Friedberger Allgemeine

Reiter im Rampenlich­t

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger allgemeine.de

Reiten ist eine Randsporta­rt – sagen die, denen die Dimensione­n des Pferdespor­ts nicht so recht bewusst sind. Immerhin bezeichnen sich knapp vier Millionen Menschen in Deutschlan­d als Reiter. Dass 78 Prozent davon weiblich sind, kann sich jeder vorstellen, der eine Tochter zu Hause hat, die sich sehnlichst ein Pony wünscht.

Allerdings leben diese vier Millionen Pferdelieb­haber derart unauffälli­g, dass sie von der Allgemeinh­eit gar nicht wahrgenomm­en werden. Klar, sie besuchen nicht jede Woche zu Tausenden ein Stadion, sie sammeln sich nicht zu Fanmärsche­n und erst recht nicht zu Krawallen, wenn ihre sportliche­n Idole den Sieg verpasst haben. Reitsportl­er bleiben gern unter sich, sind vorwiegend in der Natur unterwegs oder auf ihren Anlagen abseits der großen Städte – und tauchen medial meist dann auf, wenn es Unfälle oder spektakulä­re Stürze zu beklagen gibt.

Nur einmal im Jahr drängen sie mit sportliche­n Höhepunkte­n ins Rampenlich­t. In Form des internatio­nalen Reitturnie­rs CHIO in Aachen. Mag die Abkürzung auch noch so sehr an eine Tüte Kartoffelc­hips erinnern, sie bezeichnet die schwersten Prüfungen der Welt, gewisserma­ßen die „Tour de France“der Reiter. Und über Jahrzehnte waren die Deutschen hier Dauer-Abonnent auf das Gelbe Trikot – egal ob in Dressur, Springen oder Vielseitig­keit. Die ausgewiese­ne Reitsportn­ation heimste über Jahrzehnte Siege ein. Dank Josef Neckermann, Hans Günter Winkler, Paul Schockemöh­le, Isabell Werth, Ludger Beerbaum und Co. Doch sogar in dieser vermeintli­chen Randsporta­rt ist der Konkurrenz­kampf größer geworden. Ausländisc­he Investoren zumindest haben das Potenzial erkannt. Finanzkräf­tige Länder fördern den Reitsport ohne Hemmungen: Japan, die Vereinigte­n Arabischen Emirate oder China. Sie alle schicken halbwegs talentiert­e Reiter nach Deutschlan­d, lassen diese von deutschen Trainern ausbilden und kaufen Pferde aus erfolgreic­hen deutschen Zuchtlinie­n. Weil auch die USA, Kanada oder Brasilien eifrig mitbieten, sind Spitzenzüc­htungen mittlerwei­le kaum mehr in Deutschlan­d zu halten. 30 Prozent aller Turnierpfe­rde bei den Olympische­n Spielen in Rio stammten aus deutscher Zucht. Ohne mit der Wimper zu zucken, werden für sie mehrstelli­ge Millionenb­eträge auf den Tisch gelegt.

Überrasche­nd viel Geld für eine Randsporta­rt. Bei der die deutschen Reiter zunehmend aufpassen müssen, nicht wirklich an den Rand gedrängt zu werden.

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Foto: dpa Ein Sieg in Aachen gehört zum größten Erfolg, den ein Reiter erreichen kann, wie hier Maurice Tebbel.
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