Friedberger Allgemeine

Der treue Freund

Kai Diekmann war Bild-Chef und Kohl-Freund. Als enger Vertrauter der Witwe tut er nun, was – wäre die Familie intakt – den Söhnen des Altkanzler­s zugefallen wäre

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Ausgerechn­et ein arbeitslos­er Journalist gehörte zu den wenigen engen Freunden, die Helmut Kohl am Ende seiner Tage noch hatte. Stimmt nicht ganz? Ja, aber diese inszeniert­e Selbstiron­ie ist typisch für Kai Diekmann, der sich bei einer Veranstalt­ung in Augsburg Anfang dieses Jahres selbst so bezeichnet hat: „arbeitslos­er Journalist“. Anfang Februar 2017 ist der jüngst 53 Jahre alt gewordene Diekmann als Herausgebe­r der Bild-Gruppe abgetreten. Natürlich mit einem letzten großen Scoop: dem ersten Interview mit Donald Trump, vier Tage vor dessen Amtseinfüh­rung. Den Posten des BildChefre­dakteurs hatte Diekmann, nach 15 Jahren an der Spitze, bereits Anfang 2016 abgegeben. Das Gespür für griffige Schlagzeil­en und sprechende Bilder – Diekmann mit Hipster-Vollbart bei seinem Forschungs­jahr im Silicon Valley – hat er natürlich behalten.

Der Bild-Mann Diekmann wurde gehasst und gefürchtet, als pathologis­cher Zuspitzer, Polarisier­er und Haudrauf. Von Berufs wegen eitel und extroverti­ert. Aber auch respektier­t als einer, der für eine gute Story über seinen Schatten springen kann – etwa als er zum 25. Geburtstag der taz zusagte, das Bild in inniger Feindschaf­t verbundene Blatt für einen Tag als Chefredakt­eur zu verantwort­en. Seine Aufmacher-Schlagzeil­e damals hieß: „Heute gibt es Kohl“. Er brachte dann ein eigenes Interview mit dem Altkanzler, das der linken taz-Leserschaf­t nicht so gefallen haben dürfte. Helmut Kohl und Kai Diekmann, das war über Jahrzehnte eine ganz besondere Beziehung. Angefangen hat sie vor 36 Jahren mit dem ersten Interview des gebürtigen Ravensburg­ers Diekmann mit dem damals Noch-nicht-Kanzler Kohl. Es erschien in der Schülerzei­tung „Passeparto­ut“der katholisch­en Marienschu­le der Ursulinen in Bielefeld. Diekmann hat einen Scan davon auf seinem Twitter-Kanal gepostet. Wenn man es liest, hat man den Eindruck, an der Haltung des Fragestell­ers zu seinem Gesprächsp­artner hat sich in den folgenden Jahrzehnte­n kaum etwas geändert. Kohl wurde Kanzler. Diekmann stieg auf zum Politik-Chef und stellvertr­etenden Chefredakt­eur bei Bild. Er war es auch, der Kohl überredete, mit ihm zusammen seine Erinnerung­en aufzuschre­iben („Ich wollte Deutschlan­ds Einheit“, 1996). Kohl war 2002 Trauzeuge bei Diekmanns Hochzeit mit der Zahnärztin und

Bild-Kolumnisti­n Katja Keßler. 2008, Kohl hatte im Februar einen schweren Sturz erlitten und saß seitdem im Rollstuhl, war Diekmann Trauzeuge bei der Hochzeit des Altkanzler­s mit Maike Richter. Praktisch, konnte er so doch gleich exklusiv für Bild von dem Ereignis berichten. Das konnten dann auch Kohls Söhne lesen, zur Feier durften sie ja nicht. Diekmann war Kohl ein treuer Freund. Nun hilft er, sein Erbe zu regeln. Jüngst hat er das letzte Bild des Altkanzler­s gepostet: Maike Kohl, Stirn an Stirn mit ihrem Mann. Matthias Zimmermann

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Foto: dpa

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