Hoffnung für Millionen
Erfolgreiche Studie mit Antikörpern gegen die Spätform der trockenen Makuladegeneration
San Francisco/Bonn Erstmals haben Mediziner ein Mittel gegen eine bislang untherapierbare Form der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) in Aussicht. In einer internationalen Studie testete ein Forscherteam den Antikörper Lampalizumab gegen die Spätform der trockenen AMD – die sogenannte geografische Atrophie. Demnach bessern monatliche Injektionen des Mittels in den Augapfel die Sehkraft zwar nicht, sie bremsen aber das Fortschreiten der Krankheit bei vielen Patienten deutlich. Das berichtet das Team um Erich Strauss vom Hersteller Genentech, an dem auch die Uniklinik Bonn beteiligt ist, im Fachblatt Science Translational Medicine. Ein unabhängiger deutscher Experte spricht von beeindruckenden Resultaten, die jedoch in größeren Studien bestätigt werden müssten. Zwei solche Untersuchungen laufen bereits.
Die altersabhängige Makuladegeneration ist in Industrieländern die häufigste Ursache für den Verlust der Sehkraft. Sie betrifft die schärfste Stelle des Sehens in der Mitte der Netzhaut – die etwa zehn Quadratmillimeter große Makula. In Deutschland sind Millionen Menschen von der Erkrankung betroffen, die sich über Jahre hinzieht. In der Frühphase häufen sich unter der Netzhaut Stoffwechselprodukte, die die Zellen nicht mehr abbauen können. Diese Ablagerungen wölben die Makula auf.
Gegen die feuchte Spätform der AMD gibt es seit etwa einem Jahrzehnt eine Therapie, die das Sehvermögen bessern kann. Gegen die häufigere geografische Atrophie, bei der die Ablagerungen die Pigmentzellen zugrunde richten, sind die Ärzte bislang machtlos. Von dieser Variante sind den Forschern zufolge weltweit mehr als fünf Millionen Menschen betroffen.
Hier testete das Team nun Lampalizumab an etwa 120 Patienten ab 60 Jahren, die entweder den Wirkstoff oder aber Scheininjektionen erhielten. Die Phase-2-Studie sollte vor allem die Sicherheit des Wirkstoffs und das Therapiekonzept – also monatliche Injektionen – testen.
Erste Resultate zeichneten sich nach sechs Monaten ab. Im Lauf der 18-monatigen Studie hemmte das Mittel das Fortschreiten der Schäden im Vergleich zur Scheinbehandlung um 20 Prozent: In der Kontrollgruppe breitete sich die geografische Atrophie um 2,8 Quadratmillimeter aus, in der behandelten Gruppe um 2,2 Quadratmillimeter.
Die genauere Analyse der Daten zeigte, dass vor allem Menschen mit bestimmten Erbanlagen von der Therapie profitierten. Bei Patienten mit diesen genetischen Varianten – etwa 57 Prozent der Teilnehmer – sank das Fortschreiten des Augenleidens um fast die Hälfte (44 Prozent). Den übrigen Teilnehmern half der Wirkstoff kaum. Und: Bei Frauen fiel der Effekt deutlich stärker aus als bei Männern. Insgesamt erwies sich das Mittel als gut verträglich – die häufigsten Nebenwirkungen gingen mit den Injektionen ins Auge einher.
„Das ist die erste saubere, größere Phase-2-Studie zur trockenen Spätform der AMD“, betont Professor Horst Helbig vom Universitätsklinikum Regensburg. Vor einem Urteil müsse man aber die Resultate größerer Studien abwarten. Derzeit laufen zwei Zulassungsstudien, deren erste Ergebnisse in der zweiten Jahreshälfte erwartet werden.
Die nun vorgelegten Resultate hält der Experte vom Vorstand der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft jedoch aus zwei Gründen für sensationell. „Wir haben erstmals die Möglichkeit, den Prozess der geografischen Atrophie aufzuhalten. Zudem können wir – sofern sich die Ergebnisse bestätigen – vorher anhand des Erbguts ermitteln, welche Patienten von der Therapie am meisten profitieren,“erklärt er.