Friedberger Allgemeine

Als der Buchdruck noch in der Wiege lag

Der Heimatvere­in informiert­e sich über die Technik, die die Welt veränderte. Friedberg bezog Inkunabeln und Ablassbrie­fe aus der Nachbarsta­dt Augsburg

- VON REGINE NÄGELE Foto: Regine Nägele

Augsburg/Friedberg Das lateinisch­e Wort für „incunabulu­m“entspricht den deutschen Wörtern Wiege und Windel. Mit „Wiegendruc­k“oder Inkunabel ist somit der Buchdruck gemeint, der noch nicht der Kinderwieg­e entwachsen war. Alle bis 1500 gedruckten Werke, die mit bewegliche­n Metallbuch­staben gedruckt wurden, bezeichnet man als Inkunabeln. Ein Kenner der Materie, Hans-Jörg Künast von der Staatsund Stadtbibli­othek Augsburg, führte den Heimatvere­in Friedberg durch die Ausstellun­g „Augsburg macht Druck“im Diözesanmu­seum. Schließlic­h waren Inkunabeln einst auch in Friedberg verbreitet.

Als die Kunst des Buchdrucks noch in der Wiege lag, war Augsburg die fünfte Stadt im deutschen Sprachraum, in der mit bewegliche­n Lettern gedruckt wurde. Und so zeigte Künast den Heimatvere­insmitglie­dern, welche Fülle von repräsenta­tiven Inkunabeln Augsburg heute noch zu bieten hat. Um 1450 erfand der 50-jährige Johannes Gutenberg in Mainz den Buchdruck mit bewegliche­n Buchstaben. Sie waren aus Metall gefertigt und konnten immer wieder neu zusammenge­setzt werden. Durch diese Erfindung war es möglich, Drucke schneller und in größerer Stückzahl herzustell­en. Bisher oblag vorwiegend Mönchen die Vervielfäl­tigung von Schriftstü­cken. Ganze Bibliothek­en wurden von Hand abgeschrie­ben. Im Spätmittel­alter allerdings kam die handschrif­tliche Produktion der steigenden Nachfrage nicht mehr nach. Nicht nur Fürsten, Adelige und Gelehrte, sondern auch die Bürgerscha­ft der aufblühend­en Städte im 15. Jahrhunder­t wollte lesen und schreiben.

Dies hatte zu tun mit dem um 1470 beginnende­n wirtschaft­lichen Aufschwung. Augsburg als Handelsmet­ropole und Kontenpunk­t im Fernhandel­snetz profitiert­e davon. Die geschäftst­üchtigen Händler und Handwerker mussten des Lesens, Schreibens und Rechnens kundig Künast veranschau­lichte die Situation mit Zahlen: Um 1500 zählte Augsburg 20000 Einwohner. Die Zahl der Lateinkund­igen mit etwa 500 Menschen war sehr gering, da Augsburg keine Universitä­t besaß. Aber zehn Prozent der Bevölkerun­g konnten Deutsch lesen und schreiben. Es war der Bischof, der den Grundstein für den Buchdruck mit bewegliche­n Lettern in Augsburg legte. Er holte um 1467 den aus Reutlingen stammenden Günther Zainer an den Lech. 1468 erschien das erste von Zainer gedruckte Buch in Augsburg. Nun konnte durch die schnellere Vervielfäl­tigung der Schriften und deren Verteilung in den Klöstern der Bildungsst­and der Ordensleut­e gehoben werden. Auch gab es keine Übertragun­gsfehler mehr.

Das Layout der handschrif­tlichen Vorlage wurde zunächst übernommen. Da es am Anfang keinen Mehrfarben­druck gab, wurde der erste Buchstabe von Hand mit Farbe ausgemalt, wie überhaupt die fantastisc­he buchmaleri­sche Ausgestalt­ung wie bisher per Hand erfolgte. Die ursprüngli­ch breiten Ränder, die der Repräsenta­tion dienten, wurden im Lauf der Zeit geringer. So sparte man Papierkost­en.

Bereits um 1500 gab es 25 Buchdrucke­r in Augsburg, die, wie Ärzte oder Juristen, nicht der Zunft unterworfe­n waren. Die Augsburger Buchdrucke­r hatten keine Universitä­tsausbildu­ng. Aber sie wussten, was die Leute lesen wollten. So zählte Augsburg zum einzigen Druckort im deutschen Sprachraum, an dem mehr deutschspr­achige als lateinisei­n. sche Inkunabeln gedruckt wurden. Durch die weitreiche­nden wirtschaft­lichen Beziehunge­n fanden Augsburger Inkunabeln Käufer in nah und fern. Die katholisch­e Kirche nutzte die neue Technik, um massenhaft Ablassbrie­fe zu drucken. Die Menschen hatten Angst vor dem Fegefeuer. Es hieß, mit dem Kauf eines Ablassbrie­fes wäre man von seinen Sünden befreit. Künast verwies darauf, dass auch in Friedberg diese Ablassbrie­fe gekauft wurden.

In Friedberg findet sich der erste Buchdrucke­r erst in den 30er Jahren des 18. Jahrhunder­ts. Bis dahin ließ man vorwiegend in Augsburg drucken. Ein eigenes Druckgewer­be hätte sich in Friedberg wegen des Konkurrenz­kampfes nicht halten können. Zudem gab es noch kein Urheberrec­ht. Im Lutherjahr 2017 ist darauf zu verweisen, dass es nach der Inkunabelz­eit die Reformatio­n war, die für einen enormen Schub der Lesefähigk­eit der Bevölkerun­g sorgte. Für Augsburg schätzt man, dass nun 30 Prozent der Menschen lesen konnten.

Der Ablasshand­el zur Finanzieru­ng des Petersdom-Neubaus war einer der Gründe für Luthers Thesenansc­hlag 1517. In der Auseinande­rsetzung mit der katholisch­en Kirche standen dem Reformator durch die medialen Umwälzunge­n des 15. Jahrhunder­ts, ausgelöst durch Gutenberg, ungeahnte publizisti­sche Möglichkei­ten zur Verfügung. Von 1523 bis 1545 war Augsburg sogar, nach Wittenberg, der zweitwicht­igste Druckort für Lutherbibe­ln.

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Quelle: Universitä­tsbiblioth­ek Augsburg, C 14 2 Günther Zainers zweibändig­es Werk „Der Heiligen Leben“, gedruckt 1471 und 1472, wurde ein Bestseller.
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Hans Jörg Künast zeigte bei der Führung durch die Ausstellun­g die Reprodukti­on ei nes Ablassbrie­fes.

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