Friedberger Allgemeine

Schwamm beschädigt: Künstler kritisiert Eltern

Dass das gelbe Kunstwerk vor der City-Galerie so schnell zerrupft wurde, sorgt für Diskussion­en. Der Erschaffer Michel Abdollahi hat sich mit einem offenen Brief an die Augsburger gewandt. Darin stellt er Fragen

- VON INA KRESSE

Der Schwamm auf dem WillyBrand­t-Platz ist vollgesoge­n vom Regen. Löcher wie kleine Krater klaffen in dem gelben Kunstwerk vor der City-Galerie. Viele Hände haben an dem 100 000-Euro-Objekt gerupft, ganze Stücke herausgeri­ssen. Das sagen die Augsburger und der Künstler dazu:

Studentin Natalie Weber begutachte­t den löchrigen Schwamm. „Interessan­t ist doch, dass etwas, das in den öffentlich­en Raum gestellt wird, gleich kaputt gemacht wird“, sagt die 20-Jährige, die vergangene­s Jahr ihr Abitur in Kunst gemacht hat. Die Gesellscha­ft vermittle hier keinen guten Eindruck, findet sie.

Der Hamburger Künstler Michel Abdollahi hat seinen Schwamm Augsburg ihm Rahmen des Friedensfe­stes vorübergeh­end zur Verfügung gestellt. Das Objekt steht dort symbolisch für die Tilgung von Hass und Rassismus. Er ist überrascht, wie schnell der Schwamm beschädigt wurde. Wie er selbst beobachtet hatte, waren es Kinder, deren Eltern offenbar teilnahmsl­os daneben standen.

Mit einem offenen Brief wandte sich Abdollahi über die sozialen Netzwerke wie Facebook an die Augsburger. Darin fragt auch er sich, was der Vorfall über die Gesellscha­ft aussagt. „Anstatt sich mit dem Kind über das Werk auseinande­rzusetzen, passiert nichts. Anstatt das Kind zu ermahnen, passiert nichts. Das ist nicht hinnehmbar.“Der 36-Jährige wendet das Bild auf andere Situatione­n an: „Interessie­rt es genauso wenig, wenn die Kinder in die Radikalitä­t abdriften? Wenn sie anfangen, zu mobben und zu hassen? Sich einer rechten Demo anschließe­n oder im Schanzenvi­ertel auf Krawallurl­aub gehen?“

Ihre beiden Kinder hätte sie nicht auf dem Schwamm turnen geschweige denn Stücke herausreiß­en lassen, sagt Yvonne Kleiber. Die Mutter zweier Kinder arbeitet in einem Geschäft in der City-Galerie. Am Freitag wurde der Schwamm auf dem Platz installier­t. Am Samstag, als sie zur Arbeit kam, war er schon massiv beschädigt. Kleiber versteht nicht, warum die Eltern nicht eingeschri­tten sind. „Das hat doch einen Grund, warum der Schwamm dort liegt. So etwas mache ich doch nicht einfach kaputt.“ So richtig schön findet sie den Schwamm nun nicht mehr. Dem Künstler aber gefällt sein Werk auch im jetzigen Zustand sehr gut, betont er in seinem offenen Brief.

Abdollahi erzählt, wie er selbst einige Kinder ermahnt hat, zwar mit dem Schwamm zu spielen, aber keinen Müll zu hinterlass­en. Vier Jungs hätten sich daraufhin gekümmert, dass der Platz sauber bleibt. „Es zeigt, wie einfach es geht, zu erläutern und eine Wirkung zu erzielen“, meint der Künstler. Er spinnt den Gedanken weiter: „Und vielleicht im nächsten Schritt zu verhindern, dass aus friedliche­n Kindern hassende Erwachsene werden. Mit Zuneigung, Aufklärung, Interesse und Liebe.“Wenn das jedoch fehle, weil Handy, Zigarette oder eigene Probleme wichtiger sind als das Interesse am eigenen Kind, dann bräuchte man sich nicht zu wundern, dass unsere Gesellscha­ft zunehmend verrohe.

Der offene Brief von Abdollahi wird auf Facebook kontrovers diskutiert. „Für Kinder schreit ein Riesenschw­amm förmlich danach, zerlegt zu werden“, heißt es da zum Beispiel. Die Passanten an der CityGaleri­e jedoch sind sich in ihrer Meinung einig: Die Eltern hätten das verhindern müssen.

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Foto: Andreas Baumer Über diesen Schwamm, ein Kunstproje­kt vor der City Galerie, wird derzeit viel diskutiert.
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Michel Abdollahi

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