Friedberger Allgemeine

„Ich wollte nie dünn sein“

Sie sagt: „Auch eine fette Frau darf stolz auf ihren Körper sein.“So wurde Beth Ditto zur Pop-Ikone. Jetzt ist sie zurück – auch mit Mode

- Fotos: dpa, Sony:

Sie haben Ihre zweite Modekollek­tion in Übergrößen vorgestell­t, und jetzt kommt nach fünf Jahren Veröffentl­ichungspau­se und dem Ende der Band Gossip Ihr erstes Soloalbum. Nach Faulsein sieht das nicht aus. Beth Ditto: Rumgammeln kann ich nur in der Theorie. Ich fühle mich besser, wenn ich in Arbeit ertrinke. Das Tollste ist: Ein neues Hobby habe ich auch.

Ditto: Häkeln! Ich kann jetzt häkeln wie eine Weltmeiste­rin. Echt wahr. Ich habe uns den ganzen Hausstand gehäkelt, Schals, Mützen, Sweater, eine warme Decke. Ich kann alles häkeln. (auf Deutsch): I häkel it. Ditto: Yeah. Sex, Leidenscha­ft und Energie. Wow. Das ist genau das, was ich erreichen wollte (rückt näher). Komm, lass uns endlich häkeln! Ditto: Ja. Wir sind nett, warm, freundlich, liebenswür­dig… – und verdammt laut. Beschreibe­n Sie sich da gerade selbst? Ditto: Bin ich nett? Oder doch eher furchtbar? Bin ich peinlich? Ich wette. Wir sind nicht sehr fein und vornehm, dafür haben wir ein großes Herz. Ditto: Das ist alles richtig, aber das ist nicht das erste, woran ich denke. Ich denke lieber an die schönen Sachen. An die Musik, die Kultur, das Essen, die großen Familien. Bei uns im Süden lachen alle so laut wie ich. Aber die Schattense­iten kann man nicht weg reden. Wir waren arm, und wir waren wirklich viele. Ich habe heute früh noch versucht, alle meine Neffen und Nichten aufzuzähle­n. Ich kenne die alle, aber ich weiß gerade nicht, wie viele es sind. Gerade erst ist wieder einer zur Welt gekommen. Ditto: Ja, ich verließ Arkansas, so schnell ich konnte. Es gab so vieles auf der Welt, das ich unbedingt sehen wollte. Und Arkansas ist echt eine komische Ecke. Es ist sehr rassistisc­h, nicht sehr divers, nicht besonders tolerant, die Menschen haben kein Interesse, sich zu entwickeln. Homosexual­ität wird von vielen als Sünde empfunden. So nach dem Motto: „Gott mag es nicht.“Die Schönheit meiner Heimat ist herrlich, aber die dunkle Seite des Südens ist wirklich stockfinst­er, so hoffnungsl­os. Man will diesem Dunkel nicht zu nahe kommen. Ditto: Ja, ja, ich sage immer zu meiner Frau, wenn sie mich ärgert: Weißt du eigentlich, wen du hier vor dir hast? Model, Schauspiel­erin, Sängerin, Songwriter­in, Autorin, Tochter, Köchin, Mutter… – ich bin das gesamte Paket (lacht).

Mutter?

Ditto: Okay, vielleicht bald. Ditto: Das hat sich etwas verschoben. 38 ist das neue Ziel. Vielleicht auch erst 40. Ja, ich glaube, das wird wohl erst mit 40 passieren. Ditto: Ich will den Leuten einfach aufzeigen, dass sie sein können, wie sie wollen. Dass sie fühlen und empfinden können, was immer sie möchten. Es gibt Optionen! Ich bin fett, ich bin lesbisch, ich bin für viele kaum zu ertragen. Aber hier sitze ich. Klar, nicht alle Menschen können so sein wie ich, ich war immer irre selbstbewu­sst, es hat mich nie gestört, dick zu sein, ich wollte nie einen anderen Körper haben. Dünn sein macht dich nicht zu einem glückliche­ren Menschen, das ist meine Überzeugun­g. Rede ich zu viel?

Ditto: Also, ja, ich will die Welt verbessern. Wir haben diese Lagerfeuer-Regel, sie besagt: Du sollst das Feuer in einem besseren Zustand verlassen, als du es vorgefunde­n hast. Sagt ihr das in Deutschlan­d auch?

So ähnlich. Wir sagen, du sollst das Feuer genauso verlassen, wie es am Anfang war. Das reicht uns. Ditto: Hahaha. So sind die Deutschen. Je älter ich werde, desto mehr geht es mir darum, die Menschen zu inspiriere­n, ihre Einsichten zu verändern. Ich bin nicht perfekt, nicht alles klappt, aber ich hoffe, ich mache insgesamt einen guten Job. Ditto: Ich hoffe, dass ich neue Horizonte eröffnen und Anstöße geben kann. Du musst dich nicht verstecken, weil du dick bist. Meine Mode ist selbstbewu­sst, extroverti­ert, sie verhüllt dich nicht, sie zeigt dich. Sie sagt: „Das ist mein Körper, und er ist schön.“Auch eine fette Frau darf stolz auf ihren Körper sein dürfen. Ditto: Ich bin nirgendwo die Beste, aber ich bin eine Laberin. Ich quatsche die Leute voll mit meinem Zeug. Und ich bin eine Kümmerin. Eine Liebende. Ich umsorge die Menschen, sie sollen zu mir kommen, wenn sie Liebe oder auch nur in den Arm genommen werden wollen. Meine Mum war auch schon immer so ein Mensch. Alle kamen zu ihr nach Hause und weinten sich bei ihr aus. Wenn was passierte, war meine Mutter der Fels in der Brandung, immer stabil, sie hat niemanden abgewiesen. Mum ist ein Kissen! Ditto: Als wir auf Hawaii heirateten, war die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe noch nicht offiziell legal, deshalb holten wir das nach – am letzten Tag des Jahres, wegen der Steuern. Spießig, ich weiß, egal. Meine Frau kommt aus Hawaii, die Feier dort war richtig schön und herrlich und ausschweif­end.

Ditto: Etwas komplett anderes. Mir egal, was die anderen sagen, ich fand es eine richtig große Umstellung.

Ditto: Trotzdem. Es ist weder besser noch schlechter. Es ist einfach anders. Wenn du verheirate­t bist, merkst du echt, dass du erwachsen bist. Und du kapierst, dass das Leben eine endlose Aneinander­reihung von Kompromiss­en ist. Und das ist gut.

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 ?? Vor zehn Jahren wurde die am 19. Februar 1981 gebo rene, in einer Wohnwagens­iedlung in Arkansas/USA aufgewachs­ene Mary Beth Patterson zum Star – unter dem Namen Beth Ditto als Frontfrau der Pop Gruppe Gossip, zuerst nur in England, mit dem Hit „Heavy Cros ?? Ihre Karriere
Vor zehn Jahren wurde die am 19. Februar 1981 gebo rene, in einer Wohnwagens­iedlung in Arkansas/USA aufgewachs­ene Mary Beth Patterson zum Star – unter dem Namen Beth Ditto als Frontfrau der Pop Gruppe Gossip, zuerst nur in England, mit dem Hit „Heavy Cros Ihre Karriere

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