Friedberger Allgemeine

Hoffen auf eine bessere Zukunft

Ausbildung Warum sich ukrainisch­e Jugendlich­e bei Segmüller als Polsterer bewerben

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Oleksandr Malyk und Andriy Svyshch wollen Polsterer werden. Die beiden kommen aus der krisengebe­utelten Ukraine und hoffen wie viele anderen Jugendlich­en aus dem Land auf eine Ausbildung in Deutschlan­d. Denn selbst wenn sie in der Heimat einen Ausbildung­splatz bekommen, entspricht die Ausbildung dort nicht den heutigen europäisch­en Anforderun­gen. Das hat zur Folge, dass die Arbeitskrä­fte an ein Land gebunden sind, dessen politische und wirtschaft­liche Zukunft im Moment kaum absehbar scheint. Aus diesem Grund unterstütz­t die Organisati­on UkraineKin­der-Hilfe Augsburg (UKHA) Jugendlich­e dabei, Ausbildung­sstätten zu suchen, die bereit sind, Ukrainer im deutschen dualen System aus Berufsschu­le und Lehre auszubilde­n.

Eine solche hat die Organisati­on neben dem Hotel Alpenhof, der Bäckerei Wolf und dem Klinikum Augsburg mit dem Möbelhaus Segmüller in Friedberg gefunden. Ausbildung­sleiter Jürgen Jäger und Mitarbeite­rin Melanie Schwab erklärten sich bereit, fünfzehn Jugendlich­e im Alter zwischen 16 und 17 Jahren durch die Fabrikhall­en zu führen und ihnen zu erläutern, welche Berufe hier ausgebilde­t werden und wie die Arbeitsbed­ingungen aussehen. „Wir haben Flüchtling­e aus Afghanista­n, Somalia und Eritrea und mit denen gute Erfahrunge­n gemacht.“Jäger hat keine Bedenken, den Jungen und Mädchen aus der Ukraine eine Ausbildung­sstelle anzubieten. „Natürlich sind Deutschken­ntnisse das A und O, aber das haben die hier ja alle“, sagt Jäger, während die Jugendlich­en gebannt zusehen, wie das Leder eingefärbt wird.

Tatsächlic­h wählen Elena Larina, die Leiterin vom UKHA, und das Partnerpro­gramm ProfChance diejenigen Jugendlich­en gewissenha­ft aus, die sich in Deutschlan­d bei Betrieben vorstellen dürfen. Unter anderem bedarf es guter Deutschken­ntnisse, die die meisten bereits in der Schule erwerben.

Dass sich Unternehme­n wie Segmüller so interessie­rt zeigen an Lernwillig­en aus dem Ausland, sogar eigene Deutschkur­se und Nachhilfe anbieten, ist auch einem wirtschaft­lichen Eigeninter­esse geschuldet. Gerade für Ausbildung­sberufe wie den Polsterer können sich immer weniger deutsche Jugendlich­e begeistern. Stattdesse­n zieht es sie an Universitä­ten und Fachhochsc­hulen. „Für bestimmte Berufe sieht es bei uns mit Bewerbern im Moment schlecht aus“, so Jäger. Gut also für die, die sich für eine Ausbildung entscheide­n. Die Übernahmeq­uote bei Segmüller beträgt immerhin 85 Prozent.

„Wir wollen den Kindern hier einfach eine Chance bieten, und wenn das Projekt erfolgreic­h ist, dann werden wir es auch weiter unterstütz­en“, so Karlheinz Uhl, Clubpräsid­ent des Lions Club Augsburg-Elias Holl, der die UHKA unterstütz­t. Ebenfalls mit im Boot sind die Arbeitsage­ntur Augsburg und die IHK Schwaben.

Für Oleksandr Malyk und Andriy Svyshch hat sich der einwöchige Besuch in Augsburg gelohnt. Zwar konnte ihnen Segmüller dieses Jahr keinen Ausbildung­splatz mehr anbieten. Dafür zeigte sich kurz darauf aber das Bauunterne­hmen Kuttner aus Memmingen an den beiden interessie­rt und möchte sie ab September zu Straßenbau­ern ausbilden. „Ich denke. hier kann man noch Geld verdienen und eine Familie versorgen“, hofft Oleksandr.

Auf die Sprachkenn­tnisse kommt es an

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Die ukrainisch­en Jugendlich­en verfolgen gespannt, wie Anca Grigor in den Ausbildung­swerkstätt­en Leder klassifizi­ert.
Foto: Michael Hochgemuth Die ukrainisch­en Jugendlich­en verfolgen gespannt, wie Anca Grigor in den Ausbildung­swerkstätt­en Leder klassifizi­ert.

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