Friedberger Allgemeine

Mit Weltrekord zu Gold

Bei den Olympische­n Spielen der Gehörlosen gewinnt die 17-jährige Melanie Stabel nach Silber ihr zweites Edelmetall. Womöglich ist das nicht ihre letzte Medaille in Samsun

- VON JOHANNES GRAF

Im Finale wird Melanie Stabel dann doch nervös. Souverän hat die 17-Jährige bis dahin den Luftgewehr-Wettbewerb gemeistert, nun bietet sich ihr die Chance auf eine Medaille. Gedanken kreisen, zwischen Siegen und Scheitern liegen Millimeter. Der Wettkampf habe sie psychisch an Grenzen gebracht, berichtet die Gymnasiast­in später.

Stabel liegt auf dem siebten Platz, nach dem dritten Schuss klammert sie alles aus. Sie hat ihre Nerven im Griff, leistet sich keinen Fehlschuss mehr, trifft stattdesse­n ein ums andere Mal in die Zehn und schockt die Konkurrenz. „Ich wollte Gold und war hundert Prozent auf meinen Wettkampf fokussiert“, beschreibt Stabel. Keine Schützin ist letztlich an diesem Tag besser. Stabel ist am Ziel ihrer Träume. Hört die Nationalhy­mne, beißt obligatori­sch in die Medaille, die um ihren Hals baumelt. „Ich muss erst noch aufwachen und realisiere­n, was da eigentlich passiert ist.“

Seit ihrer Geburt ist Stabel hochgradig schwerhöri­g. Das hindert sie nicht an sportliche­n Höchstleis­tungen. Bei den Olympische­n Spielen der Gehörlosen, den Deaflympic­s, hat Stabel nach Silber im Kleinkalib­er Dreistellu­ngskampf nun auch noch Gold gewonnen. Obendrein mit Weltrekord (205,4 Ringe). Stabel erlebt aufregende Tage am Schwarzen Meer, die Zeit in der türkischen Großstadt Samsun wird sie wohl nie vergessen.

Stabel lebt im württember­gischen Neuweiler (Kreis Calw). Erst Anfang dieses Jahres erfuhr sie vom Deutschen Gehörlosen Sportverba­nd. Da es in ihrer Heimatregi­on Gehörlosen-Verein gibt, schloss sie sich im April dem GSV Augsburg an. Dessen Vorsitzend­er Josef Scheitle freut sich entspreche­nd für sein Vereinsmit­glied, empfindet gar Stolz. „Wir sind alle glücklich.“Nun wünscht sich Scheitle, dass die gehörlosen Sportler durch die Deaflympic­s eine ähnliche Aufmerksam­keit erfahren wie Teilnehmer der Paralympic­s.

Stabels Erfolge tragen dazu bei. Dass sie an Gehörlosen­wettbewerb­en teilnimmt, war für die 17-Jährige lange ungewohnt. Zuvor hat Stabel ausschließ­lich mit Hörenden konkurrier­t. Sie geht für Vereine in Neuweiler, Königsbach und Fenken an die Stände, trainiert oft im Landesleis­tungszentr­um Baden-Württember­g in Pforzheim und gehört dem Bundeskade­r an.

Stabel zählt bereits zur Weltspitze, obwohl sie spät ihre Karriere im Handicap-Sport begonnen hat. Hier sind keinerlei Hilfsmitte­l erlaubt, ihre Hörgeräte muss sie ablegen. Dies wurde im Deaflympic­s-Finale der Russin Dina Droganova zum Verhängnis. Sie legte in der Wettkampfz­one ihre Hörhilfe an und wurde nach Protesten von ukrainikei­nen schen und serbischen Trainern ausgeschlo­ssen. Stabel wirkte zunächst sogar enttäuscht, weil sie sich mit der im Vorkampf so starken Russin messen wollte.

Inzwischen überwiegt die Freude. Aus der Heimat erreichen sie Glückwünsc­he, die nicht die letzten sein müssen. Am heutigen Donnerstag bietet sich Stabel zum dritten Mal die Chance auf Edelmetall, Kleinkalib­er liegend ist zudem ihre Paradedisz­iplin. Erwartungs­druck verspürt sie allerdings keinen. „Ich habe bereits mehr erreicht, als ich für möglich gehalten habe.“

 ?? Foto: Anton Schneid ?? Die 17 jährige Melanie Stabel (Mitte) hat nach Silber bei den Deaflympic­s auch noch Gold gewonnen. Die Ukrainerin Violeta Ly kova (links) wurde Zweite und die Ungarin Mira Zsuzanna (rechts) Dritte.
Foto: Anton Schneid Die 17 jährige Melanie Stabel (Mitte) hat nach Silber bei den Deaflympic­s auch noch Gold gewonnen. Die Ukrainerin Violeta Ly kova (links) wurde Zweite und die Ungarin Mira Zsuzanna (rechts) Dritte.

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