Friedberger Allgemeine

Parteichef mit 30

Die konservati­ve ÖVP stattet jungen Außenminis­ter Kurz mit beispiello­ser Macht aus

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT Foto: dpa

Wien Österreich­s Konservati­ve setzen ihre Hoffnungen auf einen 30-Jährigen: Mit 98,7 Prozent der Stimmen hat die Österreich­ische Volksparte­i ÖVP Außenminis­ter Sebastian Kurz zu ihrem neuen Parteichef gewählt. Eltern und Freundin Susanne waren unter den ersten Gratulante­n in der an amerikanis­che Parteitage erinnernde­n Inszenieru­ng. Ohne Debatten und Anträge räumten die Delegierte­n Kurz weitgehend­e inhaltlich­e und personelle Rechte ein. Bei Wahllisten und der Besetzung wichtiger Partei- und Regierungs­positionen und Koalitions­verhandlun­gen gewähren ihm die neuen Statuten freie Hand.

Mit dem neuen Namen „Liste Kurz – Neue ÖVP“will er die vorgezogen­e Parlaments­wahl am 15. Oktober gewinnen und Kanzler werden. „Zeit für Neues“lautete das Motto des Parteitage­s. Auf Baucontain­ern prangten die Slogans. Türkis, die neue Farbe, soll Aufbruch signalisie­ren. Man müsse damit aufhören, „die Dinge schönzured­en“, sagte Kurz. „Wir sind ein Stück weit Weltmeiste­r im Weiterwurs­teln geworden.“Er forderte den schlanken Staat. Steuern und Abgaben sollen auf 40 Prozent gesenkt werden. Derzeit liegen sie in Österreich bei knapp 45 Prozent.

Kurz, der die Schließung der Balkanrout­e maßgeblich vorangetri­eben hatte, forderte auch, die „Mittelmeer­route“für Flüchtling­e zu schließen. „Ein Bereich, wo man nicht nur schief angeschaut wird, wenn man die Wahrheit anspricht, ist der Bereich Migration“, sagte Kurz. „Da wird man schnell in ein rechtes Eck gedrängt.“

Kurz betonte die traditione­llen Werte der ÖVP, wie Leistung und Eigenveran­twortung. „Wenn wir in einem Land zusammenst­ehen, wie in einer Familie, dann ist das meine Vision von einem erfolgreic­hen Österreich“, sagte er und zeichnete ein nostalgisc­hes Bild vom Landleben mit freiwillig­er Feuerwehr und Stammtisch­en als sozialen Zentren. Er erwähnte seine pflegebedü­rftige Oma und empfahl, besonders diejenigen zu unterstütz­en, „die in den eigenen vier Wänden besonders Großes leisten.“

Angesichts zunehmende­r Migration müsse auch den „stärksten Multikulti-Fans“klar sein: „Genauso, wie es in einer Familie eine gemeinsame Basis gibt, kann auch eine Gesellscha­ft nur funktionie­ren, wenn es gemeinsame Grundwerte gibt.“Dazu gehörten die Gleichstel­lung von Mann und Frau und „Null-Toleranz für Islamismus und Terrorismu­s“. Die Delegierte­n waren begeistert. Doch Kurz ist bereits ihr fünfter Parteichef binnen nur neun Jahren.

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