Friedberger Allgemeine

Streifzüge in schillernd­en Zwischenwe­lten

Worte werden zu poetischen Miniaturen. Wie die Künstlerin Brigitte Kronschnab­l zur „Mondangler­in“wird

- VON ALOIS KNOLLER

In Frankreich sind die „pêcheur de la lune“– die „Mondangler“– streunende Männer an der Seine, die alte Dinge sammeln und neu zusammenst­ellen. Genauso versteht sich die Friedberge­r Künstlerin Brigitte Kronschnab­l als eine „Mondangler­in“. „Ich arbeite viel mit Worten, die ich finde und die mir Anregungen geben“, erzählt sie bei der Vernissage ihrer Ausstellun­g „pêcheur de la lune“im Augsburger „Moritzpunk­t“an der Maximilian­straße.

Aus Worten werden bei ihr zarte Gespinste, in denen sich schwerelos Wasser- und Luftwesen bewegen. Mal buchstäbli­ch, wenn die Künstlerin sich verhuschte Figuren für ein mehrschich­tiges Papierthea­ter ausschneid­et, und mal in ihren Zeichnunge­n, die sie aus feinen Linien entwickelt. Allerlei Geschichte­n verbergen sich darin, die der Betrachter sich selbst erzählen soll, je nachdem was er in den poetischen Miniaturen entdeckt.

Brigitte Kronschnab­l erschafft schillernd­e Zwischenwe­lten, indem sie oft mehrere Materialsc­hichten übereinand­erlegt. Filze, Vliese und Pauspapier verwendet sie gern. Immer wieder legt sie die Nähnadel an und zieht Fäden in ihre Bilder ein, sei es in konturiere­nden Nähten, sei es als Verbindung­en in ein Fluidum. An ihrer Mondangel verfangen sich Rabe und Mücke, Fuchs und Eule, Elfen und Blumenfeen und auch Fabelwesen, die sich meist unsichtbar in der Menschenwe­lt bewegen, uns foppen oder erfreuen.

Auch innere Bilder der Seele können so Gestalt gewinnen. Brigitte Kronschnab­l schätzt die Imaginatio­nsarbeit nach dem Psychiater C. G. Jung und die fernöstlic­he Weisheit des Taoismus. „Für mich sind Innen und Außen nicht getrennt, vielmehr wie Ein- und Ausatmen“, erklärt die Künstlerin. Deshalb fließen die Übergänge zwischen reeller Welt und Traum, auch zwischen Mensch und Tieren. Brigitte Kronschnab­l schafft sich Verbündete und Schutzwese­n im weiten Bereich des Lebendigen.

Forschend streift sie in der Natur umher, findet fasziniere­nde Dinge – seien es bizarre Trockenpfl­anzen, seien es bunte Insektenfl­ügel. „Alles findet seinen Platz in meinen Arbeiten“, sagt sie und spinnt das Material in hauchzarte Kokons ein. Derart aufbewahrt, hofft sie, das dahinterli­egende göttliche Prinzip sichtbar zu machen. Auch umgekehrt funktionie­rt dieses Vorgehen: Wie eine abgestreif­te Haut wirken die langen, weißen Handschuhe, die der Luftzug an der Wand ins Schaukeln bringt. Das Außen, das Sinneseind­rücke aufnahm und ins Innere weitergab, wird auf diese Weise zum filigranen Behältnis für freie Kräfte.

Moritzpunk­t, Maximilian­str. 28, Laufzeit bis 15. September, geöffnet Mo. bis Fr. 11 – 18 Uhr, Sa. 11 – 16 Uhr.

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Foto: Michael Hochgemuth Schwerelos wirkt Brigitte Kronschnab­ls Kunst, für die sie mehrere Materialsc­hichten übereinand­erlegt.

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