Vom Korn zur Breze
Ernährung Für Verbraucher sind regional erzeugte Produkte immer wichtiger. Ein Bauer, ein Müller und ein Bäcker geben Einblick in ihre Arbeit /
Friedberg Wie viele Körner wachsen an einer Weizenähre? Wie viele Mühlen gab es einst in Friedberg? Und warum heißt ein Ofen Rio? Antworten auf solche und viele andere Fragen rund um den Weg vom Getreidekorn zur Breze gaben Landwirt, Müller und Bäcker bei einer „Entdeckungsreise entlang der Wertschätzungskette“des Landwirtschaftsamtes.
1 Der Bauer
Zurzeit ist die Ernte im Wittelsbacher Land in vollem Gang. Als Faustregel gilt: Wenn man das Korn nicht mehr mit dem Nagel zerdrücken kann, ist es reif. Doch schon bevor der Friedberger Landwirt Stephan Körner mit dem Mähdrescher anrücken kann, hat er viel Arbeit in das Getreide gesteckt – von der Aussaat des Weizens im frühen Herbst über mehrere DüngungsVorgänge bis zur Behandlung mit Fungiziden.
Weizen ist laut Landwirtschaftsdirektor Konrad Hörl die häufigste und gleichzeitig heikelste Getreidesorte, da sehr krankheitsanfällig. Jede Woche nimmt das Landwirtschaftsamt Proben und informiert dann die Bauern, welche Schritte gerade nötig sind. Doch zumindest Pilze waren angesichts der Hitze dieses Sommers ein kleineres Problem. Generell aber machen die Veränderungen des Klimas auch Landwirten zu schaffen.
Mit Neuzüchtungen – ohne Gentechnik, sondern durch Auslese, wie Konrad Hörl betont – versucht man gegenzusteuern. So ist Getreide mit vielen Grannen hitzeresistenter, weil die Grannen den Wind brechen. Teilweise werden auch sogenannte Urgetreidearten wie Emmer oder Einkorn eingekreuzt, um Pflanzen widerstandsfähiger zu machen.
Bei Weizen kann man geerntetes Saatgut wiederverwenden. Oft aber wechseln Landwirte alle drei bis fünf Jahre die Sorte, weil sie sich Verbesserungen erhoffen. Eine Ähre hat 30 bis 35 Körner – ein Körnchen mehr pro Ähre bringt da viel: Bei einem Ertrag zwischen 60 und 85 Doppelzentnern pro Hektar steigert es den Ertrag um zwei Doppelzentner.
2 Der Müller
Körner ist einer der Lieferanten der Benno-Mühle. Sie ist die letzte von fünf Mühlen, die es einstmals in Friedberg entlang der Ach gab. Mittlerweile machen bundesweit Großmühlen das Geschäft. Mit denen könnten die Ziegenaus, die „nur“3000 Tonnen Mehl pro Jahr herstellen, nicht mithalten. Doch ihr Geschäft steht auf soliden regionalen Füßen. Das eingängigste Zeichen dafür ist – wie bei Körner – der Hofbeziehungsweise Mühlenladen, in dem es viel mehr als Mehl gibt.
Lieferanten wie Abnehmer der Firma stammen aus dem Wittelsbacher Land und den angrenzenden Landkreisen. An guten Erntetagen treffen hier schon einmal 1000 Tonnen Getreide ein – die Mühle hat hohe Lagerkapazitäten und handelt mehr, als sie verarbeitet. Der Mehlverbrauch in Deutschland gehe zurück, berichtet Seniorchef Josef Ziegenaus bei der Führung. Verbrauchte ein Deutscher vor 100 Jahren 100 Kilo Mehl im Jahr, sind es jetzt nur noch 60 bis 70. Durch den Trend zur vegetarischen Ernährung ist die Tendenz allerdings leicht steigend.
Nach mehrmaliger Reinigung wird das Getreide in der BennoMühle in 17 Vermahlungs- und Aussiebungsschritten verarbeitet. So entstehen die unterschiedlichen Mehle. Vor allem Weizen ist es mittlerweile. Ziegenaus erklärt das so: „Früher hat man ein Brot für die ganze Woche geholt, jetzt gibt es jeden Tag frische Semmeln.“Seine Firma beliefert neben Hofläden und Pizzerien vor allem regionale Bäckereien. Vorteil: Sie kann relativ kleine Chargen der bevorzugten Mischungen herstellen – und an die Bauern weitergeben, was die Bäcker sich wünschen.
3 Der Bäcker
Ein Kunde der Benno-Mühle ist die Bäckerei Scharold. Es ist eine langlebige Verbindung: Seit 85 Jahren sei der Familienbetrieb, selber bereits 1885 gegründet, Kunde bei Ziegenaus, berichtet Geschäftsführer Rainer Scharold. Und obwohl so manchem das Unternehmen mit seinen elf Filialen und der neuen Schaubäckerei im Derchinger Gewerbegebiet groß vorkommt, betont der Chef: „Wir sind ein normaler mittelständischer Betrieb.“Den kleinen Bäcker von nebenan gebe es nicht mehr. Scharold verarbeitet zwei bis drei Tonnen Mehl sowie bis zu 3000 Eier täglich – alles von regionalen Lieferanten, wie er betont. In der 800 Quadratmeter großen Schaubackstube werden 150 unterschiedliche Artikel angefertigt – allein 5000 Brezen am Tag.
Natürlich können die neuen Maschinen das Mehl dosiert in die Rührschüsseln blasen, es gibt moderne Kühlgeräte, in denen die Teiglinge aber einen Tag gehen „dürfen“, weil die Brezen dann besser schmecken und länger halten. „Sie hat dann mehr Zeit, Wasser aufzunehmen“, erklärt der Bäcker. Dann laufen die Bleche durch die Maschine mit Lauge und Salz, bevor sie nach München kommen. So heißt der Brezenofen. Auch die anderen Öfen haben Namen, bevorzugt die von Städten in warmen Gefilden, etwa Rio. Das erleichtere den Mitarbeitern die Absprache, erklärt Scharold. Kunden können deren Arbeit mitverfolgen, damit keiner mehr behauptet, der Bäcker hole seine Teiglinge aus Polen. Und sie können es riechen. Das ist meistens schön – unlängst aber weniger, als einem Lehrling der Biskuit anbrannte. Doch auch das gehört dazu, bei Handwerk und Nähe.