Reiter im Rampenlicht
Reiten ist eine Randsportart – sagen die, denen die Dimensionen des Pferdesports nicht so recht bewusst sind. Immerhin bezeichnen sich knapp vier Millionen Menschen in Deutschland als Reiter. Dass 78 Prozent davon weiblich sind, kann sich jeder vorstellen, der eine Tochter zu Hause hat, die sich sehnlichst ein Pony wünscht.
Allerdings leben diese vier Millionen Pferdeliebhaber derart unauffällig, dass sie von der Allgemeinheit gar nicht wahrgenommen werden. Klar, sie besuchen nicht jede Woche zu Tausenden ein Stadion, sie sammeln sich nicht zu Fanmärschen und erst recht nicht zu Krawallen, wenn ihre sportlichen Idole den Sieg verpasst haben. Reitsportler bleiben gern unter sich, sind vorwiegend in der Natur unterwegs oder auf ihren Anlagen abseits der großen Städte – und tauchen medial meist dann auf, wenn es Unfälle oder spektakuläre Stürze zu beklagen gibt.
Nur einmal im Jahr drängen sie mit sportlichen Höhepunkten ins Rampenlicht. In Form des internationalen Reitturniers CHIO in Aachen. Mag die Abkürzung auch noch so sehr an eine Tüte Kartoffelchips erinnern, sie bezeichnet die schwersten Prüfungen der Welt, gewissermaßen die „Tour de France“der Reiter. Und über Jahrzehnte waren die Deutschen hier Dauer-Abonnent auf das Gelbe Trikot – egal ob in Dressur, Springen oder Vielseitigkeit. Die ausgewiesene Reitsportnation heimste über Jahrzehnte Siege ein. Dank Josef Neckermann, Hans Günter Winkler, Paul Schockemöhle, Isabell Werth, Ludger Beerbaum und Co. Doch sogar in dieser vermeintlichen Randsportart ist der Konkurrenzkampf größer geworden. Ausländische Investoren zumindest haben das Potenzial erkannt. Finanzkräftige Länder fördern den Reitsport ohne Hemmungen: Japan, die Vereinigten Arabischen Emirate oder China. Sie alle schicken halbwegs talentierte Reiter nach Deutschland, lassen diese von deutschen Trainern ausbilden und kaufen Pferde aus erfolgreichen deutschen Zuchtlinien. Weil auch die USA, Kanada oder Brasilien eifrig mitbieten, sind Spitzenzüchtungen mittlerweile kaum mehr in Deutschland zu halten. 30 Prozent aller Turnierpferde bei den Olympischen Spielen in Rio stammten aus deutscher Zucht. Ohne mit der Wimper zu zucken, werden für sie mehrstellige Millionenbeträge auf den Tisch gelegt.
Überraschend viel Geld für eine Randsportart. Bei der die deutschen Reiter zunehmend aufpassen müssen, nicht wirklich an den Rand gedrängt zu werden.