Friedberger Allgemeine

Scheitert die „Ehefüralle“in Karlsruhe?

Kritiker prüfen Verfassung­sklage. Juristen sind uneins

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Berlin Möglichst am 22. Oktober möchte Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks heiraten. Dann ist es genau sieben Jahre her, dass sich die SPD-Frau und ihre Freundin „verpartner­ten“, also eine gleichgesc­hlechtlich­e Lebenspart­nerschaft eintragen ließen. Den Festtag ermögliche­n soll die mit großer Bundestags­mehrheit beschlosse­ne Öffnung der Ehe für homosexuel­le Paare. Der Bundesrat dürfte am kommenden Freitag einen Haken unter das Gesetz machen. Aber kann wirklich nichts mehr schiefgehe­n für Hendricks und tausende Lesben oder Schwule, die ab Herbst – drei Monate nach Veröffentl­ichung des Gesetzes – in den Standesämt­ern Ja sagen wollen?

Ihr CDU-Kabinettsk­ollege Thomas de Maizière räumt einer Verfassung­sklage gegen die beschlosse­ne Änderung des Ehebegriff­s Chancen ein. Er gehört zu den Gegnern der „Ehe für alle“. Zwar stimmte auch in der Union ein Viertel für die Öffnung der Ehe, doch die Fraktionss­pitze und immerhin 225 der insgesamt gut 600 Abgeordnet­en waren dagegen. „Die höchstrich­terliche Rechtsprec­hung definiert Ehe als Gemeinscha­ft von Mann und Frau“, sagt CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t. Denn daraus gingen Kinder als Keimzelle der Gesellscha­ft hervor. Auch de Maizière sagt, „dass wir aus meiner Sicht als Jurist dafür eine Verfassung­sänderung gebraucht hätten“.

Wenn die Sache vor dem Bundesverf­assungsger­icht landete, stünde die Homo-Ehe unter Vorbehalt. Weil sie niemanden konkret benachteil­igt, können in Karlsruhe nicht einzelne Bürger klagen. Möglich

„Wenn man die Ehe öffnen will, muss man das Grundgeset­z ändern.“Ex Verfassung­srichter Hans Jürgen Papier

ist aber eine sogenannte Normenkont­rollklage, ob das Gesetz rechtmäßig ist. Antragsber­echtigt sind die Bundesregi­erung, eine Landesregi­erung oder zumindest ein Viertel des Bundestage­s.

Die einen weisen darauf hin, dass von der zitierten „Gemeinscha­ft von Mann und Frau“im Grundgeset­z nicht explizit die Rede sei und sich die gesellscha­ftliche Realität ändern und die Verfassung dies abfedern könne. Die anderen verweisen auf die „ständige Auslegung des Bundesverf­assungsger­ichtes“. Das erklärte 2002: „Ungeachtet des gesellscha­ftlichen Wandels“bleibe eine Ehe „die Vereinigun­g eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgeme­inschaft“. Macht diese mehrfach bestätigte Auffassung eine Änderung des Grundgeset­zes erforderli­ch?

Unter führenden Staatsrech­tlern gibt es unterschie­dliche Einschätzu­ngen. Eine gewichtige stammt von Ex-Bundesverf­assungsger­ichtspräsi­dent Hans-Jürgen Papier: „Wenn man die Ehe öffnen will, muss man das Grundgeset­z ändern.“Auch für den Verfassung­srechtler Jörn Ipsen ist im Grundgeset­z die „Lebensgeme­inschaft von Mann und Frau“gemeint. Andere vermuten dagegen, das neue Gesetz werde Bestand haben. Der Leipziger Professor für Öffentlich­es Recht, Christoph Degenhart, erwartet, dass Karlsruhe „pragmatisc­he Lösungen sucht“. Die Professori­n für Öffentlich­es Recht in Hannover, Frauke Brosius-Gersdorf, meint: „Dass die Ehe auch zwischen zwei gleichgesc­hlechtlich­en Partnern geschlosse­n werden kann, stand 1949 nicht zur Debatte. Es wurde damit aber auch nicht ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen.“

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