Friedberger Allgemeine

Die ganze Welt zu Gast im Schlafzimm­er

YouNow ist der neueste Schrei unter Jugendlich­en. Doch das scheinbar harmlose Netzwerk birgt Gefahren

- VON WILLIAM HARRISON

Aichach Friedberg Die 15-jährige Elisa sitzt in Hotpants und engem Oberteil auf ihrem lila überzogene­n Wasserbett und spielt mit ihrem Handy. Warum sie nicht in der Schule ist, will sie nicht verraten. Das blonde Haar trägt das Mädchen offen und ihre Pickel hat sie mit viel Schminke überdeckt. Auf den ersten Blick wirkt alles harmlos. Doch das Erschrecke­nde: Jeder kann mitsehen. Elisa sendet per Tablet live aus ihrem Kinderzimm­er in die Welt. Sie ist Mitglied bei YouNow, einer Onlineplat­tform, die es ermöglicht, Live-Videos ins Internet zu stellen. Tausende User weltweit sehen zu, wie Elisa auf ihrem Bett liegt. Sie kommentier­en sie im Chat, und einige beschämen sie. „Steh mal auf und zeig deinen Body“oder „Trägst du etwas drunter?“– das sind noch eher harmlose Kommentare.

Elisa ist nicht die Einzige: Auf einem weiterführ­enden Link entdeckt man den 14-jährigen Jonny, der im Muskelshir­t Gewichte stemmt, oder die 13-jährige Janine, die vor aller Welt ein Lied in die Kamera trällert. Aus ihrem Alter und ihrem Wohnort machen sie oft kein Geheimnis.

YouNow kann man als App oder am Computer herunterla­den oder sich ganz einfach per Facebook-Account anmelden. Seit Weihnachte­n ist die Mitglieder­zahl von YouNow in Deutschlan­d förmlich explodiert. Laut Philipp von Röder von YouNow Deutschlan­d ist der Anteil der deutschspr­achigen Nutzer in den vergangene­n beiden Monaten um 250 Prozent gestiegen. „Der Erfolg in Deutschlan­d kam überrasche­nd“, sagt er. YouNow war ursprüngli­ch als Plattform für Musiker und andere Kreativgei­ster jedes Alters gedacht. Doch es zeigt sich, dass vor allem die Jugend die Plattform nutzt, beschreibt von Röder den Hype. Mittlerwei­le verzeichne­t die Plattform allein in Deutschlan­d monatlich 16 Millionen Sendungen. Es entwickelt sich also zu einem Massenmedi­um der Jugend. Auch der Pädophilen? Denn einloggen kann sich bei YouNow jeder. Einzige Hürde: Man muss älter sein als 13 Jahre. Eltern sollten gewarnt sein.

Manuela Schwesig, bis vor Kurzem Bundesjuge­ndminister­in, forderte deshalb bereits: „YouNow hat dafür zu sorgen, dass das Angebot von Kindern nicht genutzt wird, und dass für Jugendlich­e geschützte Räume geschaffen werden, in denen sie nicht für alle sichtbar sind.“YouNow-Vertreter von Röder verspricht, dass das Medium in Zukunft seine Benutzer verstärkt kontrollie­ren wird: „Wir haben derzeit deutschlan­dweit zwölf Beobachter, die zweifelhaf­te User jederzeit von der Seite entfernen können. Diese Zahl werden wir aufstocken.“

Ulrike Wiedenfels von der Sicher-Stark-Stiftung, einer Organisati­on für bundesweit­en Kinderschu­tz, rät Eltern zur verstärkte­n Kontrolle des Internetko­nsums ihrer Kinder. Sie sollten ein Auge darauf haben, mit wem ihr Kind im Internet kommunizie­rt und welche Informatio­nen es preisgibt. Mit persönlich­en Informatio­nen sollten Nutzer im Netz vorsichtig umgehen, rät die Polizei. Man sollte Kontakte mit Leuten meiden, die unangenehm­e Nachrichte­n schicken.

Mehr Informatio­nen zur Sicherheit im Internet bei der Polizei unter www.polizei beratung.de

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Foto: picture alliance/dpa Minderjähr­ige surfen oft völlig ahnungslos im Internet und teilen private Informatio nen mit Fremden. Hier ist die Vorsicht der Eltern gefragt.

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