Der amerikanische Arbeitsmarkt steht so gut da wie lange nicht, Löhne und Gehälter steigen dennoch kaum
Arbeitslosenquote Mit zuletzt 4,3 Prozent (Juni 2017) haben die USA die niedrigste Arbeitslosenquote seit ei nem Jahrzehnt. Auch die Zahl der Menschen, die gerne mehr arbeiten wollen, aber keine Beschäftigung fin den, hat deutlich abgenommen. Der breitere Index der Unterbeschäfti gung fiel auf 8,6 Prozent.
Löhne und Gehälter Während sich Volkswirte darüber streiten, ob die US Wirtschaft damit bereits den Zu stand der Vollbeschäftigung erreicht hat oder kurz davor steht, besteht Einig keit bei der anhaltenden Verwunde rung über stagnierende Löhne und Ge hälter. Binnen Jahresfrist haben die um nicht mehr als 2,5 Prozent zugelegt. Bei einer Teuerungsrate von 2,4 Pro zent entspricht das einem Netto Zu wachs von gerade mal 0,1 Prozent. Experten machen darauf aufmerksam, dass diese Zahlen exakt denen von 2009 entsprechen, als die Arbeitslosig keit bei zehn Prozent mehr als dop pelt so hoch lag. Die Volkswirtin Tara Sinclair von der George Washington University sagt: „Arbeitgeber sollten nun eigentlich untereinander um Be schäftigte konkurrieren und die Ein kommen damit steigen lassen.“
Gründe Eine Erklärung dafür könnte die wachsende Ungleichheit bei der Verteilung der Zuwächse zwischen Spit zenverdienern und dem Rest der Be schäftigten sein. Der ehemalige Wirt schaftsberater Obamas, Jared Bern stein, meint, „es ist kein Zufall, dass die Reallöhne stagnieren und die wirt schaftliche Ungleichheit steigt“. Elise Gould vom Economic Policy Insti tut ist der Meinung, dass sich die Löhne von der Produktivität abgekop pelt haben. „Amerikaner, die heute im Schnitt 40 000 Dollar verdienen, müssten eigentlich 61 000 Dollar ha ben.“Eine andere Erklärung ist die dra matische Abnahme der Mitglieder zahlen bei den Gewerkschaften. Der Or ganisationsgrad fiel von 35 Prozent in den 1950er Jahren auf zuletzt rund zehn Prozent. Damit wird zugleich die Verhandlungsposition von Arbeit nehmern geschwächt. Darüber hi naus könnte es mehr versteckte Arbeits losigkeit geben, als die Zahlen nahe legen. Denn in den USA berechnet sich die Quote bezogen auf die Menschen, die aktiv versuchen, Arbeit zu finden. Wer die Jobsuche aufgegeben hat, taucht in der Statistik nicht mehr auf.
Aussichten Vieles deutet darauf hin, dass sich eine der längsten Wachs tumsphasen auf dem Arbeitsmarkt ver langsamt. Der Chefvolkswirt der Navy Federal Credit Union, Alan Mac Eachin, sagt, der Arbeitsmarkt blicke seit 2012 „auf eine unglaublich stabile Periode von stetigem, soliden Job wachstum zurück“. Dies sei in vielerlei Hinsicht „historisch“gewesen.
Thomas Spang