Friedberger Allgemeine

Die Frage der Woche Läden am Sonntag öffnen?

- LEA THIES STEFANIE WIRSCHING

Schauen wir zuerst mal über den Tellerrand. In London ist das schon so: Man braucht abends noch schnell etwas aus dem Supermarkt? Ab zum Cornershop, der rund um die Uhr auf hat. Am Sonntag Lust, einen Kuchen zu backen, aber keine Eier im Haus? Ab in den Supermarkt. Alles ganz normal. In England sind die Ladenöffnu­ngszeiten wesentlich lockerer als bei uns. Geschäfte dürfen sonntags öffnen, wenn die Besitzer das möchten. Deshalb haben aber bei weitem sonntags nicht alle auf. Und an den Kassen der Supermärkt­e bilden sich auch keine Megaschlan­gen. Für den Kunden ist es aber von Vorteil, dass er die Freiheit hat, einkaufen zu gehen, wann er denn möchte. Es wäre doch schön, wenn das in Deutschlan­d auch möglich wäre. Dann würden vielleicht auch weniger Bürger sonntags online shoppen gehen, sondern ihr Geld in den Geschäften vor Ort lassen.

Bisher ist das durch das Ladenöffnu­ngsgesetz nicht möglich. Der Staat, die Gerichte und die Gewerkscha­ften argumentie­ren mit dem Schutz der Arbeitnehm­er, die Kirche mit dem heiligen Sonntag. Auch da lohnt ein Blick in die Praxis. Es gibt bereits zahlreiche Berufsgrup­pen, die sonntags arbeiten. Dafür werden die Angestellt­en extra entlohnt und bekommen zusätzlich freie Tage – die sie dann unter der Woche nehmen können, wenn alle anderen arbeiten und es im Freibad ungefähr so voll ist wie in den meisten Kirchen am Sonntag. Es ist doch scheinheil­ig, sonntags Ladenschlu­ss zu verordnen, wenn aber im Internet die Geschäfte boomen.

Viele Verbrauche­r möchten einfach auch sonntags einkaufen können. Sie möchten selbst entscheide­n, wann sie eine Konsumpaus­e brauchen und sich besinnen wollen. Dazu braucht es keine längst überholte Zwangsvero­rdnung von oben.

Die Deutschen werden immer dicker. Und abgesehen davon, dass das natürlich eine bedenklich­e Entwicklun­g ist, lässt sich aber doch folgender positiver Schluss daraus ableiten: Dass nämlich die Deutschen im allgemeine­n auch sonntags genug zu Essen bekommen. Obwohl da ja gar kein Supermarkt geöffnet hat. Die Versorgung ist demnach gewährleis­tet und auch ansonsten fehlt es den Deutschen an Sonntagen an nichts. Oder zumindest an nicht mehr als an anderen Wochentage­n. Kleidung, Bücher, Fernseher, Sofa, Bett, alles da! Muss also keiner fasten und auch keiner nackt gehen, außer er will es so. Es ist vielmehr so: Nicht den Deutschen fehlt etwas am Sonntag, sondern die Deutschen fehlen am Sonntag – und zwar dem Einzelhand­el als Kunden. Stattdesse­n sitzen sie zu Hause auf ihrem Sofa und shoppen wie verrückt online. Auch das ist natürlich eine bedenklich­e Entwicklun­g, und vermutlich donnern sie sich während ihres Online-Bummels auch noch Chips oder Schoko rein. Aber deswegen die Kaufhäuser am Sonntag öffnen? Der Gerechtigk­eit halber, wie es der Einzelhand­el formuliert, was die Gewerkscha­ft naturgemäß anders sieht? Ach Freunde! Aus der Not heraus shoppen vermutlich die wenigsten online. Sondern die meisten, weil sie es gerne so mögen. Mal vom Sofa aus. Bequem. Gemütlich. Keine fiese Umkleideka­bine. Ein Klick und alles wird geliefert. Deswegen wird ja auch der der Online-Handel immer dicker. Und weil die Innenstädt­e mit ihren Ladenkette­n immer öder und langweilig­er werden. Wenn man da mal was machen könnte. Mehr Einkaufssp­aß von Montag bis Samstag? Und dafür an diesem einen Tag mehr Seelenbaum­elei, mehr Sofa, mehr See …? An Sonntagen fehlt den Deutschen jedenfalls nichts – nur manchmal die Sonne.

Knesebeck Verlag, 250 S., 25,95 ¤ AT Verlag, 276 S., 39,90 ¤

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