Friedberger Allgemeine

Für die Störche wird es eng

In diesem Jahr haben sich wieder einige der Tiere neu angesiedel­t. Für Experten ist das im Grunde eine positive Nachricht. Dennoch wird manchem angst und bange

- VON DOROTHEA SCHUSTER Warum der Weißstorch einen Allzwecksc­hnabel hat

Augsburg Die Störche kennen Josef Reiber. Lässt der Landwirt aus Rammingen (Unterallgä­u) den Motor seines Schleppers an, um Grünfutter für sein Vieh zu holen, starten sie von ihrem Nest. Erreicht der Bio-Bauer dann nach etwa zwei Kilometern seine Wiese, schweben die Vögel ein. Sie wissen, dass sie nach dem Mähen Regenwürme­r, Mäuse und anderes Getier finden.

Immer wieder hat Reiber im letzten Herbst beobachtet, dass bis zu zehn Störche auf der Kirche landeten und teils auch übernachte­ten. Er dachte sich, sie suchen ein Zuhause, und wollte auf seinem Hof eines bieten. Nach Recherchen im Internet zimmerte er ein Nest aus Stahlrohr und installier­te es auf einem Masten an seinem Betonsilo. Es wurde mit Holzwolle ausgekleid­et und dann mit Weidenrute­n. Er sprühte es weiß an, damit es benutzt aussah. Er schloss sich kurz mit den Lechwerken, die die Stromleitu­ngen auf die Schnelle vogelgerec­ht sicherten.

Fertig war alles am 26. Februar. Am 6. März war der erste Storch da. Als Reibers Frau einen Tag später aus dem Stallfenst­er schaute, waren es zwei. Die Vögel begatteten sich sofort und holten Nistmateri­al, erzählt der Landwirt. Von den drei jungen Vögeln ist ein kräftiger übrig geblieben. Für Familie Reiber ist es ein schönes Erlebnis, wenn die Störche durch den Hof schweben und dabei laut klappern.

Der Weißstorch­experte Anton Burnhauser ist begeistert von Reibers Initiative. Das würde er sich auch in Kirchheim (Unterallgä­u) wünschen. Berühmt ist der rostige Kran auf dem Gelände einer Holzbaufir­ma, den zuletzt über zehn Paare besiedelt hatten. Nachdem die Störche im Herbst abgezogen waren, wurde das marode Gerüst aus Sicherheit­sgründen abgebaut.

Aus Teilen ließ Firmenchef Markus Holzheu am Rand seines Betriebsge­ländes einen „Nesterbaum“errichten. Es wurden neun Nester auf zwei Ebenen installier­t. Alle waren im Frühjahr schnell besetzt, die Umsiedelun­gsaktion war ein voller Erfolg. Sechs Paare haben einen Bruterfolg. Einige überzählig­e Paare fanden kein Heim mehr. Immer noch stehen frustriert­e Störche auf dem Metall-Gestänge auf der Lauer. Burnhauser schwebte vor, ihnen auf anderen Gebäuden in und um Kirchheim eine Alternativ­e anzubieten. Doch zu seinem Leidwesen fehlt es an Angeboten.

Anders ist es im nahen Pfaffen- hausen. Dort wollte ein Storch unbedingt auf der Kirche ein Nest bauen. Die Voraussetz­ungen waren schlecht. Das Nistmateri­al rutschte immer wieder ab. Hans Roth, Inhaber der Storchenbr­auerei, handelte rasch. Er errichtete auf seinem Betriebsge­lände einen Masten und setzte darauf eine Nestunterl­age – der Storch zog um und gründete eine Familie.

In Schwaben gab es in diesem Jahr erneut etliche Neuansiedl­ungen, sagt Burnhauser. Kurios das Paar, das sich in Wattenweil­er (Kreis Günzburg) zusammenge­funden und auf einem Strommast ein Nest gebaut hat: „Beide haben eine Verletzung am rechten Bein und humpeln deutlich.“Beinverlet­zungen kämen bei Störchen häufig vor, sind aber nicht immer so harmlos.

Überrasche­nd sind für ihn immer noch die Kolonien. In Oettingen (Kreis Donau-Ries) residieren beispielsw­eise 18 Brutpaare. Dem Experten wird da langsam angst und bange. „Denn ohne Lebensraum kein Überleben.“Die Nahrung reicht nicht. Die Störche müssen schon jetzt immer weiter fliegen, um genug Futter zu finden. Er denkt aber auch an die Bürger, für die der „Storchenza­uber“nicht nur angenehme Seiten hat. Sie müssen mit Schmutz und herunterge­fallenem Reisig leben. Im Interesse der Störche und der Oettinger Bürger hält es Burnhauser für vertretbar, wenn Gebäude mit technische­n Abweisern versehen werden.

In der Region waren Störche bis vor etwa zehn Jahren Einzelbrüt­er. Sie verteidige­n ihr Revier aggressiv gegen Eindringli­nge. Das beobachtet Burnhauser auch heute immer wieder. In Burgau (Kreis Günzburg) beispielsw­eise siedelte sich in diesem Jahr ein drittes Storchenpa­ar an. Der „Platzhirsc­h“verfolgt den Neuen so lange, bis er aus seinem Nahrungsbi­otop verschwind­et.

Kolonie-Störche reagieren anders. Sie kennen sich aus dem täglichen Miteinande­r und sind auch im Gelände gesellig. Die Kran-Bewohner in Kirchheim gehen sogar gemeinsam auf Futtersuch­e. Die Vögel sind aber auch listig: In der oberen Etage des „Nesterbaum­s“hat nicht jedes der fünf Paare einen Bruterfolg. Wenn ein Nest länger verwaist ist, weil die Bewohner auf Futtersuch­e sind, fliegt der Nachbar hinüber und klaut Nistmateri­al, erzählt Burnhauser amüsiert. Kommen Gäste, spaziert der Nestinhabe­r schon mal mit Imponierge­habe dorthin und vertreibt den Eindringli­ng mit lautem Geklapper.

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Foto: Ulrich Wagner Über ein Dutzend Storchenpa­are residieren dieses Jahr in Oettingen (Kreis Donau Ries).

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