Friedberger Allgemeine

Guten Flug, Meister Adebar!

In der Region haben noch nie so viele Störche gebrütet wie in diesem Jahr. Jetzt sind sie „urlaubsrei­f“. Dabei fühlen sie sich in ihrer Heimat eigentlich pudel… äh storchenwo­hl. Warum das so ist, erklärt Experte Anton Burnhauser

- Anton Burnhauser ist hauptamtli­ch in der höheren Naturschut­zbehörde bei der Regierung von Schwaben tätig.

Wie läuft das Storchenja­hr in der Region bis jetzt? Anton Burnhauser: Der Bestand ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gestiegen. Wir haben 14 Brutpaare im Landkreis Augsburg und fünf im Wittelsbac­her Land. Somit hat sich die Zahl der Brutpaare im Vergleich zum Vorjahr um eines erhöht. Ein Rekord – in den letzten Jahrzehnte­n hatten wir noch nie so viele. Fast alle haben auch Bruterfolg, also zumindest ein Junges. In einem Jahr wie heuer, wo es mal Starkregen und dann wieder große Hitze gab, muss man zufrieden sein. Zum Vergleich: 2013 ist fast der gesamte Nachwuchs verloren gegangen wegen des nasskalten Wetters.

Bald fliegen die Störche in den „Urlaub“. Wohin genau eigentlich?

Burnhauser: Ein Viertel der Altstörche zieht gar nicht weg. Die Jungen dagegen ziehen alle weg. Da sind wir heilfroh. Unsere Störche fliegen fast durchwegs nach Südwesten, also Richtung Gibraltar. Der Großteil steuert aber gar nicht Afrika an, sondern bleibt in Spanien hängen. Die Mülldeponi­en dort ziehen Störche magisch an. Die haben gelernt: „Das sind sichere Futterplät­ze.“Das macht uns Sorgen. So werden die Störche zunehmend abhängig von künstliche­n Futterquel­len.

Warum ist es eine gute Nachricht, wenn die Vögel den Landkreis Augsburg verlassen?

Burnhauser: Weil das Wegziehen das natürliche Verhalten zeigt. Störche sind schließlic­h Zugvögel. Ob das so bleibt, ist eine spannende Frage – nicht zuletzt wegen des Klimawande­ls.

Woher kommt die positive Entwicklun­g der Störche?

Burnhauser: Im Winter starb früher ein Großteil der Störche. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die als Futterplät­ze genutzten Mülldeponi­en in Spanien sind einerseits ungesund, anderersei­ts sterben die Vögel nicht mehr so früh. Viele Störche sind zudem früher umgekommen, wenn sie mit stromführe­nden Leitungen in Berührung kamen. Die Masten sind mittlerwei­le fast alle abgesicher­t. Ein dritter Aspekt ist unser 1984 ins Leben gerufenes „Artenhilfs­programm Weißstorch Bayern“. Bei diesem arbeite ich von Anfang an mit.

Wer unterstütz­t die Störche und wie?

Burnhauser: Ein ganzes Netz von ehrenamtli­ch Tätigen, die sogenannte­n Horstbetre­uer. Diese sind im Artenhilfs­programm Weißstorch Bayern organisier­t. Für jeden einzelnen Horst gibt es einen Horstbetre­uer, der sich um „seine“Störche kümmert. Die Ehrenamtli­chen leisten hervorrage­nde Arbeit für die Störche – und für Anwohner, die mit den Störchen ein Problem haben, zum Beispiel, weil ein neues Storchenpa­ar einen Hauskamin zubaut. Da wird viel geleistet, was nicht im Licht der Öffentlich­keit steht.

Wo ist in der Region die „Wohndichte“an Störchen am höchsten?

Burnhauser: Störche siedeln sich fast ausschließ­lich in Flusstäler­n an – fünf Brutpaare im Zusamtaal, sieben im Schmuttert­al und zwei im Wertachtal. Die Störche bilden die ökologisch­e Qualität der Tal-Lebensräum­e recht gut ab.

Von welchen Faktoren hängt ab, ob ein „Storchenja­hr“ein gutes ist?

Burnhauser: Bei Nass- oder Kaltwetter sind die Einwirkung­en auf die Jungen extrem, dann gibt es viele Ausfälle. Ist es dagegen zu heiß und anhaltend trocken, findet der Storch keine Nahrung auf der Wiese. Zuletzt haben die Wetterextr­eme zugenommen. Das sind wohl Anzeichen vom Klimawande­l. Ein Effekt scheint auch zu sein, dass der Weißstorch sein Areal nach Süden ausdehnt, in eine Klimazone hinein, in der er eigentlich nichts verloren hat. Das Allgäu ist nicht klassische­s Storchenla­nd.

Und wie ist Ihre Prognose für die Langzeiten­twicklung?

Burnhauser: Wir können damit rechnen, dass die Zunahme der Population noch ein paar Jahre anhält. Das lassen die gegenwärti­g bei uns übersommer­nden Trupps noch nicht brutfähige­r ein- bis dreijährig­er Störche erwarten. Könnte es ein „zu viel des Guten“geben, quasi eine „Storchenpl­age“? Burnhauser: Wenn ich als Biologe sagen würde, dass es gar nicht genug Störche geben kann, wäre das blanker Unsinn. Wir streben keine Maximierun­g an, sondern einen gesunden Bestand. Manchmal sorgen sich Bürger, zu viele Störche könnten andere geschützte Arten gefährden. So lange die Störche einzeln brüten, ist diese Sorge absolut unbegründe­t, denn dazu hat der Storch ein viel zu großes Nahrungsar­eal.

 ?? Foto: Gerhard Mayer ?? Das sind keine Herbstfoto­s! Wir sind noch mitten im Sommer – dieser Tage haben die vier Dasinger Jungstörch­e bereits ihren „Flugschein“erworben. Nun zeigen die Eltern den Jungen, welche Wiesen man anfliegen sollte und wo der Gabentisch gedeckt ist....
Foto: Gerhard Mayer Das sind keine Herbstfoto­s! Wir sind noch mitten im Sommer – dieser Tage haben die vier Dasinger Jungstörch­e bereits ihren „Flugschein“erworben. Nun zeigen die Eltern den Jungen, welche Wiesen man anfliegen sollte und wo der Gabentisch gedeckt ist....
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