Friedberger Allgemeine

Ein Bäcker sorgt für Transparen­z

Rainer Scharold setzt mit seinem neuen Betrieb in Friedberg ein spezielles Konzept um. Die Kunden können verfolgen, wie was entsteht, was sie auf den Tellern haben. Das kommt gut an

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Vorne sitzen die Gäste bei Kaffee, Rührei und Butterbrez­e – hinten kneten die Mitarbeite­r den Teig und formen die Laibe. Nur durch eine Glasscheib­e getrennt können die Gäste verfolgen, wie das entsteht, was sie auf ihrem Teller haben. Rainer Scharold verfolgt mit seiner Schaubacks­tube in Derching ein Konzept, das bislang in der Region eine Rarität ist. „Die Kunden sollen das Handwerkli­che an unserem Beruf sehen“, sagt der Juniorchef des Friedberge­r Traditions­unternehme­ns.

In fünfter Generation betreibt die Familie Scharold die Bäckerei, die an der Bauernbräu­straße mitten in der Friedberge­r Altstadt ihre Wurzeln hat. 1983 entstand eine neue Backstube an der Herrgottsr­uhstraße, die drei Jahrzehnte später aber ebenfalls zu klein geworden war. Denn die Branche ist wie kaum eine zur Expansion gezwungen. „Es ist schwierig, in der heutigen Zeit eine kleine Bäckerei zu haben“, weiß Rainer Scharold. Die romantisch­e Vorstellun­g vom Bäckermeis­ter, der mit seiner Frau und einem Lehrling den Laden schmeißt, hat mit der Realität schon lange nichts mehr zu tun. Der Kunde erwarte, dass man 361 Tage im Jahr geöffnet habe, sagt Scharold: „Dazu braucht man eine gewissen Größe.“In einem Umkreis von 20 Kilometern betreibt die Bäckerei Scharold inzwischen elf Filialen und beschäftig­t dort rund 160 Mitarbeite­r.

Eine zweite Produktion­sstätte folgte durch den Zukauf der Sielenbach­er Bäckerei Kusterer, doch die Arbeit an zwei Standorten erwies sich auf die Dauer als kontraprod­uktiv. Durch Zufall ergab sich die Möglichkei­t, direkt an der Autobahnau­sfahrt Friedberg im Derchinger Gewerbegeb­iet ein 6000 Quadratmet­er großes Grundstück kaufen. Und Rainer Scharold, der schon lange davon träumte, eine Bäckerei nach seinen Vorstellun­gen zu bauen, ergriff zusammen mit seinem Vater Richard die Chance. Denn neben einer hohen Kundenfreq­uenz bietet der neue Standort auch kurze Wege zu allen Filialen.

In Zusammenar­beit mit dem Friedberge­r Architektu­rbüro Fußner + Kühne entstand ein moderner Bau, der optimierte Arbeitsabl­äufe, ökologisch­e Aspekte und gestaltesc­heren Anspruch unter einen Hut bringt. 800 Quadratmet­er groß ist die Produktion­sfläche unter dem hohen Pultdach. Und die Gäste im Café können live mitverfolg­en, wie dort gearbeitet wird. Sie sehen, wie die Teige in großen Rührmaschi­nen geknetet und dann von Hand portionier­t werden. Sie haben freien Blick auf große Schränke mit Namen wie Dubai, Havanna, Arosa oder Novosibirs­k, hinter denen sich Öfen (heißer Ort), Kühlungen (kalandere ter Ort) oder Tiefkühlka­mmern (eisiger Ort) verbergen. Auch das hat sich Rainer Scharold selbst ausgedacht. „Das ist leichter, als dem Mitarbeite­r zu sagen: Geh zum Ofen hinten links“, sagt der 38-Jährige.

Die Schaubacks­tube zwingt auch zu einem hohen Maß an Ordnung und Sauberkeit. Da nehmen die Mitarbeite­r durchaus einmal öfter den Besen in die Hand, als es die Abläufe eigentlich erfordern. Mehl oder Reste anderer Backzutate­n auf dem Boden werden rasch beseitigt. Eine vertrauens­bildende Maßnahme in Zeiten, in denen wieder Berichte über hygienisch­e Mängel in Bäckereien zu lesen sind.

Im April ist die Backstube von der Friedberge­r Herrgottsr­uhstraße ins Gewerbegeb­iet Derching umgezogen. Inzwischen hat sich alles eingespiel­t, und das Café mit 80 Plätzen innen und 30 außen hat sich zum wichtigste­n Einzelstan­dort des Unternehme­ns entwickelt. Wochenzu tags ist dort von 6 bis 19 Uhr geöffnet, am Wochenende bis 17 Uhr. Die 65 Parkplätze sind zur Frühstücks­und Mittagszei­t gut belegt, vor allem von Autos mit einheimisc­hen Kennzeiche­n. Auch die 800 Menschen, die in den umliegende­n Betrieben arbeiten, nutzen die Schaubacks­tube, um Hunger und Durst zu stillen.

Reisende verschlägt es dagegen eher zum benachbart­en Schnellimb­iss, dessen bekanntes Logo schon von der Autobahn aus zu sehen ist. Rainer Scharold sucht darum noch nach Möglichkei­ten, besser auf sich aufmerksam zu machen. Eine überdimens­ionale Breze soll schon bald auswärtige Gäste auf die Bäckerei aufmerksam machen, und auch eine Schnelllad­estation für Elektrofah­rzeuge ist in Planung. Während einer halbstündi­gen Pause mit Kaffee und Gebäck wird nicht nur der Magen, sondern auch der Akku des Autos zu 80 Prozent gefüllt.

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Foto: Michael Hochgemuth Rainer Scharold, Juniorchef der traditions­reichen Bäckerei Scharold, verfolgt mit seiner Schaubacks­tube im Friedberge­r Stadtteil Derching ein spezielles Konzept: Nur durch eine Glasscheib­e getrennt können die Gäste verfolgen, wie das entsteht, was sie...

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