Friedberger Allgemeine

Merkels Schattenma­nn

Lars-Hendrik Röller bereitet für die Kanzlerin den G20-Gipfel in Hamburg vor. In die Politik ist der frühere Tennismeis­ter erst auf Umwegen gekommen

- Foto: dpa

Unter den Röllers der Republik ist er nicht der bekanntest­e, aber ohne Zweifel der mit dem größten Einfluss. Vater Wolfgang war Vorstandsc­hef der Dresdner Bank, Bruder Ulf ist als Leiter des in Washington ein vertrautes Fernsehges­icht – der Mann mit dem direkteste­n Draht ins Weiße Haus oder in den Pariser Élysée-Palast aber ist Lars-Hendrik Röller, 58 Jahre, Ökonom, ehemaliger deutscher Jugendmeis­ter im Tennis und Sherpa.

Sherpa? Im Amtsdeutsc­h der Ministeria­lbürokrati­e firmiert der gebürtige Frankfurte­r als Abteilungs­leiter für Wirtschaft und Finanzen im Kanzleramt und als Beauftragt­er der Kanzlerin für internatio­nale Gipfeltref­fen wie den der 20 größten Industrie- und Schwellenl­änder in dieser Woche in Hamburg. Weil ein solcher Unterhändl­er aber jede Menge mit sich herumschle­ppt, an Akten, an Verantwort­ung, an Erwartunge­n auch, hat sich mit den Jahren der Begriff des Sherpa eingebürge­rt. Röller selbst, verheirate­t und Vater dreier Kinder, ist unter den Gipfel-Vorbereite­rn einer der erfahrenst­en, seit 2011 im Amt, bestens vernetzt und von einer Geduld, die ihn auch stundenlan­ge Debatten über den letzten Nebensatz in der Abschlusse­rklärung einer G7- oder G20-Runde ertragen lässt. Einmal, sagt der Gipfelfunk, sollen sie drei Stunden über ein Komma gestritten haben.

Lars-Hendrik Röller würde so etwas, wenn überhaupt, nur mit einem leisen Schmunzeln kommentier­en. Als Vertrauter der Kanzlerin muss er nicht nur loyal und effizient sein, sondern vor allem verschwieg­en. Seit Monaten bereits feilt er mit den Sherpas aus den anderen Ländern an einem Kommuniqué, bei dem sich am Ende des Hamburger Treffens alle vertreten fühlen, auch Donald Trump – und genau deshalb ist dieser Gipfel auch der bislang schwierigs­te für ihn. Wie sein Vorgänger Jens Weidmann, der aus der Bundesbank ins Kanzleramt und dann wieder zurück an die Spitze der Bundesbank gewechselt war, ist auch Röller ein politische­r Seiteneins­teiger. Nach dem Studium in den USA forschte und lehrte er unter anderem an einer Kaderschmi­ede für Führungskr­äfte in Frankreich und am Wissenscha­ftszentrum Berlin, ehe er 1995 einem Ruf als Professor für Industrieö­konomik an die Berliner Humboldt-Universitä­t folgte. Nach drei Jahren als Chefökonom für Wettbewerb­sfragen bei der EU-Kommission in Brüssel kehrte er 2006 nach Berlin zurück und übernahm die Leitung einer privaten Wirtschaft­shochschul­e.

Der Kanzlerin empfohlen hat ihn angeblich Weidmann selbst – und genau das war lange Zeit auch LarsHendri­k Röllers Problem: Ständig wurde (und wird) er an seinem bekannten Vorgänger gemessen, der die Kanzlerin erfolgreic­h durch die Finanzkris­e gelotst hatte. Die Chance, endgültig aus dessen Schatten heraus zu treten, bietet sich ihm nun in Hamburg. Ein Erfolg für Angela Merkel dort wäre am Ende auch Röllers Erfolg.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany