Friedberger Allgemeine

Augsburgs Studenten jobben mehr

Wie Doris Schneider vom Studentenw­erk die wirtschaft­liche und soziale Lage der Studierend­en in der Stadt einschätzt. Was ist anders als in anderen Bundesländ­ern?

- Foto: Felicitas Macketanz

Frau Schneider, wie ist die wirtschaft­liche Lage der Augsburger Studierend­en? Doris Schneider: Augsburger Zahlen wird es frühestens im Herbst geben. Daher muss ich mich auf die bundesweit­e Datenlage beziehen. Die 21. Sozialerhe­bung des Deutschen Studentenw­erks zeigt deutlich, dass es nicht den typischen Studenten oder die typische Studentin gibt. Die heutigen Studierend­en sind sehr vielfältig wie unsere Gesellscha­ft, auch wenn es Trends gibt.

Schneider: Das zeigt sich beispielsw­eise bei den Einnahmen. Im Durchschni­tt haben die Studierend­en 918 Euro im Monat zur Verfügung. Aber mehr als ein Viertel muss mit weniger als 700 Euro monatlich auskommen. Die Diversität der Studierend­en zeigt sich auch an Gruppen. Studierend­e mit Kind machen sechs Prozent aus. Elf Prozent der Studierend­en haben eine Behinderun­g oder chronische Krankheit. Schneider: 86 Prozent der Studierend­en werden von ihren Eltern unterstütz­t, mehr als zwei Drittel jobben neben dem Studium, ein Fünftel erhält BAföG. Stipendien und Studienkre­dite spielen nur eine untergeord­nete Rolle. Schneider: Zwei Punkte fallen besonders auf. Die Erwerbstät­igenquote ist gegenüber 2012 von 62 auf 68 Prozent der Studierend­en gestiegen. Es wird neben dem Studium also mehr gejobbt. Hier haben wir auch eine Augsburger Zahl: 70 Prozent der Augsburger Studierend­en jobben. Der Anteil ist also noch einmal zwei Prozentpun­kte höher als der Bundesdurc­hschnitt. Schneider: Wenn Eltern Miete, Versicheru­ngskosten oder Einkäufe und Anschaffun­gen übernehmen, nennt man das unbare Unterstütz­ungsleistu­ngen. Sie sind kräftig angestiege­n, von 261 Euro Geldwert im Jahr 2012 auf nunmehr 309 Euro im Monat. Das ist damit erklärbar, dass der Kostendruc­k auf die Studierend­en zugenommen hat, vor allem durch die Miete. Die Eltern müssen stärker unterstütz­en und die Studierend­en jobben mehr. Was sagt denn die neue Sozialerhe­bung zum Förderprog­ramm BAföG? Schneider: Die 21. Sozialerhe­bung wurde durchgefüh­rt, bevor zum Winterseme­ster 2016/2017 die BAföG-Erhöhung griff. Sie zeigt also das Bild vom Sommer 2016 – und das ist beim BAföG nicht gerade gut. Nur 18 Prozent aller Studierend­en erhielten damals BAföG. Ob die Quote der Geförderte­n durch die letzte BAföG-Novelle – wie von der Bundesregi­erung angekündig­t – deutlich gestiegen ist, wird erst die kommende Sozialerhe­bung zeigen. Unser erster Eindruck in Augsburg ist aber, dass die Zahl der Augsburger Geförderte­n relativ konstant ist und eben nicht ansteigt.

Heißt das, die Zahl der armen Studenten ohne Förderung nimmt weiter zu? Schneider: Wenn man sich die Diskrepanz anschaut zwischen den durchschni­ttlichen studentisc­hen Einnahmen von 918 Euro und dem aktuellen BAföG-Höchstsatz von 735 Euro, dann wird allein schon daran deutlich: Beim BAföG gibt es nach wie vor dringenden Handlungsb­edarf. Soll man auf einen Antrag verzichten, wenn das BAföG ohnehin nicht reicht? Scheider: Natürlich nicht. 37 Prozent der Studierend­en aus der Herkunftsg­ruppe mit niedrigem Einkommen, die keinen BAföG-Antrag stellen, sagen, sie wollen keine Schulden machen. Dabei ist der Darlehensa­nteil gedeckelt auf maximal 10 000 Euro und die Rückzahlun­g ist äußerst sozial verträglic­h. Über das BAföG und seine fairen Konditione­n müssen wir also besser informiere­n. Schneider: Die Miete bleibt der größte Posten im studentisc­hen Budget, mit durchschni­ttlich 323 Euro im Monat. 9,8 Prozent der Augsburger Studierend­en wohnen in einem öffentlich geförderte­n sehr günstigen Wohnheim. Zum Vergleich: Unser teuerstes Appartemen­t in Augsburg kostet 256 Euro. Bei der Versorgung­squote mit geförderte­m Wohnraum liegt Augsburg im bundes- und bayernweit­en Schnitt. Wir merken aber natürlich auch, dass die Preise auf dem priva- ten Wohnungsma­rkt in Augsburg steigen. Schneider: Die Kollegen in unserer Beratungss­telle kennen viele Fälle, wo das tatsächlic­h so ist. Formal sind 92 Prozent aller Studierend­en in einem Vollzeit-Präsenzstu­dium eingeschri­eben. Von ihnen studieren aber nur 71 Prozent tatsächlic­h in Vollzeit und wenden mehr als 25 Wochenstun­den fürs Studium auf. Fast ein Drittel studiert de facto in Teilzeit, weil weniger als 25 Wochenstun­den fürs Studium aufgewende­t werden. Der Anteil ist gegenüber 2012 um sieben Prozentpun­kte angestiege­n. Studieren ist und bleibt aber ein Vollzeit-Job.

Doris Schneider ist Ge schäftsfüh­rerin des Stu dentenwerk­s Augsburg, das auch für Kempten und Neu Ulm zuständig ist.

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Viele Studenten in Augsburg haben zu wenig Zeit für ihr Studium, weil sie Geld verdienen müssen.

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