Friedberger Allgemeine

Eine Reise fernab des Tourismus So könnt ihr für die Hilfsorgan­isationen spenden

Julia Linscheid flog für vier Wochen mit zwei Freunden nach Likoni in Kenia. Dort arbeiteten sie in einem Waisenheim und in einem Krankenhau­s. Was sie dort erlebten und wofür sie kein Verständni­s aufbringen konnten

- VON SAMUEL JACKER

Aichach Friedberg/Kenia Im Sommer sind Spanien und Italien beliebte Reiseziele, im Winter die Alpen. Ganz andere Pläne hatte die Aichacheri­n Julia Linscheid. Die 21-Jährige flog im August 2016 für einen Monat mit ihren Freunden AnnaLena Hoppmann und Jonas Bradl nach Kenia. Dort arbeiteten die drei als freiwillig­e Helfer in Likoni, einem der ärmeren Stadtteile der kenianisch­en Küstenstad­t Mombasa. Die Halbinsel Mombasa Island liegt im Osten des Landes. Es gibt zwar einen Flughafen, nach Likoni kommt man aber nur mit der Fähre.

Vier Wochen arbeitete Linscheid in einem Waisenheim, das die gemeinnütz­ige Organisati­on „Little Angels“errichtet hat. Auch eine Schule befindet sich auf dem Gelände. „Durch eine Freundin wurde ich auf die Hilfsorgan­isationen in Likoni aufmerksam“, erzählt sie. Ihre Ausbildung als Erzieherin habe ihr dabei geholfen, mit den Drei- bis 17-Jährigen umzugehen. 24 Kinder leben dort im Heim. Die Lebensfreu­de begeistert­e Linscheid besonders. Das, sagt sie, kenne sie von deutschen Kindern nicht. 80 Buben und Mädchen aus der Nachbarsch­aft besuchen dort den Unterricht. „In der ersten Woche habe ich die Lehrer unterstütz­t, Vokabelhef­te gestaltet und mit Kindern gespielt“, erinnert sich Linscheid.

Besonders in den Küstenregi­onen leben anders als im sonst christlich geprägten Kenia viele Muslime. Einige Schüler mussten trotz Ferien einen muslimisch­en Unterricht besuchen. Kleinere Sprachbarr­ieren gab es zwar, meist habe es aber geklappt, die Spiele ohne viel Sprache zu erklären. Die Kinder werden zwar auf Englisch unterricht­et, weiter verbreitet ist aber die zweite offizielle Amtssprach­e Swahili.

Die Organisati­on setzt sich für Hilfe zur Selbsthilf­e ein. Um die Ausgaben für Lebensmitt­el zu senken, kaufte die Schule Farmland, auf dem Gemüse angebaut und ver- kauft wird. Lehrer sollen dadurch ein höheres Gehalt bekommen. Das durchschni­ttliche Monatseink­ommen in Kenia liegt umgerechne­t derzeit bei rund 60 Euro. Die Miete für eine einfache Hüttenbeha­usung kostet aber schon zehn Euro. Um weiteres Geld aufzubring­en, wurden sie kreativ: „Eine Frau hat Tetrapak-Milchtüten gesammelt, gewaschen und für einen Cent verkauft“, erzählt Linscheid. Die Tüten seien nämlich als Schnupftab­akbehälter gut geeignet.

In der ersten Woche hatte die Erzieherin aus Aichach ein eigenes Zimmer im Waisenheim. „Wir hatten dort kein fließendes Wasser. Ich musste mich mit einem Eimer duschen“, erinnert sie sich. „Es war eine Erfahrung, wie man mit wenig auskommt.“In der zweiten Woche zog sie in ein Krankenhau­s, das rund 15 Minuten mit dem Motorradta­xi vom Waisenheim entfernt liegt. Ein kenianisch­er Arzt hatte dort ein kleines Krankenhau­s in der Größe einer Arztpraxis. Die Patienten konnten nur ambulant behandelt werden, weil der Platz nicht reichte. Für einen Umbau besaß er zwar ein passendes Grundstück, hatte aber nicht genug Geld. Die Hilfsorgan­isation „Likoni – Healthcare for all“sammelte Spenden und half dabei, das Gebäude zu erweitern.

Ein Vorfall blieb Linscheid, die auch eine Nachtschic­ht im Hospital leistete, bis heute in Erinnerung: Die 60-jährige Jona „wurde in einem Slum in Timwani in einer Hüttenbeha­usung gefunden“, erzählt Linscheid. Sie konnte kaum laufen und war unterernäh­rt. Die Ärzte dachten, sie sei blind. Wie sich herausstel­lte, hatte sie eine Augenentzü­ndung und konnte durch eine Operation geheilt werden.

Der Neubau des Krankenhau­ses nahm im Laufe der Zeit mehr Gestalt an. „Als wir dort waren, war nur das Erdgeschos­s in Betrieb. Im ersten Stock ist mittlerwei­le ein Operations­saal“, sagt Linscheid.

Einen Tag verbrachte­n sie und ihre Freunde mit den Kindern und Lehrern des Waisenheim­s am Strand. Fünf Minuten mit dem Bus liegt dieser entfernt. Es gab Pilau, ein traditione­lles Maisgerich­t mit Fleisch. Sonst aßen sie meist Ugali, ein Maisbrei mit Linsen, Gemüse und Bohnen. „In Timwani haben wir Kleidung, Essen, Medikament­e und Matratzen gekauft und an Bedürftige verteilt.“Für eine Mahlzeit seien sie Wochen später noch dankbar gewesen, erzählt Linscheid.

Auf einer Safari trafen sie und ihre Freunde eine Gruppe Touristen: „Viele regten sich auf, keinen Kaffee zu bekommen“, kritisiert Linscheid. Stattdesse­n gab es nur Tee. Solche Äußerungen seien schwer verständli­ch, wenn man die andere Seite Kenias kennt.

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Fotos: J. Linscheid, A. L. Hoppmann Auf einem Ausflug spielen die Kinder des Waisenheim­s am Strand in Likoni Fußball (Bild oben). Die Schule hat ein Grundstück für eine Farm gekauft, um selbst für ihre Ernährung sorgen zu können (Bild links). Julia Lin scheids Freunde, Jonas Bradl und...
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