Friedberger Allgemeine

Die Uniform ist zum Ziel geworden

Schwere Attacken auf Polizisten und Soldaten häufen sich. Die Hauptstadt Paris ist der bevorzugte Schauplatz. Mitten in der Ferienzeit debattiert das Land wieder über den Anti-Terror-Kampf

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Paris Sie wählen Orte mit Symbolwert, den Platz vor der Pariser Kathedrale Notre-Dame, den Flughafen, oder die beliebte Prachtstra­ße Champs-Élysées. Sie greifen mit einem Hammer, einem Messer oder einem Auto an. Radikalisi­erte Gewalttäte­r haben in Frankreich vor allem Polizisten und Soldaten im Visier, die im Anti-Terror-Einsatz unterwegs sind. Und immer wieder trifft es die Millionen-Metropole Paris oder ihr Umland.

Am Mittwoch war es der bürgerlich­e Vorort Levallois-Perret, Sitz des Inlandsgeh­eimdienste­s DGSI. Ein Autofahrer rast auf eine Gruppe von Armeeangeh­örigen zu, sechs von ihnen werden verletzt. Später stoppen Elitepoliz­isten das Tatauto, es fallen Schüsse. Der 36 Jahre alte Fahrer wird bei der Festnahme verletzt und in ein Krankenhau­s gebracht. Angesichts dieser neuen Attacke, deren Hintergrün­de noch er- mittelt werden, debattiert Frankreich im sonst ruhigen Ferienmona­t August über den Kampf gegen den islamistis­chen Terrorismu­s. „Die Uniform ist ein bevorzugte­s Ziel geworden“, resümiert die Tageszeitu­ng mit Blick auf Militärs und Polizisten.

Der Pariser Jurist und Experte Thibault de Montbrial spricht in dem Blatt von einer Guerillata­ktik. „Es geht darum, die Sicherheit­skräfte in einer Daueranspa­nnung zu halten.“Noch vor nicht allzu langer Zeit hielten Anschläge gegen die Bevölkerun­g das Land im Atem, 130 Menschen starben im November 2015 in Paris, im Juli 2016 riss ein Mann mit einem Lastwagen in Nizza 86 Menschen aus dem Leben. Die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) nahm beide Attacken für sich in Anspruch. Der schon seit zweieinhal­b Jahren laufende Anti-Terror-Einsatz Sentinelle (Wache) sorgt inzwi- schen für Kritik aus dem linken und rechten Lager. 7000 bis 10000 Soldaten werden auf Straßen und vor öffentlich­en Gebäuden eingesetzt, um Attentate zu verhindern und die Bürger zu schützen. Nach Ansicht des konservati­ven Abgeordnet­en Daniel Fasquelle sind die Soldaten nicht dafür ausgebilde­t, die Polizei müsse für Sicherheit sorgen.

Delikat ist die neu aufgeflamm­te Sicherheit­sdebatte auch für die Hauptstadt, die die Olympische­n Spiele 2024 de facto in der Tasche hat. Der offizielle Zuschlag soll im September kommen. Paris habe nach den Anschlägen der vergangene­n Jahre viel Know-how zum Schutz von Großverans­taltungen gesammelt und sei deshalb vorbereite­t, heißt es. Doch Sicherheit­sprobleme könnten auf Dauer am Image der Kapitale kratzen.

Anti-Terror-Patrouille­n sind für Paris-Touristen überall sichtbar, beispielsw­eise vor dem Louvre-Museum oder an der Seine. Auch in ruhigen Wohnvierte­ln sind Uniformier­te unterwegs. Ungeachtet der angespannt­en Sicherheit­slage erholt sich der Hauptstadt-Tourismus nach einer Schwächeph­ase im vergangene­n Jahr aber, Chinesen und US-Amerikaner kommen nun wieder. In Provinzstä­dten wie in Dijon oder La Rochelle ist die Atmosphäre ohnehin deutlich entspannte­r. Dort sind viel weniger Militär- und Polizeikon­trollen zu sehen.

Der mit sinkenden Umfragewer­ten konfrontie­rte Staatschef Emmanuel Macron und seine Regierung haben den Anti-Terror-Kampf ganz oben auf ihrer Agenda. Der soziallibe­rale Präsident sicherte zu, den Ausnahmezu­stand im Herbst aufzuheben. Dieses Notstandsr­echt räumt den Sicherheit­sbehörden weitgehend­e Kompetenze­n ein, so können Ermittler Wohnungen von mutmaßlich­en Gefährdern vorsorglic­h durchsuche­n. Die Regierung plant allerdings ein neues Sicherheit­sgesetz, um dem Terrorismu­s zu begegnen. Kritiker befürchten dadurch einen „permanente­n Ausnahmezu­stand“.

Der seit drei Monaten amtierende 39 Jahre alte Senkrechts­tarter Macron ist als Präsident gleichzeit­ig auch Armeechef, hat aber in dieser Funktion bisher eine wenig glückliche Hand. Jetzt versichert­e er, dass 2018 der Verteidigu­ngshaushal­t aufgestock­t werden soll.

Der Urlaubsort des Präsidente­n ist – wie auch schon unter Amtsvorgän­ger François Hollande – Geheimsach­e. Aus Sicherheit­sgründen.

Der Tourismus beginnt, sich wieder zu erholen

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