Friedberger Allgemeine

Eleganter Rauswurf

Papst Franziskus setzt seinen obersten Glaubenshü­ter Gerhard Ludwig Müller vor die Tür. Obwohl ihre Beziehung stets schwierig war, kommt die Entscheidu­ng überrasche­nd. Übertrieb es der Deutsche mit öffentlich­en Provokatio­nen?

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN Kardinal Müllers Karriere Der frühere Regensburg­er Bischof Gerhard Ludwig Müller, der seit 2012 die Glaubensko­ngrega tion in Rom leitete, gilt als konser vativer Hardliner. Er ist gegen die Zulassung zivil wiederverh­eirateter

Rom Es war die beinahe logische Folge einer von Beginn an komplizier­ten Beziehung: Am Samstag gab der Vatikan bekannt, dass der deutsche Kurienkard­inal und ehemalige Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, sein Amt als Präfekt der Glaubensko­ngregation abgeben werde. Damit verliert die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d ihren nominell wichtigste­n Mann im Vatikan. Müllers fünfjährig­e Amtszeit lief am Sonntag aus, Papst Franziskus verlängert­e das Mandat nicht. Als Nachfolger ernannte der Papst den 73 Jahre alten spanischen Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer, bislang zweiter Mann der Behörde. Ladaria gilt wie Müller als konservati­ver Theologe und wurde 2008 von Papst Benedikt nominiert. Wie es im Vatikan heißt, verspricht sich Franziskus von dem Prälaten aus Mallorca eine unauffälli­ge und lautlose Amtsführun­g.

Davon konnte bei Müller nicht die Rede sein, die Schwierigk­eiten zwischen Franziskus und seinem obersten Glaubenshü­ter nahmen stetig zu. Der gebürtige Mainzer war im Jahr 2012 noch von Papst Benedikt als Chef der Glaubensko­ngregation eingesetzt worden und galt als Verfechter der theologisc­hen Vorstellun­gen Joseph Ratzingers. Trotz der früh erkennbare­n Differenze­n bestätigte Franziskus Müller in seinem Amt und ernannte ihn 2014 auch zum Kardinal.

Im Vatikan wurden diese Gesten als Respekt des Papstes gegenüber seinem emeritiert­en Vorgänger interpreti­ert. Eine rasche Entmachtun­g hätte wie ein Affront gegenüber Benedikt XVI. gewirkt. Franziskus wählte nun die elegante Version des Rauswurfs, indem er die Amtszeit Müllers nicht verlängert­e.

Als Präfekt der Glaubensko­ngre- war Müller trotz eindeutige­r Differenze­n stets bemüht, seine Treue im Hinblick auf das Amt des Papstes kenntlich zu machen und dessen Wirken in der Tradition der Kirche hervorzuhe­ben. Mit der Amtsführun­g von Jorge Bergoglio hatte Müller hingegen unübersehb­are Probleme.

Die größte Belastungs­probe für das Verhältnis zwischen Franziskus und dem deutschen Cheftheolo­gen im Vatikan war die Veröffentl­ichung des Lehrschrei­bens „Amoris Laetitia“zu Liebe und Familie im März 2016. Während Müller als oberster Glaubenshü­ter und nominell engster theologisc­her Mitarbeite­r des Papstes die Kommunion für Katholiken in zweiter Ehe mehrfach strikt ausgeschlo­ssen hatte, lockerte Franziskus die Voraussetz­ungen. Das Thema ist kirchenint­ern von großer Bedeutung. Kritiker des Papstes befürchten, dass die bislang geltenden absoluten moralische­n Normen abgeschwäc­ht werden.

Gezielte Korrekturv­ersuche der von Müller geführten Glaubensko­ngregation am Lehramt von Jorge Bergoglio liefen ins Leere. Änderungsv­orschläge zu päpstliche­n Lehrschrei­ben wie „Amoris Laetitia“wurden ignoriert. Manche Erlasse, etwa die Reform der Ehenichtig­keitsverfa­hren, bekam die höchste theologisc­he Behörde des Papstes erst nach Veröffentl­ichung zu sehen.

Auf der anderen Seite wurde die Aussage des Kardinals, seine Aufgagatio­n be sei es, das Pontifikat „theologisc­h zu strukturie­ren“, im Umfeld von Franziskus als Affront aufgenomme­n. Die zahlreiche­n Interviews Müllers verschlech­terten das Verhältnis zunehmend. So äußerte der Kardinal etwa, für Katholiken sei die Reformatio­n angesichts der aus ihr resultiere­nden Kirchenspa­ltung „kein Grund zu feiern“. Da stand bereits fest, dass Franziskus zum Reformatio­nsjubiläum höchstpers­önlich zu einer ökumenisch­en Gedenkfeie­r in Schweden aufbrechen würde.

Zuletzt beschwerte sich Müller öffentlich über die Entlassung dreier von ihm geschätzte­r Mitarbeite­r der Glaubensko­ngregation durch Franziskus. Die Vatikanbeh­örde geriet Profil Biografie auch wegen des Umgangs mit Fällen sexuellen Missbrauch­s in die Schlagzeil­en. Die von Franziskus persönlich als Mitglied einer Kinderschu­tzkommissi­on des Vatikan nominierte Irin Marie Collins, selbst Missbrauch­sopfer, erklärte im März ihren Rücktritt. Als Grund nannte sie die Blockadeha­ltung der Glaubensko­ngregation bei der Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen. Müller bezeichnet­e sexuellen Missbrauch in der Kirche als „Einzelfäll­e“.

Erst vergangene Woche hatte Papst Franziskus einen weiteren ranghohen Kurienkard­inal beurlaubt. George Pell, Leiter des Wirtschaft­ssekretari­ats, soll sich wegen sexuellen Missbrauch­s in Australien vor Gericht verantwort­en.

 ?? Foto: Andreas Arnold, dpa ?? Kardinal Gerhard Ludwig Müller feierte gestern ein Pontifikal­amt im Mainzer Dom: Vom Nachfolger wünsche sich der Vatikan eine unauffälli­ge und lautlose Amtsführun­g, verlautet aus dem Kirchenzen­trum.
Foto: Andreas Arnold, dpa Kardinal Gerhard Ludwig Müller feierte gestern ein Pontifikal­amt im Mainzer Dom: Vom Nachfolger wünsche sich der Vatikan eine unauffälli­ge und lautlose Amtsführun­g, verlautet aus dem Kirchenzen­trum.

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