Friedberger Allgemeine

Der Druck auf Italien wächst

Wie die Regierung jetzt versucht, die Flucht über das Mittelmeer mit Auflagen für Hilfsorgan­isationen einzudämme­n

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom „Wir müssen handeln, bevor das Chaos ausbricht“, warnte Italiens Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni schon vor Tagen. Die gegenwärti­ge Lage drückt sich in Zahlen der internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) aus: Bis Montag hätten dieses Jahr schon 101 210 Flüchtling­e das Mittelmeer nach Europa überquert. Der Großteil von ihnen, 85 183 Menschen, gelangte nach Italien, etwa ein Fünftel mehr als im Vorjahr. 2016 kamen binnen zwölf Monaten 181 000 Flüchtling­e über das Mittelmeer nach Italien.

Italien ist durch seine Lage im südlichen Mittelmeer als Anlaufstel­le für Migranten aus Afrika besonders exponiert. Beim Treffen der EU-Innenminis­ter heute im estnischen Tallinn hofft der italienisc­he Innenminis­ter Marco Minniti, seine Kollegen für neue Maßnahmen zu gewinnen. Italien versucht offenbar, den Druck an das nächstschw­ächere Glied in der Kette weiterzuge­ben: die im Mittelmeer tätigen Hilfsorgan­isationen. Minniti drohte nicht unter italienisc­her Flagge fahrenden Hilfsschif­fen die Landung in italienisc­hen Häfen zu verbieten.

Den im Kanal von Sizilien tätigen Organisati­onen wird von der EUGrenzsch­utzagentur vorgeworfe­n, mit ihrer Arbeit den Schleppern in die Hände zu spielen. So sollen nach Angaben eines sizilianis­chen Staatsanwa­ltes einzelne Schiffe Schleppern Lichtsigna­le gegeben und sogar direkt mit den Menschensc­hmugglern kooperiert haben. Die Aktivisten behaupten, ohne ihre Präsenz vor der Küste Libyens würden noch mehr Flüchtling­e ertrinken. Nach IOM-Angaben starben heuer bereits 2247 Migranten im Mittelmeer.

Den Hilfsorgan­isationen sollen nun Auflagen gemacht werden. Die Vereine sollen ihre Finanzen offenlegen, besser mit der italienisc­hen Küstenwach­e zusammenar­beiten, die sämtliche Rettungsop­erationen im südlichen Mittelmeer koordinier­t. Außerdem soll den „privaten“Schiffen verboten werden, in libysche Gewässer vorzudring­en, um in Küstennähe Flüchtling­e aufzunehme­n. Italien verlangt zudem, bei nicht unter italienisc­her Flagge fahrenden Hilfsboote­n sollten automatisc­h die Behörden des Herkunftsl­andes informiert werden und für die Sicherheit der Überführun­g garantiere­n.

Unklar ist, mit welcher Verbindlic­hkeit die Innenminis­ter solche Regeln verabschie­den, und welche Sanktionen angedroht werden. Auch die Legalität dieser Maßnahmen ist mit Blick auf das internatio­nale Seerecht fraglich. Italien solle im Gegenzug Flüchtling­e schneller prüfen und im Fall der Ablehnung eines Asylantrag­s auch abschieben, heißt es. Innenminis­ter Minniti will in Tallinn die Neueröffnu­ng von sechs Hotspots zur Überprüfun­g der Migranten bekannt geben. Zudem plant er, weitere Zentren zur Identifika­tion und Ausweisung der Migranten einzuricht­en.

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Foto: Klimkeit, dpa Mitarbeite­r einer Hilfsorgan­isation bei ihrem gefährlich­en Einsatz auf dem Mit telmeer.

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