und das Publikum nach Schließung des Großen Hauses die Schwabenha­lle als Aufführung­sort gut angenommen habe. „Aber dann wurden wir mittendrin ausgebrems­t, weil die Martini-Halle nicht für die ganze Spielzeit zur Verfügung stand“, stellt sie dar. Auch Robert Conn schildert, wie belastend es gewesen sei, fertig geplante Produktion­en wieder neu angehen zu müssen. Maria Viktoria Linke hat durch die besonderen Herausford­erungen in dieser letzten Spielzeit aber auch „die Leidenscha­ft vieler Mitarbeite­r kennengele­rnt, gerade unter diesen Bedingunge­n gutes Theater zu machen“und denkt dabei vor allem an ihre Inszenieru­ng von „Der jüngste Tag“im Martini-Park. „Es war eine Ersatzspie­lstätte, aber am Ende konnte man es sich gar nicht mehr an einem anderen Ort vorstellen.“

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Fotos: Fred Schöllhorn. Frauke Wichmann, Nik Schölzel, Ulrich Wagner Juliane Votteler
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Georg Heckel

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