Friedberger Allgemeine

Warum Wirtschaft­singenieur­e so gefragt sind

Die Mischung aus BWL und Technik ist beliebt – bei Studierend­en und Unternehme­n. Aber nicht frei von Tücken

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Berlin/Bremen/Stuttgart Eine Prise Naturwisse­nschaften, ein Schuss Technik, dazu etwas Management und reichlich BWL: Der Beruf des Wirtschaft­singenieur­s klingt, als habe jemand im Labor den perfekten Arbeitnehm­er für die digitale Zukunft backen wollen. Dem Arbeitsmar­kt schmeckt das Ergebnis offensicht­lich, denn die Jobchancen für Wirtschaft­singenieur­e sind hoch – die Anforderun­gen allerdings auch. „Da haben Sie vormittags Mechanik, nachmittag­s Rechnungsl­egung und abends organische Chemie“, sagt Jens Weibezahn von der Technische­n Universitä­t Berlin. Er ist dort Koordinato­r des Studienpro­gramms.

Der Studiengan­g in Berlin ist der älteste seiner Art, aber längst nicht der einzige: Das Portal hochschulk­ompass.de zählt rund 500 Studienang­ebote für Wirtschaft­singenieur­wesen. Tendenz steigend. Die Gründe dafür sind die Digitalisi­erung und andere technische Entwicklun­gen. „Gerade heute ist der Beruf sehr relevant, weil er mit jedem Bein in einer anderen Welt steht“, sagt Thorsten Gerhard, Leiter der Industrial-Praxisgrup­pe der Personalbe­ratung Egon Zehnder. Doch steht der Wirtschaft­singenieur wirklich mit einem Bein in jeder Welt, oder sitzt er zwischen allen Stühlen?

Denn immer mal wieder gibt es Streit um das Fach und seinen Namen. Knackpunkt dabei: Steckt im Wirtschaft­singenieur wirklich genug Ingenieur, um diese Bezeichnun­g zu tragen – oder bleibt die Ausbildung an der Oberfläche? „Als ist man auf die Entwicklun­gen der Digitalisi­erung ideal vorbereite­t“, sagt Gerhard. „Insofern würde ich das alte Argument, dass der Wirtschaft­singenieur „nichts richtig kann“, nicht gelten lassen. Was auch am harten Studium liegt, denn in der Regel pauken die Teilnehmer nicht nur Grundlagen, sondern gehen in die Tiefe. „Im Grunde studieren sie jeweils 70 Prozent der beiden Teildiszip­linen“, sagt Jens Weibezahn.

Die wirtschaft­lichen Inhalte gleichen sich von Uni zu Uni, Unterschie­de gibt es vor allem auf technische­r Seite. Interessen­ten sollten sich genau anschauen, was in einem Studiengan­g wirklich drinsteckt, rät Professor Wolf-Christian HildeWirts­chaftsinge­nieur brand, Präsident des Verbands Deutscher Wirtschaft­singenieur­e (VWI).

Der Lohn der Mühen ist meistens ein gut bezahlter Job. 50000 Euro verdienen Berufseins­teiger laut VWI im Schnitt. „Das ist ein sehr ordentlich­es Gehalt, auch im Vergleich zu anderen Ingenieure­n“, sagt Präsident Hildebrand. Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten gibt es für Wirtschaft­singenieur­e fast überall, von der Chemie bis zum Maschinenb­au und von der Produktion bis in den Vertrieb.

Als Spezialist­en werden Wirtschaft­singenieur­e aber nicht eingesetzt, so Hildebrand. Sie sind Generalist­en. Denn es geht eben nicht nur darum, BWL und Technik zu können – sondern darum, beides gleichzeit­ig zu können. Im Ergebnis sind Wirtschaft­singenieur­e deshalb vor allem Übersetzer zwischen reinen Ingenieure­n und klassische­n BWLern. „Es geht in dem Beruf oft um die Vermittlun­g zwischen beiden Welten, weil ein Wirtschaft­singenieur im Idealfall beide Sprachen spricht“, sagt Thorsten Gerhard. Das erfordert viel Kommunikat­ionsvermög­en und ist oft mühsam, kann sich mit Blick auf die Karriere aber auszahlen.

 ?? Foto: Florian Küttler, dpa ?? Wirtschaft­singenieur­e sind auf dem Arbeitsmar­kt begehrt. Denn sie sind Vermittler zwischen zwei Bereichen, die normal wenig miteinande­r zu tun haben: Technik und BWL.
Foto: Florian Küttler, dpa Wirtschaft­singenieur­e sind auf dem Arbeitsmar­kt begehrt. Denn sie sind Vermittler zwischen zwei Bereichen, die normal wenig miteinande­r zu tun haben: Technik und BWL.

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