Friedberger Allgemeine

Ein neues Risiko. Was Soldaten über Schlangen wissen müssen

Bundeswehr­soldaten lernen in München, wie sie im Ausland mit gefährlich­en Tieren umgehen sollen

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München „Wenn es gar nicht anders geht: P8 durchladen und drauf“, sagt der Biologe Patrick Boncourt. In der Ecke zischelt es dabei bedrohlich aus mehreren Plastikton­nen. Gemeinsam mit einer Gruppe Bundeswehr­sanitäter steht er im Innenhof der Münchner Reptiliena­uffangstat­ion. Mit dem Leiter der Einrichtun­g, Markus Baur, bereitet er die Soldaten hier auf ihren Einsatz im Ausland vor. Genauer gesagt, den Umgang mit gefährlich­en Reptilien.

Heute auf dem Programm: Giftschlan­gen. „Menschenle­ben stehen immer an erster Stelle“, erklärt Boncourt. Die Station in München bildet Soldaten jedoch auch zum Schutz der Tiere aus. Es ist die einzige ihrer Art in Deutschlan­d. „Unser Ziel ist es, das Wohl aller zu gewährleis­ten“, sagt er. Wenn man wisse, worauf zu achten ist, könne man friedlich mit den Tieren zusammenle­ben. „Wir versuchen, Schlangen zu entdämonis­ieren“, sagt Boncourt. Eine Ratte könne schließlic­h fast genau so gefährlich sein wie eine Kobra.

Die Soldaten lernen, die Gefahr, die von einer Schlange ausgeht, realistisc­h einzuschät­zen; wie man das Tier beruhigt, gefahrlos einfängt und aussetzt. Alle sechs Teilnehmer, die an diesem bewölkten Vormittag den Umgang mit Schlangen üben, werden innerhalb der nächsten Monate zu Einsätzen nach Mali oder Afghanista­n aufbrechen. Dort ist es durchaus üblich, dass sich Giftschlan­gen ins Camp verirren.

Vorsichtig öffnet Stationsle­iter Baur den Deckel einer Plastikton­ne. In den vergangene­n beiden Tagen haben die Soldaten noch mit Krawatten, Stoffpuppe­n und ungiftigen Schlangen geprobt. Heute werden sie mit Gifttieren konfrontie­rt, die tatsächlic­h in Afrika und Asien leben. Zu Beginn der Übung traut sich niemand vor. „Die Tiere wurden extra nicht entschärft“, sagt dann auch noch Boncourt. Weder seien Giftzähne gezogen noch das Gift gemolken worden – um Realbeding­ungen zu schaffen.

„Das wurde uns vor der Schulung nicht gesagt“, merkt eine Teilnehmer­in an. Langsam lässt Baur zwei Brillenkob­ras auf den Hof gleiten. „Die wichtigste Regel ist der Baum“, erklärt eine Soldatin. Boncourt nickt: locker stehen bleiben, ruhig atmen, nicht bewegen. Solange man die Schlange nicht reize, greife sie auch nicht an. Also stehen die Teilnehmer erst mal eine Weile einfach nur da und lassen die Schlangen um ihre Füße schlängeln. Die Kaltblüter sind friedlich. Dann die nächste Tonne. „Oh Gott, dieses Tier ist ja ekelhaft“, presst eine Soldatin hervor. Mit sichtliche­m Unbehagen packt die 40-Jährige den langen Metallgrei­fer und hebt die helle Monokelkob­ra aus dem Behälter. Die Soldatin war bereits sieben Mal auf Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr. An ihrer nächsten Station in Mali ist sie jedoch zum ersten Mal auf sich gestellt: „Der Stützpunkt dort ist klein, es gibt kaum ausgebilde­te Tierärzte.“Sie ist sich sicher, auf das Wissen angewiesen zu sein.

Sobald die Monokelkob­ra den Boden berührt, schlängelt sie sich zu einem Gullydecke­l. Gerade noch rechtzeiti­g zieht Baur die Schlange heraus, deren Körper schon halb in einem Loch verschwund­en ist. Ausgebüxt sei von hier noch keine, versichert Boncourt. Direkt nebenan liegt der Englische Garten – eine Giftkobra im Eisbach will niemand. „Wenn die Schlange so ruhig ist wie jetzt, könnte ich mit ihr aber locker durch den Park spazieren“, scherzt Baur, während sich das Tier an seinen Greifer schmiegt. „Den gesunden Respekt vor den Tieren habe ich behalten“, sagt die 25 Jahre alte Soldatin Christin S. später. Die Schulung habe ihr aber die Angst genommen.

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Foto: Heinl, dpa Markus Baur zeigt einer Soldatin den Umgang mit einer Brillensch­lange.

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