Als der Buchdruck noch in der Wiege lag
Der Heimatverein informierte sich über die Technik, die die Welt veränderte. Friedberg bezog Inkunabeln und Ablassbriefe aus der Nachbarstadt Augsburg
Augsburg/Friedberg Das lateinische Wort für „incunabulum“entspricht den deutschen Wörtern Wiege und Windel. Mit „Wiegendruck“oder Inkunabel ist somit der Buchdruck gemeint, der noch nicht der Kinderwiege entwachsen war. Alle bis 1500 gedruckten Werke, die mit beweglichen Metallbuchstaben gedruckt wurden, bezeichnet man als Inkunabeln. Ein Kenner der Materie, Hans-Jörg Künast von der Staatsund Stadtbibliothek Augsburg, führte den Heimatverein Friedberg durch die Ausstellung „Augsburg macht Druck“im Diözesanmuseum. Schließlich waren Inkunabeln einst auch in Friedberg verbreitet.
Als die Kunst des Buchdrucks noch in der Wiege lag, war Augsburg die fünfte Stadt im deutschen Sprachraum, in der mit beweglichen Lettern gedruckt wurde. Und so zeigte Künast den Heimatvereinsmitgliedern, welche Fülle von repräsentativen Inkunabeln Augsburg heute noch zu bieten hat. Um 1450 erfand der 50-jährige Johannes Gutenberg in Mainz den Buchdruck mit beweglichen Buchstaben. Sie waren aus Metall gefertigt und konnten immer wieder neu zusammengesetzt werden. Durch diese Erfindung war es möglich, Drucke schneller und in größerer Stückzahl herzustellen. Bisher oblag vorwiegend Mönchen die Vervielfältigung von Schriftstücken. Ganze Bibliotheken wurden von Hand abgeschrieben. Im Spätmittelalter allerdings kam die handschriftliche Produktion der steigenden Nachfrage nicht mehr nach. Nicht nur Fürsten, Adelige und Gelehrte, sondern auch die Bürgerschaft der aufblühenden Städte im 15. Jahrhundert wollte lesen und schreiben.
Dies hatte zu tun mit dem um 1470 beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung. Augsburg als Handelsmetropole und Kontenpunkt im Fernhandelsnetz profitierte davon. Die geschäftstüchtigen Händler und Handwerker mussten des Lesens, Schreibens und Rechnens kundig Künast veranschaulichte die Situation mit Zahlen: Um 1500 zählte Augsburg 20000 Einwohner. Die Zahl der Lateinkundigen mit etwa 500 Menschen war sehr gering, da Augsburg keine Universität besaß. Aber zehn Prozent der Bevölkerung konnten Deutsch lesen und schreiben. Es war der Bischof, der den Grundstein für den Buchdruck mit beweglichen Lettern in Augsburg legte. Er holte um 1467 den aus Reutlingen stammenden Günther Zainer an den Lech. 1468 erschien das erste von Zainer gedruckte Buch in Augsburg. Nun konnte durch die schnellere Vervielfältigung der Schriften und deren Verteilung in den Klöstern der Bildungsstand der Ordensleute gehoben werden. Auch gab es keine Übertragungsfehler mehr.
Das Layout der handschriftlichen Vorlage wurde zunächst übernommen. Da es am Anfang keinen Mehrfarbendruck gab, wurde der erste Buchstabe von Hand mit Farbe ausgemalt, wie überhaupt die fantastische buchmalerische Ausgestaltung wie bisher per Hand erfolgte. Die ursprünglich breiten Ränder, die der Repräsentation dienten, wurden im Lauf der Zeit geringer. So sparte man Papierkosten.
Bereits um 1500 gab es 25 Buchdrucker in Augsburg, die, wie Ärzte oder Juristen, nicht der Zunft unterworfen waren. Die Augsburger Buchdrucker hatten keine Universitätsausbildung. Aber sie wussten, was die Leute lesen wollten. So zählte Augsburg zum einzigen Druckort im deutschen Sprachraum, an dem mehr deutschsprachige als lateinisein. sche Inkunabeln gedruckt wurden. Durch die weitreichenden wirtschaftlichen Beziehungen fanden Augsburger Inkunabeln Käufer in nah und fern. Die katholische Kirche nutzte die neue Technik, um massenhaft Ablassbriefe zu drucken. Die Menschen hatten Angst vor dem Fegefeuer. Es hieß, mit dem Kauf eines Ablassbriefes wäre man von seinen Sünden befreit. Künast verwies darauf, dass auch in Friedberg diese Ablassbriefe gekauft wurden.
In Friedberg findet sich der erste Buchdrucker erst in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts. Bis dahin ließ man vorwiegend in Augsburg drucken. Ein eigenes Druckgewerbe hätte sich in Friedberg wegen des Konkurrenzkampfes nicht halten können. Zudem gab es noch kein Urheberrecht. Im Lutherjahr 2017 ist darauf zu verweisen, dass es nach der Inkunabelzeit die Reformation war, die für einen enormen Schub der Lesefähigkeit der Bevölkerung sorgte. Für Augsburg schätzt man, dass nun 30 Prozent der Menschen lesen konnten.
Der Ablasshandel zur Finanzierung des Petersdom-Neubaus war einer der Gründe für Luthers Thesenanschlag 1517. In der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche standen dem Reformator durch die medialen Umwälzungen des 15. Jahrhunderts, ausgelöst durch Gutenberg, ungeahnte publizistische Möglichkeiten zur Verfügung. Von 1523 bis 1545 war Augsburg sogar, nach Wittenberg, der zweitwichtigste Druckort für Lutherbibeln.