Friedberger Allgemeine

Ändert die EZB bald den Kurs des billigen Geldes?

Anleger warten auf die Rückkehr zu steigenden Zinsen. Eine Aussage von Mario Draghi sorgte nun für Aufregung

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Entscheidu­ngen der Zentralban­ken können auf die Finanzwelt große Auswirkung­en haben. Umso sorgsamer wägen Zentralban­k-Vertreter wie EZB-Chef Mario Draghi ihre Worte ab. Und umso genauer horchen wiederum Beobachter in die Sätze hinein. In der vergangene­n Woche erregte Draghi mit einigen Sätzen großes Aufsehen. Einige Fachleute deuteten seine Aussagen so, dass die Europäisch­e Zentralban­k bald ihre Politik des billigen Geldes ändern könnte. Diese sorgt derzeit dafür, dass Sparer kaum Zins bekommen.

Hintergrun­d ist, dass die EZB nicht nur den Leitzins auf Null gesenkt hat. Die Notenbank versorgt die Banken auch mit zusätzlich­em Geld, indem sie Monat für Monat Anleihen von ihnen aufkauft, zum Beispiel Bundesanle­ihen, mit denen sich der deutsche Staat finanziert. Derzeit beträgt das Programm monatlich 60 Milliarden Euro. Experten zufolge müssen erst die Anleihenkä­ufe enden, bevor die EZB beginnen kann, Zinsen zu erhöhen. Zeichnet sich dies nun ab? Das reguläre Anleihekau­f-Programm läuft bis Ende 2017, kann theoretisc­h aber verlängert werden.

Als Begründung für ihre Politik des billigen Geldes führte die Zentralban­k stets die niedrige Inflation an. Ein Verfall der Preise schadet der Wirtschaft. Der Idealzusta­nd für die EZB ist deshalb eine Inflation von knapp unter zwei Prozent. Entscheide­nd waren jetzt die Sätze, die Draghi zur Eröffnung der jährlichen Notenbanke­n-Konferenz im portugiesi­schen Sintra sagte.

Der Italiener sprach dort von einer „graduellen Anpassung“der EZB-Politik. Er äußerte sich zudem zuversicht­lich zur Konjunktur in Europa, schließlic­h wächst nicht nur die Wirtschaft in Deutschlan­d, sondern auch in vielen Ländern im Süden. Und er erwähnte Faktoren, die die Preise steigen ließen. Dass die Inflation nach einem Sprung zum Jahresanfa­ng wieder leicht nachgegebe­n habe, müsse kein länger anhaltende­r Trend sein, so Draghi.

Der Chefvolksw­irt der italienisc­hen Großbank Unicredit, Marco Valli, erkannte darin einen ersten Schritt in Richtung eines Kurswechse­ls der EZB. Und in Deutschlan­d erhöhten Volkswirte den Druck, den Billiggeld-Kurs zu beenden, darunter Christoph Schmidt, der Chef der Wirtschaft­sweisen. „Es ist jetzt an der Zeit für die EZB, eine Strategie zu kommunizie­ren, wie sie sich zurückzieh­en wird aus dieser sehr expansiven Geldpoliti­k“, sagte er. „Es ist hohe Zeit für den Ausstieg“, forderte auch Wolfgang Kirsch, Chef der DZ-Bank, eines Zentralins­tituts der Volks- und Raiffeisen­banken. Die Äußerungen Draghis in Portugal machten Hoffnung, „dass die EZB die Glocken endlich läuten hört“, fügte Kirsch an.

Die Sätze Draghis mögen unspektaku­lär klingen, an den Finanzmärk­ten waren sie aber einschneid­end. Einige Börsen gaben spürbar nach, darunter der deutsche Leitindex Dax. Schließlic­h belasten steigende Zinsen die Unternehme­n, die Geldanlage an der Börse wird zudem weniger attraktiv. Der Euro legte im Vergleich zum Dollar dagegen spürbar zu. Ganz schien diese Entwicklun­g nicht im Sinne Draghis gewesen zu sein.

Bei der Europäisch­en Zentralban­k fühlte man sich missversta­nden, berichtete die Nachrichte­nagentur Bloomberg. Draghis Aussagen seien als ausgewogen­es Statement gedacht gewesen. Draghi habe zwar auf das Wachstum im Euroraum hingewiese­n, aber auch darauf, dass Hilfe durch die Notenbank notwendig bleibe. Tatsächlic­h hatte Draghi in Portugal betont, „Anpassunge­n müssen schrittwei­se gemacht werden – und nur, sofern die verbessert­e wirtschaft­liche Dynamik, die sie rechtferti­gt, hinreichen­d sicher ist.“

Finanzexpe­rte Robert Halver von der Baader Bank rechnet nun damit, dass die EZB das Programm nur in Trippelsch­ritten zurückfahr­en und wohl noch bis Ende 2018 Anleihen kaufen wird.

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Foto: Philip Mostert/Rand Refinery, dpa Mitarbeite­r mit Goldgranul­at in der Fa brik in Südafrika: Das Gold wird erst ver feinert, später werden Münzen geprägt.
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Mario Draghi

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