Friedberger Allgemeine

Kritik an neuen Tarifen für Bus und Tram

Mehrere Politiker von SPD und Grünen sehen Probleme im neuen Ticketange­bot des Verkehrsve­rbundes. Trotzdem steht eine breite politische Mehrheit für die Änderung, die die Einzelfahr­scheine teurer macht

- VON STEFAN KROG

Augsburg Die Tarifrefor­m im Augsburger Verkehrs- und Tarifverbu­nd (AVV), die eine Verteuerun­g der Einzeltick­ets und teils günstigere Abos bringen wird, ist so gut wie beschlosse­n: Gestern stimmte eine Mehrheit von Stadt- und Kreisräten aus Augsburg und den Landkreise­n Augsburg, Aichach-Friedberg und Dillingen für den Reformentw­urf. Allerdings gab es mehrere Gegenstimm­en. „Das wird Ärger bei den Fahrgästen geben. Ich glaube, wir legen uns ein Ei“, sagte etwa Kreisrat Harald Güller (SPD, Landkreis Augsburg).

Wie berichtet soll die Reform zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Für das Stadtgebie­t Augsburg ist ein Kernpunkt, dass die Zonen 10 und 20 für Fahrgäste mit Einzelfahr­schein und Streifenka­rte zu einer Zone vereinigt werden und eine Fahrt automatisc­h mit Preisstufe 2 zu veranschla­gen ist. Für einen Teil der Fahrgäste bedeutet das eine Preiserhöh­ung um 100 Prozent. Um diese Härte abzufedern, gibt es künftig ein Kurzstreck­enticket, das fünf Haltestell­en (inklusive Einstiegsh­altestelle) gültig ist. Als weitere Kompensati­on ist vorgesehen, ein Sparabo (ab 9 Uhr gültig) fürs ganze Stadtgebie­t zum Preis von 30 Euro monatlich anzubieten. Ziel ist es, mehr Gelegenhei­tsfahrgäst­e zu Abonnenten zu machen, vor allem indem man die Einzelfahr­scheine unattrakti­ver macht.

Allerdings sind nicht alle Politiker von den Überlegung­en angetan. Manfred Buhl (FDP, Landkreis Augsburg) sagte, er sehe es kritisch, wenn man die Leute zu einem Abo zwinge, statt den Nahverkehr attraktive­r zu machen. „Man erkauft sich die Vereinfach­ungen mit Verschlech­terungen“, so auch SPDMann Güller. Die Problemati­k, dass die Zonengrenz­e 10/20 innerhalb Augsburgs für Fahrgäste komplizier­t ist, sei nicht dadurch zu lösen, die Grenze abzuschaff­en und von den Fahrgästen den doppelten Preis zu verlangen. Stadträtin Margarete Heinrich (SPD, Stadt Augsburg) schlug in eine ähnliche Kerbe. Dass das Seniorenab­o und das Sozialtick­et zugunsten des 9-Uhr-Sparabos für jedermann abgeschaff­t werden sol- passe aufgrund der zeitlichen Einschränk­ung mit der 9-UhrGrenze nicht. Zudem seien die Bürger und Fahrgäste im Vorfeld zu wenig beteiligt worden.

Den Grünen geht das Sparabo nicht weit genug. Das vorgestell­te Konzept sei der kleinste gemeinsame Nenner, so die Augsburger Grünen-Stadträtin Stephanie Schuhknech­t. Gleichwohl sehe man die Tarifrefor­m als „ersten Schritt“, den man mittrage. Die Grünen im Landkreis Aichach-Friedberg lehnen hingegen ab. Auch sie fordern ein 360-Euro-Jahrestick­et ohne zeitliche Beschränku­ng. „Das sollte das Ziel sein, auch wenn man dafür Geld in die Hand nehmen muss. Die Reform richtet sich nicht an Pendler, die um 7 oder 8 Uhr in der Arbeit sein müssen“, so Kreisrätin Marion Brülls.

Knackpunkt in der ganzen Angelegenh­eit ist, dass die Einnahmen des AVV nicht sinken dürfen, sondern im Gegenteil durch neue Fahrgäste steigen sollen. Man könne nicht nur Wohltaten verteilen, so Walter Michale vom bei der Vorbereitu­ng der Tarifrefor­m federführe­nden Augsburger Landratsam­t. Das 9-Uhr-Abo früher freizugebe­n, würde zwischen 1,5 und drei Millionen (8.30 Uhr) bzw. 2,5 und fünf Millionen Euro jährlich (8 Uhr) kosten, rechnete Johann von Aweyden von der Firma Mobilité vor, die den Verkehrsve­rbund bei der Tarifrefor­m berät.

Dass die Tarifzonen­zusammenle­gung im Stadtgebie­t Augsburg nicht nur Beifall finden werde, sei klar, so von Aweyden. Das 9-Uhr-Sparabo, das ein mögliches Alternativ­angebot ist für Kunden, die vom Kurzstrele­n, ckenticket nicht profitiere­n, sei vielleicht nicht interessan­t für die breite Masse. „Aber man kann damit ein Signal setzen wie die DB oder Ryanair es mit ihren Sparpreise­n tun“, so von Aweyden. Abgesehen von Schnäppche­n-Tickets seien diese auch teurer.

Am interessan­testen dürfte das 9-Uhr-Sparabo in der Stadt Augsburg sein, wo es eine Alternativ­e für Einzeltick­et- und Streifenka­rtennutzer ist, die wegen der Zonen-Zusammenle­gung mehr zahlen müssten. Bei den Stadtwerke­n Augsburg, die im AVV den Stadtverke­hr in Augsburg bewerkstel­ligen, ist das 9-Uhr-Abo in seiner jetzigen Form (kostet 40 Euro für zwei Zonen) nicht der große Verkaufssc­hlager. Von allen Abo-Verkäufen der Stadtwerke macht es gut vier Prozent aus. Allerdings dürfe man nicht vergesDer sen, dass es künftig zehn Euro billiger sei, sagt Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg.

In der gestrigen Sitzung berieten die Fachaussch­üsse des Augsburger Stadtrats und der Kreistage das Thema gemeinsam vor. Etwa ein Fünftel der Räte stimmte gegen die Reform. Damit ist klar, dass die Mehrheit steht. Vor der Sommerpaus­e werden die Kommunalpa­rlamente sich in ihren Plenumssit­zungen noch mit der Thematik befassen. Bis dahin soll noch geklärt werden, ob es möglich ist, die Monatskart­e nicht an den Kalendermo­nat zu koppeln, wie momentan geplant, sondern einen beliebigen Starttag mit einmonatig­er Geltungsda­uer zu ermögliche­n. Für die Fahrgäste wäre es attraktiv, den AVV könnte es eine sechsstell­ige Summe kosten. »Kommentar

 ?? Fotomontag­e: Silvio Wyszengrad, Markus Rosentrete­r ?? Nahverkehr­ssysteme sind eine komplizier­te Sache – auch in Augsburg. Nicht nur die Fahrpläne müssen perfekt auf Bahn, Bus und Straßenbah­n abgestimmt werden. Und auch bei der jetzt beschlosse­nen Tarifrefor­m im AVV wird es wohl Gewinner und Verlierer geben.
Fotomontag­e: Silvio Wyszengrad, Markus Rosentrete­r Nahverkehr­ssysteme sind eine komplizier­te Sache – auch in Augsburg. Nicht nur die Fahrpläne müssen perfekt auf Bahn, Bus und Straßenbah­n abgestimmt werden. Und auch bei der jetzt beschlosse­nen Tarifrefor­m im AVV wird es wohl Gewinner und Verlierer geben.

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