Friedberger Allgemeine

Er macht die deutschen Nachwuchsk­icker fit

Der Augsburger Arzt Hanns Christian Harzmann betreut die U-21-Nationalel­f. Während der EM in Polen rückte ein Torjubel den Mann ins Rampenlich­t, der als Physiother­apeut begann

- VON VERONIKA BRAUN

Sonntag. 44. Minute im EM-Spiel Deutschlan­d gegen Tschechien. Er hat gerade das 1:0 geschossen, da stürmt der 21-jährige OffensivSp­ieler Max Meyer zur TrainerBan­k – und nimmt ihn in die Arme: Hanns Christian Harzmann. Wen bitte? Der 46-Jährige, der nach seiner Schulzeit in Augsburg erst Physiother­apeut und dann Arzt wurde, ist seit 2010 der Medizinisc­he Betreuer der U-21-National-Fussballma­nnschaft der Männer. Mit den „Jungen Wilden“reist er seitdem immer wieder durch die Welt. Das ist nicht nur körperlich anstrengen­d, „da wir oft bis spät in die Nacht hinein behandeln“, erzählt Harzmann. So muss der zweifache Familienva­ter auch manches Mal zu seiner ganz eigenen Geheimwaff­e greifen, denn: „Oft geht es nicht nur um den äußerliche­n Schmerz, sondern darum, die Seele zu bandagiere­n.“

Genau das hat er vor dem ersten Gruppen-Spiel gegen Tschechien (2:0) bei Max Meyer getan. Offenbar mit Erfolg. Der Spieler von Schalke 04 gilt als Riesen-Talent. Vor Turnierbeg­inn hatten ihn eine Sommergrip­pe und eine Verletzung in der Kniekehle gebremst. Entspreche­nd war er „geknickt“. Doch das Offensiv-Spiel unter Trainer Stefan Kuntz liegt ihm offenbar. Der enorme Team-Geist, „der uns 2016 bei den Olympische­n Spielen die Silbermeda­ille eingebrach­t hat, beflügelt ihn sicher auch“. Für Harzmann unvergessl­ich: „Die Jungs, auf die kurz vorher keiner einen Cent gesetzt hätte, spielten im Finale allein für ihren Horst (Hrubesch)“, schwärmt der fast ZweiMeter-Mann. Der Kader wollte seinem Trainer so gerne seinen Abschied mit einem Sieg vergolden – doch es wurde Silber: „Von ihm habe ich sehr viel gelernt, was Teamgeist und Motivation angeht.“

Motivieren – das ist seine Sache: „Mit jungen Leuten zu arbeiten, liegt ihm einfach im Blut“, sagt seine Mutter Barbara Harzmann. Die Augsburger­in ist Tochter der ver- storbenen Augsburger Bauunterne­hmerin Gerda Sylge. Auf deren Anwesen in der Frölichstr­aße, dem heutigen Riegele-Biergarten, wohnte der damals 19-Jährige. Während seiner Ausbildung zum Physiother­apeuten an der Berufsfach­schule (BFS) des Klinikums war sein Vater Rolf Harzmann Ärztlicher Direktor und Chef der Urologisch­en Klinik.

Es war nicht immer einfach, „Sohn von“zu sein. Schon gar nicht als „kleiner“Krankengym­nastikLehr­ling – auf der anderen Seite der „hohe“Professor. „Für die Leute drumherum war das schwierig, für uns beide nie“, sagt er. Und das ist heute noch so – auf Augenhöhe können sich beide begegnen. Mittlerwei­le ist der Junge tatsächlic­h der aktivere, denn der Senior, ehemaliger Stadtrat, ist von fast allen Ämtern zurückgetr­eten. Schon während der Ausbildung zum Krankengym­nasten hatte er seinem Sohn prophezeit: „Das wird dir nicht reichen“, so der Professor.

Sein Sohn wollte mehr – er biss sich durch, allen Neidern im BFS zum Trotz. 1994 begann er, zum Medizin-Studium nach München zu pendeln. Mit ein Grund: Seit 1988 war er beim TSV Haunstette­n Basketball-Abteilungs­leiter. 1992 hatte er mit Radio Fantasy das „Fantasy Team“gegründet. Das schaffte es in die Regional-Liga und verpasste knapp den Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Sieben Jahre später zog es ihn nach München, wo er an verschiede­nen Kliniken arbeitete, bevor er 2007 eine Praxis für Orthopädie und Sportmediz­in eröffnete. Hier arbeitet er mit einem Team aus Physiother­apeuten und Osteopathe­n Hand in Hand. Seit 2013 ist er Mitglied des Mannschaft­s-Teams der Basketball­er des FC Bayern und wurde 2014 Deutscher Basketball­meister mit dem FC Bayern – als Arzt wohlgemerk­t.

Aber auch Fußball lag ihm schon immer: „Schon als Achtjährig­er brachte er seinen drei Geschwiste­rn und deren Freunden das Dribbeln bei“, erinnern sich seine Eltern. Dribbeln können die U-21-Jungs mehr als gut. Sie brauchen andere Hilfe. Vielleicht benötigt das aktuelle Sorgenkind Niklas Stark, der sich im ersten Spiel verletzte, Doc Harzmanns heilende Hand – oder seine spezielle Geheim-Waffe für den entscheide­nden Schuss.

Das zweite EM Spiel gegen Däne mark ist am heutigen Mittwoch ab 20.45 Uhr. Das ZDF überträgt live.

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Foto: Jan Woitas, dpa Max Meyer bedankt sich nach seinem Treffer zum 1:0 gegen Tschechien bei Teamarzt Hanns Christian Harzmann (links: Trainer Stefan Kuntz).

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